Apple stellt Computerbrille Vision Pro vor

Ist das der langersehnte „iPhone-Moment“ der VR- und AR-Branche?

Besucher versammeln sich um das Apple Vision-Pro-Headset, das in einem Ausstellungsraum ausgestellt wird.

Besucher versammeln sich um das Apple Vision-Pro-Headset, das in einem Ausstellungsraum ausgestellt wird.

16 Jahre ist es her, dass Steve Jobs in seiner legendären Präsentation in der Apple-Keynote in San Francisco „drei revolutionäre Produkte“ vorstellte. Sie sollten – ähnlich wie Apples Mikrocomputer Macintosh und der tragbare Audioplayer iPod – ihre Produktgattungen für immer ändern, wie er betonte. Zuerst sprach Jobs von einem „neuen iPod mit Widescreen und Touch-Funktion“, als Zweites von einem „revolutionären Handy“ und zuletzt von einem „bahnbrechenden, internetfähigen Kommunikationsgerät“. Doch damit legte er das gesamte Publikum rein. Denn in Wahrheit handelte es sich nicht um drei Produkte, sondern um ein einziges: das iPhone.

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Es war der Zeitpunkt, an dem Apple die Vorstellung vieler Menschen, was ein Handy neu sein könnte, revolutionierte. Gemeinhin ist er auch als „iPhone-Moment“ bekannt. Doch damals, am 9. Januar 2007, konnte niemand mit endgültiger Gewissheit sagen, dass das iPhone so groß werden würde, wie es auch heute noch ist.

Eine ähnliche Ungewissheit herrscht auch im Zuge von Apples Ankündigung seines seit Jahren heiß erwarteten Mixed-Reality-Headsets namens Vision Pro. Eine futuristische Skibrille, mit der Nutzerinnen und Nutzer zum einen wie mit herkömmlichen VR-Brillen tief in eine virtuelle Realität eintauchen, gleichzeitig aber auch immer wieder die analoge Umgebung wahrnehmen können. Eine Computerbrille, die also Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) kombiniert. Ist das Apples neuer „iPhone-Moment“ oder lediglich eine weitere groß angepriesene VR- und AR-Innovation, aus der nichts wird?

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VR- und AR-Brillen verkaufen sich bislang nur schleppend

„Die Branche wartet noch auf einen „iPhone-Moment““, sagt Sebastian Klöß, Bereichsleiter für die Themen Consumer Technology, AR und VR sowie Metaverse beim Digitalbranchenverband Bitkom. Schon seit Jahren versuchen Techunternehmen händeringend, Menschen für VR und AR zu begeistern, allerdings bislang noch eher mit mäßigem bis geringem Erfolg. Der große Durchbruch lässt noch auf sich warten, wie die vergangenen Jahre zeigten.

VR und AR

Augmented Reality (AR) beschreibt eine Technologie, bei der computergenerierte Bilder in die echte Umgebung eingeblendet werden. Menschen können also mit einer AR-Brille etwa eine virtuelle Routenbeschreibung auf ihren Gehweg platzieren. VR bezeichnet dagegen eine komplett durch computergenerierte Bilder erzeugte Umgebung. Wer eine VR-Brille trägt, tritt also in einer komplett virtuelle Realität ein, kann zum Beispiel mitten in einem virtuellen Konzert zusammen mit anderen Menschen tanzen.

Viele Menschen sind zwar bereits mit AR in Berührung gekommen – etwa über die App des schwedischen Möbelriesen Ikea, mit der Nutzerinnen und Nutzer virtuelle Möbel über die Handykamera in ihren eigenen vier Wänden platzieren können, um zu testen, wie sie in die Wohnung passen. Aber bislang konnten sich reine AR-Produkte noch nicht in der breiten Bevölkerung durchsetzen. Um AR-Spiele wie „Pokémon Go“ oder „Harry Potter: Wizards Unite“ entstand beispielsweise erst ein riesiger Hype, der dann relativ schnell wieder verflog. Und bisherige AR-Brillen bieten aktuell nur wenige Vorzüge, abgesehen von eingeblendeten Handyalarmierungen, die genauso gut die Smartwatch anzeigen könnte. Google beendete nach elf Jahren sogar sein „Google Glass“-Projekt, weil die Brille floppte.

