Fords Speedvan

Im Elektro-Transit mit 2000 PS beim britischen Festival of Speed

In zwei Sekunden von null auf 100 km/h: Dieser Rauch kommt nicht aus Auspuffrohren, denn der Ford Speedvan fährt rein elektrisch.

In zwei Sekunden von null auf 100 km/h: Dieser Rauch kommt nicht aus Auspuffrohren, denn der Ford Speedvan fährt rein elektrisch.

„Die wollen mich doch auf den Arm nehmen!“ Als kürzlich sein Telefon klingelte und ihm Ford einen neuen Job antrug, konnte es Romain Dumas kaum glauben. Nicht, dass ihn eine Buchung für den Hillclimb beim Festival of Speed in Goodwood wirklich überraschen würde. Schließlich hält der Le-Mans-Sieger dort den Streckenrekord, seitdem er die 1,9 Kilometer mit der scharfen Rechts- und der langen Linkskurve vor dem Herrenhaus des Earls of March mit dem VW ID.R binnen 39,9 Sekunden bewältigt hat. Doch das Auto, das er diesmal fahren sollte, kam ihm wie ein schlechter Scherz vor. Denn ein Ford Transit ist vielleicht etwas für Paketboten, für Schulkinder oder für Camper, aber doch ganz sicher nichts für einen Rennfahrer.

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Alle Jahre wieder baut Ford einen Super-Van

Der Anruf war kein Scherz. Und Dumas hat die Rechnung ohne Mark Rushbrook gemacht. Der leitet die Motorsportaktivitäten für Ford Performance und hat sich einer skurrilen Geschichte erinnert: Seit 1971 baut Ford alle paar Jahre einen Speedvan und pflanzt dafür einen Megamotor in den nüchternen Kastenwagen.

Damals war es der V6 aus dem Ford GT40, der gerade die 24 Stunden von Le Mans gewonnen hatte, dann gab es zwei Transit mit über 590 und 650 PS starken Formel-1-Motoren und jetzt also hat Rushbrook es mal wieder getan – allerdings ganz im Geist der neuen Zeit: Der Speedvan Nummer vier ist der erste, der voll elektrisch fährt.

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Keine vier Wochen nach dem vermeintlichen Scherzanruf sitzt Dumas deshalb festgeschnallt in einer Kreuzung aus Transit und Transrapid und realisiert so langsam, dass es den Kölnern bitterer Ernst ist mit ihrem Eiltransporter. Denn sie haben den Lieferwagen nicht nur durch den Windkanal geschoben, ihm ein Flachdach gezeichnet und ihn mit Schwellern und Flügeln bestückt wie einen Formel-Rennwagen. Sie haben auch das Cockpit ausgeräumt bis auf den großen Bildschirm rechts vom Lenkrad, über den die Performance-Daten flimmern.

Kurz nach dem Start: Gespeist wird Dumas’ Renn-Van aus einer flüssigkeitsgekühlten Batterie mit rund 50 kWh.

Kurz nach dem Start: Gespeist wird Dumas’ Renn-Van aus einer flüssigkeitsgekühlten Batterie mit rund 50 kWh.

Und vor allem haben sie vier E‑Motoren montiert, die zusammen auf rund 2000 PS kommen und mit 1800 Newtonmetern (Nm) an den Slicks reißen. „Das ist ganz sicher das stärkste Auto meiner Karriere“, sagt Dumas und will von Scherzen nichts mehr wissen. Stattdessen wird der PS-Profi mit jeder Minute ernster, kehrt in sich und bereitet sich vor auf den nächsten Start. Schließlich wird es so langsam Zeit, das riesige Rennzäpfchen aus der Boxengasse zu fahren und sich zum Hillclimb aufzustellen.

„So viel Platz hatte ich noch nie in einem Rennwagen“

Die Vorbereitungen dafür sind diesmal ein bisschen einfacher: Wo er beim letzten Job ins enge Cockpit gestopft wurde, steigt er jetzt aufrecht ein und sitzt bequemer als in der Businessclass der Lufthansa. Es bleibt zwar bei der Kletterpartie durch den Überrollkäfig und ein Schalensitz bleibt ein Schraubstock mit Stoffbezug, erst recht, wenn einem die Boxencrew beim Anschnallen noch die letzte Luft aus der Lunge presst. Aber die drangvolle Enge ist passé, Dumas kann die Beine ausstrecken und fast stehen in der Kabine, und die Distanz zum Beifahrer ist größer, als es Pandemiepessimisten vorschlagen. „So viel Platz hatte ich noch nie in einem Rennwagen“, schwärmt der Franzose.

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So ungewöhnlich der Supervan auch sein mag, ist eines allerdings wie immer in Dumas’ Dienstwagen – der Speed. Denn wenn er den rechten Fuß aufs Bodenblech stemmt und den linken von der Bremse schnappen lässt, wird der Transit zum Torpedo und schießt in der schmalen Gasse zwischen den Strohballen den Hügel hinauf, als gäbe es kein Morgen mehr. Die Reifen quietschen, dicker weißer Qualm quillt aus den Radhäusern, schwarze Streifen auf dem Asphalt zeugen vom Kampf um Traktion, die Motoren surren wie Sirenen und das Bild vor den Scheiben verwischt, als hätte der Vorführer im Kopfkino auf schnellen Vorlauf geschaltet. Von null auf 100 in weniger als zwei Sekunden – das muss das Gehirn erst einmal verarbeiten.

Vier E‑Motoren mit zusammen 2000 PS und 1800 Nm reißen an den profillosen Rennreifen.

Vier E‑Motoren mit zusammen 2000 PS und 1800 Nm reißen an den profillosen Rennreifen.

Gespeist wird Dumas’ Rennwagen dabei aus einer flüssigkeitsgekühlten Batterie mit rund 50 Kilowattstunden (kWh). Während der gerade vorgestellte E‑Transit mit seinen 68 kWh bis zu 317 Kilometer weit kommt, muss sich Dumas etwas einschränken. Viel mehr als die paar Hillclimbs am Wochenende sind mit einer Akkuladung nicht drin. Aber Erstens hat der Earl of March mittlerweile Ladesäulen auf seinen Latifundien aufgestellt. Und Zweitens hält sich die Langstreckenqualität dieses Transits doch in engen Grenzen, muss der PS-Profi einräumen und freut sich, dass ihn damit niemand für ein 24-Stunden-Rennen gebucht hat.

Aber selbst, wenn Dumans froh ist, nach ein paar Minuten wieder aus der Kabine zu klettern, der aerodynamische Einzug viel Platz hinter den Sitzen frisst und die Batterie natürlich auch einen gewissen Bauraum beansprucht, bleibt der Transit ein Praktiker und würde schon genügend Stauraum für ein paar Päckchen bieten. Schneller jedenfalls ließe sich die Auslieferung lang ersehnter Versandgüter kaum gestalten – und sauberer und spektakulärer wohl auch nicht.

Wenn demnächst also die Post bei Romains Dumas am Telefon ist, UPS, DHL oder Amazon-Chef Jeff Bezos, wird es der schnellste Paketbote der Welt sicher nicht mehr für einen Scherz halten.

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RND/SP-X

 

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