Toyotas erster Stromer bZ4X ist ein braver Familien-SUV mit wilder Seite
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Der Erste seiner Art: Toyotas vollelektrisches Crossover-SUV bZ4X.
© Quelle: Toyota
Copenhill steht für Nachhaltigkeit, Originalität und Erfindergeist. Die Müllverbrennungsanlage auf der Kopenhagener Insel Amager am Øresund macht aus nicht recycelbaren Abfällen saubere Energie, versorgt so 30.000 Haushalte mit Strom und 72.000 Haushalte mit Heizung. Aus dem Schornstein entweicht harmloser Wasserdampf – und auf dem Dach der Anlage laden künstliche Piste und Schlepplift zum ganzjährigen Skivergnügen. Für Toyota hätte es also kaum eine bessere Kulisse geben können, um ihr erstes ausschließlich elektrisch betriebenes Fahrzeug zu präsentieren.
Eine ambitionierte Umgebung, sind die Hybridpioniere aus Japan doch die letzten unter den großen Automarken, die einen Stromer vorstellen. Umso wichtiger nahm man das Ereignis und entsandte eigens Chefingenieur Daisuke Ido nach Dänemark, den bZ4X vorzustellen. Die Bezeichnung, die anmutet wie der Vorname eines Elon-Musk-Sohnes, erläutert Toyota den anwesenden Journalisten geduldig. bZ, das stehe für „beyond Zero“, jenseits von null – also für null Emissionen und zusätzlichen nachhaltigen Nutzwert. Die 4 bezeichne die mittlere Größe des Fahrzeugs, das X schließlich den Fahrzeugtyp, das Crossover-SUV. bZ, das nicht englisch „bi-sie“, sondern kernig deutsch BZ ausgesprochen werden soll, ist künftig der Submarkenname für batteriebetriebene Autos bei Toyota. Bis 2025 plane man insgesamt 15 bZ-Modelle.
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Aufgeräumte Armaturen, wuchtige Mittelkonsole: der Toyota bZ4X.
© Quelle: Toyota
Die 25 Jahre Erfahrung mit Hybridantrieben verkaufen die Japaner dabei als Wissensvorsprung. Allerdings verwundert später beim Fahren, dass der logische Schluss, wer als Letzter liefert, auch den aktuellen Technikstand abbildet, nicht immer stimmen muss. Denn der bZ4X ist noch nicht in der Lage, seine Batterie im Hinblick auf ein bald anstehendes Ladeereignis zu optimieren, indem er sie auf die optimale Ladetemperatur vorwärmt. Das werde aber nachgebessert, versicherte Vincent Dewaersegger, Senior Manager bei Toyota Motor Europe.
Wuchtige Plastikwulste
Von außen wirkt der bZ4X gewohnt toyotakantig, allerdings signalisieren die mächtigen Plastikwulst-Kotflügel ein wenig, es handle sich um einen Erlkönig, dem man die Tarnung noch nicht abgenommen hat. Aber das kreuzbrave Familienfahrzeug sollte später noch beweisen, dass der Schutz durchaus seinen Sinn hat. Im Verkehr durch Dänemarks verstopfte Hauptstadt, über Land und auf der Autobahn sorgen die 71,4 kWh-Batterie samt je einem 80 kW/109 PS-Motor an beiden Achsen für ebenso kultiviertes wie gutmütiges Fahren beziehungsweise Dahingleiten.
Kletter- und Krabbelfähigkeiten: der bZ4X in schwerem Gelände auf der Teststrecke.