Und VR-Brillen? Nun, sie existieren: Headsets, mit denen Menschen „Batman“ spielen, Fitnessübungen mit virtuellen Trainern absolvieren und mit ihren Freundinnen und Freunde in einer virtuellen Welt quatschen können. Doch der Markt ist bislang noch verhältnismäßig klein. Die allermeisten Brillen – Steams und Sonys groß angekündigte Gaming-VR-Headsets etwa – konnten bislang noch nicht restlos überzeugen, verkaufen sich nur schleppend.

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„Ein wichtiger Player“: Gelingt Apple der Durchbruch?

Bislang fehlte dem AR- und VR-Markt eine Variable, die die Erfolgschancen gewaltig beeinflussen könnte: Apple. Und Apple weiß, wie man Hardware der breiten Bevölkerung schmackhaft macht. Jedes neue iPhone ist quasi ein Selbstläufer – trotz der großen Smartphone-Konkurrenz und obwohl es inzwischen etliche günstigere, technisch auch teils bessere Alternativen gibt. Manche Apple-Fans können selbst dem über 1000 Euro teuren „Pro-Stand“, einer Halterung für iMacs, nicht widerstehen. Und dann stört es sie auch nicht, dass die Airpods etwas seltsam aussehen – es sind schließlich immer noch Apple-Produkte.

„Wenn ein wichtiger Player wie Apple nun eine VR- und AR-Brille veröffentlicht, lenkt es eine viel größere Aufmerksamkeit auf die Technologien – und mehr Menschen werden verstehen, dass es VR und AR bereits gibt und dass sie viele Möglichkeiten bieten“, sagt Klöß. Womöglich wird mehr Menschen dann auch klar werden, dass VR und AR nicht nur im Gaming Anwendung finden und keineswegs erst in Zukunft eine Rolle spielen werden. Die App Google Lens kann beispielsweise über die Handykamera bereits Speisekarten von einer fremden Sprache in die eigene übersetzen – das ist eine AR-Technologie, die es heute schon gibt und theoretisch auch über eine AR-Brille funktionieren kann.

Akzeptanz von VR und AR steigern – mit Mixed Reality

Solche Funktionen können nützlich sein, aber die große Frage ist, ob Menschen dafür wirklich eine Brille kaufen wollen – und ob sie auch einen Schritt weitergehen werden und damit in eine vollkommen virtuelle Realität eintauchen wollen. Laut einer Bitkom-Umfrage vom vergangenen Jahr liegt die Bereitschaft, VR zu nutzen, bei den über 16-Jährigen in Deutschland bei 43 Prozent und mehr als doppelt so hoch wie 2019 (21 Prozent). Knapp jede und jeder Fünfte (18 Prozent) nutzt VR zumindest hin und wieder, weitere 19 Prozent wollen eine VR-Brille auf jeden Fall künftig nutzen und knapp jede und jeder Vierte kann sich es zumindest vorstellen (24 Prozent). AR-Brillen wollen dagegen nur 30 Prozent künftig nutzen oder ziehen dies in Erwägung.

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Die Akzeptanz von AR- und VR-Brillen ist damit noch nicht so hoch, wie es sich Riesen wie Meta und Apple wünschen, die stark auf die Technologie setzen. Und das hat mehrere Gründe. Viele Menschen können sich noch immer nichts unter VR vorstellen, sind zudem von einer Brille abgeschreckt, mit der sie in eine abgeschlossene virtuelle Realität eintauchen und von ihrer Umwelt nichts mitbekommen. Und AR kann sich noch nicht so richtig von seinem Ruf befreien, nichts mehr als ein technisches Gimmick zu sein.

Dennoch preisen viele Techunternehmen AR und VR weiterhin als Zukunft des Internets an. Meta-Chef Mark Zuckerberg ist sogar so stark von seinem Metaverse überzeugt, dass er die Zukunft seines Unternehmens darauf verwettet. Und erst vor Kurzem stellte Meta für den Herbst ein neues Modell seiner Quest-Brillen in Aussicht, die ebenso wie Apples Produkt eine Mixed-Reality-Brille sein wird.

