Energiewendeprojekt SuedLink: Praxistest für geplante Stromtrassen
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Testfeld von SuedLink in Süddeutschland. Hier werden die Auswirkungen von Wärmeabstrahlung der künftigen Stromtrasse auf die Landwirtschaft erforscht.
© Quelle: SuedLink
Auf 40 Grad sind die Rohre erhitzt, die Ingenieure derzeit an vier Teststandorten in Süddeutschland verlegen. Damit soll die Wärme des künftigen Stromdurchflusses von Norddeutschland gen Süden und dessen Folgen für die unmittelbare Umgebung erforscht werden. Die Ausbaupläne der Bundesregierung sehen für die Verkehrswende zur E-Mobilität vor allem Strom aus erneuerbaren Energien vor. Gut ausgebaute Stromnetze sind dabei das Rückgrat der Energiewende, über mehrere tausend Kilometer neuer Stromtrassen sollen den Windstrom aus dem Norden in die süddeutschen Ballungsgebiete transportieren. Mit rund 700 Kilometern Länge und einer Investitionssumme von etwa zehn Milliarden Euro ist SuedLink das größte Infrastrukturprojekt der Energiewende. Spätestens 2025 soll SuedLink über Erdkabel Strom aus norddeutschen Windparks nach Bayern und Baden-Württemberg bringen.
Für Eigentümer und Nutzer von Flächen entlang des geplanten Trassenkorridors ist das Projekt ein heißes Thema. Sie befürchten negative Auswirkungen durch Trassenbau und Hitzeentwicklung der Erdkabel. Landwirte fürchten negative Folgen für Böden und Erträge, Grundstückseigentümer sorgen sich um die Bodenbeschaffenheit ihrer Grundstücke.
Die Verunsicherung ist verständlich, vergleichbare Projekte dieser Größenordnung gibt es in Deutschland nicht.
Neuland für Forscher und Projektmanager
Die Verantwortlichen betreten mit dem Leitungsvorhaben Neuland, weil die Stromautobahn nicht nur unmittelbar die Interessen von Landwirten und Grundeigentümern sowie Verkehrs- und Wegebau berührt, sie ist durch die unterschiedlichen Bodenverhältnisse auch hochkomplex. „Solche Kabel mit solcher Spannungsebene und -leistung werden in Böden, wie wir sie in Süddeutschland haben, erstmals verlegt werden. Es gibt Erfahrungen aus Norddeutschland, aber die Bodenverhältnisse der grundwassernahen Standorte sind anders als die der grundwasserfernen Böden im Süden. Bislang gibt es für solche Böden, die im Sommer austrocken, nur theoretische Berechnungsmodelle,“ sagt Karl Wieland, zuständiger Agraringenieur im Teilprojekt Genehmigung beim Netzbetreiber TransnetBW.
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Ein Bagger hebt den Graben auf dem SuedLink-Versuchsfeld aus.
© Quelle: SuedLink
Netzbetreiber kooperiert mit Universität Hohenheim
Wie sich die unterirdisch verlegten Hochspannungs-Gleichstrom-Kabel langfristig auf land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen auswirken, lässt sich daher weder durch die bisherigen Erfahrungen der Projektbeteiligten noch durch bisherige wissenschaftliche Studien beantworten. Und der Bedarf an belastbaren Ergebnissen, die auch für künftige Porjekte dieser Größenordnung benötigt werden, wächst.
In einer Kooperation des Netzbetreibers TransnetBW mit der Universität Hohenheim wird deshalb zurzeit der tatsächliche Einfluss der Stromkabel erforscht. Auf vier Versuchsfeldern in Baden-Württemberg und Bayern führen Wissenschaftler der Hochschule Felduntersuchungen durch. Die Untersuchungsfläche je Standort entspricht etwa der Größe eines Fußballfeldes. „Für die Versuchsfelder haben wir repräsentative Bodentypen wie beispielsweise Keuper-Tongesteine, Kalksteinbraunlehm aus Muschelkalk oder Parabraunerde aus Löss ausgewählt“, erklärt Alexander Schade, Doktorand an der Universität Hohenheim.
Energiewendeprojekt SuedLink – geplante Stromtrassen im Praxistest
Bis 2030 sollen hierzulande 15 Millionen E-Autos fahren. Der Strom dazu soll von Nord nach Süd fließen. Dafür wird die Umweltreaktion auf die Trassen getestet.
© Quelle: Mhoch4
Wissenschaftler simulieren Erdkabel-Wärmeentwicklung
In jedem Versuchsfeld befinden sich drei bis zu 1,50 Meter tiefe Kabelgräben. „Wir können hier keine Hochspannungskabel verlegen. Die Stahlrohre, die wir elektrisch beheizen, tragen aber die gleiche Wärmemenge in den Boden ein wie später die Kabel im Volllastbetrieb“, sagt Karl Wieland. In zwei der Gräben simulieren die Wissenschaftler die Wärmeabgabe in den Untergrund; im dritten Graben erfassen sie die Situation ohne Wärmezufuhr.
Im späteren Betrieb werden direkt am Kabel Temperaturen von durchschnittlich 40 Grad erreicht. Entscheidend sei allerdings nicht die Temperatur am Kabelmantel, sondern die Wärmemenge, die in den Boden eingetragen werde, so Schade. „Uns interessiert in erster Linie, wie stark sich die Bodentemperatur im landwirtschaftlich genutzten Bereich erhöht und das Wachstum der Pflanzen beeinflusst.“
Dafür werden die Felder in den kommenden vier Jahren weiterhin landwirtschaftlich bewirtschaftet und in der üblichen Fruchtfolge bearbeitet. „Die Auswertung ist über mehrere Jahre hinweg angelegt, um verschiedene Wetterphasen, wie beispielsweise lange Dürrephasen, auswerten zu können. In einem sehr trockenen Jahr liegt die Vermutung nahe, dass Pflanzen in den beheizten Gräben eher in Trockenstress kommen als in den Bereichen, in denen keine Rohre verlegt wurden. Wir untersuchen also auch Vergleichsfelder ohne Baumaßnahmen“, erklärt Biogeophysiker Schade.
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Ein Sensor misst die Temperaturentwicklung an der Stromtrasse.
© Quelle: SuedLink
Großes Interesse an Feldversuch
Vom aufwendigen Feldversuch versprechen sich die Kooperationspartner konkrete Erkenntnisse zur Weiterentwicklung bodenschonender Bauweisen. Das Interesse auf landwirtschaftlicher Seite sei sehr groß, sagt Karl Wieland. Die bisherigen Simulationen legten zwar nahe, dass es keine gravierenden Auswirkungen gebe, so der Agraringenieur. „Um Glaubwürdigkeit herzustellen, müssen wir jetzt sehen, ob die Praxis etwas anderes bringt.“
Die Forscher leisten damit wertvolle Forschungsarbeit weit über SuedLink hinaus: Die statistisch abgesicherten Messwerte lassen sich künftig auf andere Regionen und Szenarien übertragen und geben Aufschluss über den Umgang mit weiteren Erdkabelvorhaben und der Bodenerwärmung durch Klimaveränderungen.
Für Wissenschaftler wie Alexander Schade ist das Projekt aus einem weiteren Grund spannend. „Normalerweise graben wir kleine Profilgruben und schauen uns die Bodenschichtung an. Hier können wir die Bodenschichtung über 60 Meter erkennen. Es macht Spaß, den Boden auf so einer Breite aufgeschlossen zu sehen.“
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