© Quelle: Killy
Dahingleiten? Ja, denn auch bei der Rekuperation ist der Toyota nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Der energiesparende Motorbremseffekt, gern auch als One-Pedal-Drive, also das Fahren mit einem Pedal, bezeichnet, lässt sich nicht abstufen. Es gibt nur An oder Aus – der Wagen rollt auch mit Motorbremse langsam weiter, ohne zum Stillstand zu kommen. Hier sollte, gerade mit Blick auf den Stadtverkehr, nachgebessert werden. Dass die wuchtige Mittelkonsole eher an ein Hochregal erinnert und es dafür kein Handschuhfach gibt, ist sicher Geschmackssache. Ebenso die üppige Plastikpräsenz im Innenraum, die die Wertigkeit des 60.000 Euro teuren Spitzenmodells etwas mindert, oder die Tatsache, dass es keine Frump gibt – also keine Frontklappe oder wenigstens einen Stauraum vorn für die Kabel, denn Toyota verbaut den E-Antrieb vorn und nicht hinten.
Doch das sind Details, die – bis auf die mangelnde Rekuperation – im Fahrbetrieb kaum auffallen. Da lässt sich der bZ4X auch gern mal flott durch die Kurven treiben. Schaltet man das ESP aus, schwingt sogar mitunter das Heck leicht tänzelnd in die Kurve. Das ist aber schon der Gipfel der Kessheit, ansonsten besticht der bZ4X durch unauffälliges und gutmütiges Fahrverhalten. Bemerkenswert präzise sind übrigens die Verbrauchsangaben von 18 bis 15,9 kWh. Wir lagen während unserer Fahrten meist genau in der Mitte. Die Reichweite auf den wuchtigen 20-Zoll-Reifen beträgt recht realistische 411 km.
Wolf im Schafspelz
Doch obwohl der brave Familien-SUV es auch in der Spitzenmotorisierung nur auf 160 km/h bringt, ist er doch ein Wolf im Schafspelz. Denn die Ingenieure haben ihm erstaunliche Geländequalitäten mitgegeben. Bis 50 Zentimeter Wattiefe schafft es der bZ4X trockenen Fußes durchs Wasserbecken – wir haben es ausprobiert. Der X-Mode genannte Allradantrieb lässt sich für Tiefschnee und Matsch ebenso einstellen – deshalb also die Schutzschweller aus Plastik – wie für automatisches Erklimmen steilster Hügel und Abfahrten in tiefste Schluchten unter zehn Stundenkilometern. Im Selbstversuch war die Neigung so stark, dass der Untergrund durch die Frontscheibe nicht zu sehen war. Das Goodie werden wohl die wenigsten Käufer und Käuferinnen nutzen, aber die Offroadperformance sucht in dieser Fahrzeugkategorie wirklich ihresgleichen.
Der bZ4X beim automatischen Erklimmen einer Steigung auf dem Testparcours.
© Quelle: Killy
Mit dem Verkaufsstart des bZ4X im Juni startet Toyota übrigens auch eine neue Vertriebsstruktur. Leasingangebote oder Abo-Angebote, wie es zeitgemäß heißt, erfolgen nur noch über Toyota-Tochter Kinto. Und hinter dem allem steht ein ganzheitliches Konzept namens Kanzen, was japanisch-selbstbewusst Vollkommenheit oder Vollständigkeit bedeutet und auch mit Rundum-sorglos-Paket aus einer Hand übersetzt werden kann. Bis allerdings der bZ4X zum nachhaltigen Rundum-sorglos-Auto wird, sollte auch an der Ladegeschwindigkeit von nur 6,6 kW Wechselstrom etwas getan werden.
Toyota bZ4X AWD
Motor: Elektro
Leistung: 160 kW/218 PS
0–100 km/h: 6,9 s
Antrieb: Allradantrieb
Drehmoment: 336 Nm
Spitze: 0–100 km/h: 160 km/h
Reichweite (kombiniert): 411 km (WLTP)
Stromverbrauch: 18–15,9 kWh/100 km (WLTP)
CO₂-Emission: 0 g/km
Batteriekapazität: 71,4 kWh
Länge/Breite/Höhe: 4690/1860/1650 mm
Ladeleistung: 6,6 kW AC und bis 150 kW DC
Kofferraum: 441 l
Leergewicht: 1985–2065 kg
Preis: ab 59.990 Euro
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