Und genau das könnte der richtige Weg sein, um die Akzeptanz zu steigern: Wenn eine reine virtuelle Welt zu viele Menschen abschreckt und AR bloß als netter Gimmick verstanden wird, dann kann eine Brille, die beides kann, womöglich mehr Menschen erreichen. „VR und AR verschmelzen zunehmend. Das ist ein erster Schritt, den Unternehmen gehen, um die Technologie noch mehr im Alltag zu verankern“, sagt Klöß.

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Brillen müssen alltagstauglich werden

Apple nennt die Vision Pro einen tragbaren Umgebungscomputer. Das Gerät werde die Art und Weise verändern, wie Menschen kommunizieren und zusammenarbeiten, zeigte sich Apple-Chef Tim Cook überzeugt. In den USA soll das Gerät Anfang kommenden Jahres auf den Markt kommen. Ein Datum für den Marktstart außerhalb der USA wurde noch nicht genannt. Apple sieht eine Einsatzmöglichkeit für die Vision Pro im Beruf, weil man sich viele große virtuelle Displays ins Blickfeld einblenden kann. Die Apple-Brille soll aber auch wie ein mobiles 3-D-Kino und für andere Unterhaltungsanwendungen genutzt werden können. So wird der Streamingdienst Disney+ von Beginn an auf der Vision Pro verfügbar sein.

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Doch ob Apple mit der Skibrillenoptik Menschen dazu bewegen kann, sie auch im Alltag zu tragen? Denn die Funktionen allein machen Mixed-Reality-Brillen noch nicht alltagstauglich: Menschen müssen sie auch tragen können, ohne sich lächerlich zu fühlen. Die bisherigen, oftmals klobigen Modelle können das aber kaum bieten. „Die großen Gamechanger werden wahrscheinlich Modelle sein, die wie eine normale Brille aussehen und alltagstaugliche Funktionen bieten: Navigationshinweise auf dem Weg zur Arbeit zum Beispiel, oder auch virtuelle Meetings im Homeoffice, bei denen ich meine Kollegen in mein Zimmer projiziere“, so Klöß.

Mit 3500 US-Dollar, die Apple für die Vision Pro verlangt, ist die Brille zudem vergleichsweise teuer. Carolina Milanesi, Analystin vom Marktforschungsunternehmen Creative Strategies, sagte in Cupertino, sie glaube nicht, dass das Headset derzeit für den Massenmarkt gedacht sei. Stattdessen richte sich Apple zunächst an Technikbegeisterte sowie an Entwickler, die Anwendungen für die Vision Pro programmieren werden. Berichten zufolge erwartet Apple unter einer Million verkaufte Exemplare pro Jahr, womit Vision Pro im Vergleich zum iPhone mit jährlich über 200 Millionen Verkäufen doch sehr klein wirkt. Zudem steigt Apple mit seinem hochpreisigen Produkt ausgerechnet in einem Moment in den Markt ein, in dem ein kurzlebiger Hype rund um das Geschäft mit virtuellen Welten und Objekten merklich abgeflaut ist.

Doch das muss nicht zwingend bedeuten, dass die Brille ein vorprogrammierter Flop wird. „Eine massenmarkttaugliche Mixed-Reality-Brille dürfte auch bei einem hohen Preis die Verbreitung von VR- und AR-Brillen fördern. Allein durch Businesskunden könnten solche Brillen langfristig zunehmend in die breite Bevölkerung gelangen“, sagt Klöß.

Ähnlich wie beim iPhone werden aber erst die nachfolgenden Jahre zeigen, ob die Ankündigung von Apples Vison Pro als so etwas wie der „Mixed-Reality-Brillen-Moment“ in die Geschichte eingehen wird. Aber zumindest ist Apples Einstieg ins Rennen um den VR- und AR-Thron als deutliches Zeichen dafür zu sehen, dass es sich bei den Technologien um mehr als eine wilde Fantasie von Mark Zuckerberg handelt. Denn wenn selbst Apple – das Unternehmen, das bei Innovationen so oft schon den richtigen Riecher hatte – es mit der Brille ernst meint, muss in VR und AR eine Menge Potenzial stecken.

Mit Material der dpa

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