Kein toter Winkel mehr – Wie digitale Lkw-Spiegel die Sicht verbessern
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Gefahr erkannt, Gefahr gebannt: Digitale Systeme wie etwa Optiview von MAN sollen helfen, dass die Zahl der Abbiegeunfälle verringert wird.
© Quelle: Matthias Balk/dpa/dpa-tmn
München/Stuttgart. Wenn Marco Schieber seinen 40-Tonner durch den Stadtverkehr bugsiert, dann schwingt immer auch ein wenig Angst mit. Nein, mit den riesigen Abmessungen kommt der Trucker locker zurecht, schließlich hat er sich daran in den vielen Jahren „auf dem Bock“ längst gewöhnt.
Doch was ihm Sorge macht, das ist der tote Winkel, der seinem Namen beim Laster völlig zu recht trägt: „So hoch, wie wir in der Kabine sitzen und so kurz, wie die Überhänge der Karosserie sind, können wir tatsächlich weite Bereiche des direkten Umfelds nicht einsehen“, sagt er bei einem Fahrertraining für den Hersteller MAN. Er steigt aus und ist von der Kabine aus nicht mehr zu sehen, als er um seinen Truck herumgeht. „Und nicht nur Fußgänger werden für uns unsichtbar, sondern auch Radler und bisweilen sogar ganze Autos sind dann einfach verschwunden“, sagt er.
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Blinde Bereiche: Der gelb markierte Bereich wird mit traditionellen Seitenspiegeln nicht vom Führerhaus aus wahrgenommen und als toter Winkel bezeichnet.
© Quelle: Friso Gentsch/dpa/dpa-tmn
Trucker und Umfeld darauf aufmerksam machen
Die Berufsgenossenschaft Verkehr mahnt: „Bei Unfällen mit rechts abbiegenden Lkw, Abfallsammelfahrzeugen, Omnibussen oder Transportern werden zu Fuß gehende oder Rad fahrende Personen nicht selten schwer verletzt oder gar getötet.“ Seit Jahren versuchen deshalb unterschiedliche Interessenvertreter, die anderen Verkehrsteilnehmenden zu sensibilisieren: In Frankreich etwa sind mittlerweile große Warnaufkleber an Lkw vorgeschrieben. Hans-Georg Marmit von der Sachverständigen-Organisation KÜS weist vor allem die rechte Flanke der Trucks als Gefahrenzone aus: „Wer etwa an einer Ampel oder einer Kreuzung zu nah neben einem abbiegenden Laster steht, ist für den Fahrer unsichtbar und in akuter Lebensgefahr.“
„Auch bei uns steht dieses Thema ganz oben auf der Tagesordnung“, sagt Marcus Oberlies vom SVG Fahrschulzentrum Südwest in Frankfurt am Main. Noch vor der ersten Fahrt werden die Truckerinnen und Trucker deshalb nicht nur für die richtige Einstellung der Spiegel sensibilisiert, sagt der Fahrlehrer: „Sondern wir demonstrieren noch im Stand mit unterschiedlichen Experimenten, wie eine ganze Schulklasse neben einem Truck plötzlich unsichtbar wird.“
Neue Regeln und intelligente Technik
Auch die kürzliche Änderung der Straßenverkehrsordnung soll mehr Sicherheit bringen. So dürfen laut ADAC alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen – wie eben etwa Lkw und Busse – innerorts nur noch mit Schrittgeschwindigkeit rechts abbiegen. Das gilt für Straßen, wo mit Radfahrern oder Fußgängerinnen gerechnet werden muss. Einen Sicherheitsabstand beim Überholen von mindestens 1,5 Metern innerorts und 2 Metern außerorts zu Radlern, Fußgängern und E-Scootern müssen dagegen alle Kfz einhalten.
Vernunft, Regeln und Umsicht sind zwar schön und gut. Doch weil darauf allein kein Verlass ist, setzen immer mehr Hersteller auf technische Hilfe, um Leben in den Toten Winkel zu bringen. Elektronische Außenspiegel sollen die Lösung sein.
Durchblick mit Monitoren statt Spiegeln
Premiere hatte das System als Mirror Cam mit der Einführung des aktuellen Mercedes Actros vor drei Jahren: Dort sind anstelle der Spiegel Kameras an Auslegern oberhalb der Kabine installiert worden. Deren Bilder werden auf Monitore an der A-Säule übertragen.
Das hat neben dem vergrößerten Sichtbereich noch weitere Vorteile: Auch beschlagene oder verschmutzte Scheiben können den Blick nicht mehr trüben. Und weil die Monitore kleiner sind als die Spiegel, wird zudem weniger direkte Sichtfläche verdeckt.
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Digitale Hilfe: Das Optiview-System von MAN soll dazu beitragen, die Bereiche um den Lkw herum besser als mit herkömmlichen Spiegeln zu erfassen.
© Quelle: MAN/dpa-tmn
Mehrere Kameras machen sonst verdeckte Personen sichtbar
Auch MAN will Truckerinnen und Truckern die Augen öffnen und hat für seine Laster vom Verteiler bis zum Fernverkehrs-Lkw deshalb zum Jahreswechsel den Optiview eingeführt: Das System nutzt insgesamt fünf Kameras, die in Auslegern am oberen Kabinenrand installiert sind. Je zwei pro Seite schauen mit unterschiedlichem Blickwinkel nach hinten, und eine schaut von der Beifahrerseite aus vor das Fahrzeug, zeigt MAN-Fahrlehrer Schieber bei der ersten Demonstration.
Digital zusammengefügt und geschwindigkeitsabhängig vergrößert, werden die Bilder auf zwei hochauflösenden Displays übertragen. Die sind so groß wie ein A4-Blatt und auf der Innenseite der A-Säulen montiert. Zusätzlich wird bei Geschwindigkeiten unter 10 km/h die Live-Aufnahme der Bug-Kamera auf dem Infodisplay im Cockpit angezeigt. Dabei erlauben die Kameras einen größeren Blickwinkel als Spiegel und machen so auch Verkehrsteilnehmende sichtbar, die ansonsten verdeckt wären.
RND/dpa