Corona am Amazonas: Große Bedrohung für Indigene Völker
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Zwei Männer einer indigenen Satere-Mawe-Familie tragen Mundschutzmasken, um eine Ansteckung mit dem Coronavirus zu vermeiden (Manaos, Brasilien).
© Quelle: Lucas Silva/dpa
São Paulo. Yovempa starb am 5. Juli an Covid-19. Das Leiden des Indigenen-Führers steht für die tödliche Gefahr, die das neuartige Coronavirus den Ureinwohnern am Amazonas bringt. Die Kreise ziehen sich immer enger, neben dem 83 Jahre alten Yovempa fielen in den letzten Wochen bereits weitere Indigene in der brasilianischen Regenwaldregion einer Corona-Infektion zum Opfer.
Die riesige, abgelegene Region im Nordwesten Brasiliens ist nach Angaben der Regierung Heimat der meisten abgeschotteten indigenen Völker der Welt. Ohne Kontakte zur "Zivilisation" sind sie schon anderen Krankheiten meist schutzlos ausgesetzt. Experten fürchten, dass fehlende Widerstandskraft und mangelnde Gesundheitsversorgung Corona umso schneller Tür und Tor öffnet, wenn das Virus sich im Urwald verbreitet. Und dass so ganze Volksgruppen im Überleben bedroht sind.
Auch bislang isoliert lebende Gemeinschaften bedroht
Yovempa, dessen Tod die Gesundheitsbehörden am 10. Juli bestätigten, gehörte keiner der abgeschiedenen Gruppen ab, lebte aber in einem Dorf ganz in der Nähe. Laut Vertretern des Marubo-Volkes hatte der Indigenen-Führer sein Haus seit Monaten nicht verlassen. “Wenn das Virus nicht sofort gestoppt wird, könnte es in andere Marubo-Gemeinden entlang des Itui-Flusses vordringen und sie zerstören”, warnt das Marubo-Bündnis. Damit könnte das Überleben sowohl von Gruppen auf dem Spiel stehen, die erst seit kurzem Kontakt zu ihrem Umfeld haben als auch von bislang isoliert lebenden Gemeinschaften.
Brasilien ist stark vom Coronavirus betroffen
Der staatliche Indigenen-Gesundheitsdienst Sesai hat bislang rund 220 Corona-Infektionen im Javari-Tal offiziell bestätigt. In dem Gebiet, das fast die Größe Ungarns erreicht, leben laut Regierung zahlreiche indigene Gemeinschaften, darunter zehn isoliert. Die Bevölkerung – ohne die isoliert lebenden Menschen – wird auf rund 6200 geschätzt. Etwa ein Drittel von ihnen gehören den Marubo an.
Brasilien zählt mit bislang mehr als zwei Millionen bekannten Infektionen und rund 80.000 Todesfällen zu den am stärksten von Corona betroffenen Ländern der Welt. Schon im April meldeten die Behörden des Staates Amazonas, in dem auch das Javari-Tal liegt, steigende Zahlen sowie überlastete Krankenhäuser und Massenbegräbnisse. Aus den Metropolen des Landes hat sich das Infektionsgeschehen mittlerweile immer stärker in die Provinzen verbreitet, und während sich die Lage in der Amazonas-Hauptstadt Manaus gebessert hat, ist die Pandemie im 1200 Kilometer entfernten Javari-Tal noch am Anfang.
Indigene beklagen: Hilferufe sind verhallt
Hilferufe von Ureinwohner-Führern in den vergangenen Wochen seien weitgehend verhallt, beklagt der Verband Indigener Völker im Javari-Tal. Die Regierung habe nicht wie zugesagt Kontrollposten aufgestellt, um den Zugang auf das Land einzuschränken. Auch Vertreter des Matsés-Volkes an der Grenze zu Peru erklären, dass ihre Bitte um Schutz nicht erfüllt worden sei. Die staatliche Indigenen-Stiftung hat indes Vorwürfe zurückgewiesen, in ihrer Reaktion auf die Corona-Pandemie versagt zu haben.
Die Ureinwohner versuchen derweil, aus eigener Kraft und mit Unterstützung der medizinischen Hilfsorganisation EDS eine Notversorgung für Corona-Kranke aufzubauen. Die nicht so schweren Fälle können so vor Ort behandelt werden. Gemeinsam mit medizinischem Personal von Sesai plant EDS 50 kleine Stationen mit Sauerstoffversorgung und Stromgeneratoren im Staat Amazonas. Das brasilianische Verteidigungsministerium kündigte den Einsatz eines Hubschraubers an, mit dem Sesai-Mitarbeiter Ausrüstung für sieben weitere Gesundheitsstationen ins Javari-Tal transportieren können.
In den kleinen Stationen könnten bis zu zehn Patienten mit Atemproblemen versorgt werden, sagt EDS-Präsident Ricardo Affonso Ferreira. Die weiteren Gesundheitsposten sollten nun so schnell wie möglich einsatzfähig gemacht werden. "Bei diesem Virus zählt jede Minute", sagt der Mediziner.
RND/AP