Einschulung: Wann ist mein Kind bereit für die Schule?
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Nicht nur bei der Körpergröße gibt es bei vielen Schulkindern Unterschiede: Manche Kinder sind emotional noch nicht stabil genug für die Schule.
© Quelle: Rainer Jensen/dpa/dpa-tmn
Hannover. Der Startschuss für die Schullaufbahn fällt im Sommer. Allerdings nicht im Jahr der Einschulung, sondern ein Jahr vorher. In vielen Bundesländern geht es dann los mit Schuleingangsuntersuchungen, in den Kindergärten steht die Vorschule an. Für Kinder ist das aufregend – und für Eltern nervenaufreibend. Denn je näher die Schule rückt, umso mehr Fragen stellen sich: Ist mein Kind reif für die Schule? Soll ich es vielleicht sogar früher einschulen? Oder lieber noch ein Jahr zurückstellen? Die eine Antwort auf diese Fragen gibt es nicht. Es hängt immer vom einzelnen Kind ab – und von seinem Umfeld.
Entwicklung: Unterschiede sind groß
Trotzdem gibt es in den meisten Ländern einen Stichtag, zwischen Ende Juni und Ende September: Wer bis zu diesem Datum ein bestimmtes Alter erreicht hat, meistens sechs Jahre plus oder minus ein paar Monate, fällt unter die Schulpflicht. In vielen Ländern wird dieser Tag seit Jahren immer mal wieder verschoben – einfach deshalb, weil er nie so richtig passt. Das ist auch kein Wunder, sagt Gabriele Trost-Brinkhues vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ): „Es gibt einfach keinen Stichtag, der allen Kindern gerecht wird.” Dafür seien die Entwicklungsunterschiede zu groß. „Es gibt Kinder im Einschulungsalter, die sind erst auf dem Entwicklungsniveau von Vierjährigen – und andere sind so weit wie Achtjährige.”
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Die meisten Bundesländer berücksichtigen das: Eltern können einen Antrag auf frühere Einschulung stellen. Oft gibt es die Möglichkeit, Kinder ein Jahr zurückstellen zu lassen – oder andere Regelungen für einen flexiblen Schuleinstieg.
Schuleingangsuntersuchung: Kein Numerus clausus
Doch woher sollen Eltern wissen, ob ihr Kind weit genug ist? Eine wichtige Rolle dabei spielt die Schuleingangsuntersuchung, auch wenn diese oft missverstanden wird. „Ganz wichtig ist, dass die Schuleingangsuntersuchung kein Test und keine Prüfung ist“, sagt Trost-Brinkhues. „Das wird ja manchmal als erster Numerus clausus bezeichnet, das ist aber ganz falsch.“
Zuständig ist der schulärztliche Dienst. „Die Schuleingangsuntersuchung ist erst einmal eine körperlich-medizinische Untersuchung. Da geht es zum Beispiel um Hör- und Sehfähigkeit, um chronische Krankheiten und vor allem um schulische Vorläuferfähigkeiten und einen eventuellen Förderbedarf“, sagt Trost-Brinkhues. Doch der Schularzt berät nur und entscheidet nicht. Und es geht vor allem um das große Ganze. „Gerade der Förderbedarf ist ja ein wichtiger Hinweis für die Schule in Bezug auf Klassengröße und Personalbedarf zum Beispiel.“
Selbstständigkeit: Kinder lösen sich ab
Die Entscheidung, wann ihr Kind in die Schule kommt, liegt also zuerst bei den Eltern. Die sollten dabei ruhig auf ihr Bauchgefühl hören, rät die Ärztin – und auf die Kinder. „Da geht es nicht zuerst darum, was Kinder alles schon können – wichtig ist vor allem, ob ich das Gefühl habe, dass mein Kind emotional stabil genug für die Schule ist.“
Nicht nur die Kinder, auch Eltern müssen reif für die Schule sein. Schließlich beginnt für sie ebenso ein neuer Lebensabschnitt – einer, in dem sie Verantwortung abgeben müssen: an die Schule und das Kind. „Es geht darum, die Ablösung der Kinder in die Selbstständigkeit zuzulassen“, erklärt Klaus Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Konkret heißt das: Nach Möglichkeit sollten Kinder den Schulweg zum Beispiel selbst bewältigen, selbst ihre Tasche packen und erst einmal selbst Hausaufgaben machen.
Einschulung: Soziale Reife spielt große Rolle
Ähnlich sieht es Klaus Seifried, der im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen für das Thema Schulpsychologie zuständig ist. Gruppenfähigkeit und soziale Reife spielen bei der Einschulung eine zentrale Rolle, sagt er: „Kann das Kind aushalten, mal nicht gelobt zu werden oder im Mittelpunkt zu stehen? Kann es Konflikte oder Misserfolge aushalten? Kann es im Unterricht still sitzen, sich konzentrieren und selbstständig arbeiten?“ Mit solchen Fragen hätten nicht nur Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern zu kämpfen, sondern auch Akademikernachwuchs. „Das sind die kleinen Prinzessinnen oder Prinzen, die gewohnt sind, im Mittelpunkt zu stehen.“
Und auch bei Fein- und Grobmotorik sieht Seifried Probleme: „Manche Kinder haben Schwierigkeiten, etwas mit der Schere auszuschneiden oder etwas zu malen, wenn sie in die Schule kommen“, sagt er. „Andere haben Probleme beim Gehen auf einer Linie oder einen Ball zu fangen.“ Solche Fähigkeiten seien aber eine wichtige Grundlage für vieles andere, sogar für die Sprachentwicklung.
Entscheidung: Einigkeit ist ideal
Und was ist, wenn das Kind da noch Probleme hat? Wenn das Bauchgefühl sagt: lieber noch ein Jahr zu warten? Dann kann eine Zurückstellung sinnvoll sein – genau wie sich bei sehr fitten Kindern ein Frühstart lohnen kann. „Ideal ist es, wenn Schularzt, Eltern und die Erzieherinnen in der Kita gemeinsam eine Entscheidung treffen“, sagt Seifried.
Vorauslernen müssen Kinder übrigens in keinem Fall – Rechnen oder Schreiben sind Sachen für die Schule. „Prinzipiell würde ich das nicht machen. Kinder, die alles schon wissen oder zumindest schon viel wissen, könnten sich dann in der Schule schnell langweilen”, meint Dorothea Jung von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (BKE). Manchmal kommt es zwar vor, dass Kinder extrem lernbegeistert und motiviert sind. Dann sei das Vorauslernen auch in Ordnung. „Ist der Drang allerdings nicht da, sollten die Eltern das Lernen nicht forcieren”, erklärt Jung.
Auch Klaus Seifried rät davon eher ab. Wenn überhaupt, dann sollten Eltern die Energie wissens- und tatendurstiger Kinder eher in andere Bahnen lenken, schlägt er vor. „Wenn die Kinder schon vor der Einschulung gut entwickelt und gefördert sind, empfehle ich, Sport zu machen oder ein Instrument zu lernen“, sagt der Experte für Schulpsychologie.