Die Jugend von heute – geprägt von Krisen
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Die Jugend ist am psychischen Limit: Die vielen Krisen belasten sie besonders stark.
© Quelle: Andrew Neel/Unsplash
Liebe Leserinnen und Leser,
„Ach, die Jugend. Ständig jammern sie wegen der Krisen. Als ich klein war, da war das Leben viel schlechter – und ich meckere nicht die ganze Zeit.“
„Die nerven doch alle mit ihren Klimadiskussionen und kleben sich lieber am Asphalt fest, statt arbeiten zu gehen. Die sind doch alle nur faul!“
„Die jungen Leute müssen mal weniger am Handy daddeln und lieber mal mehr Bücher lesen. Die verblöden sonst nur.“
Es sind Aussagen, die junge Menschen so oder so ähnlich heutzutage ständig zu hören bekommen. Von Verständnis für ihr von Krisen geprägtes Leben fehlt oft jede Spur – für die einsamen Jahren im Corona-Lockdown, in dem sie wertvolle Zeit ihrer Jugend verloren, bis zur Klimakrise, die ihre Zukunftsaussichten trübt. Natürlich sind auch die älteren Generationen von diesen Krisen betroffen. Doch die jüngst veröffentlichte Trendstudie „Jugend in Deutschland“ zeigt: Junge Menschen leiden unter den Krisen deutlich stärker als die älteren.
Mehr Verständnis für die jungen Generationen
Über die Situation der jungen Menschen sprach meine Kollegin Elena Everding mit dem Jugendforscher Benno Hafeneger – und konnte mit ihm die obigen Aussagen in Perspektive setzen. Denn auch wenn Krisen zum Leben dazugehören, ist die junge Generation „mit einer Häufung von Krisen konfrontiert wie keine Generation in der Nachkriegsgeschichte vor ihr“, sagt Hafeneger. Sie seien skeptisch und ängstlich, weil sie noch ihr ganzes Leben vor sich hätten und obendrein noch die Schule beenden und eine Karriere entwickeln müssten. Die Älteren haben dagegen schon einen Großteil ihres Lebens sich – und „sehen die Probleme nicht mehr mit dieser zukunftsbezogenen Aufgeregtheit“.
Auch der Mythos der faulen Jugend stimmt nicht – junge Menschen wollen nur einen besseren „Mix von Arbeit und Privatleben, also Freizeit und Lebensgenuss“, sagt Hafeneger. Und was die Mediennutzung angeht: Natürlich ist es wichtig, das Smartphone in Maßen zu nutzen und auch mal beiseitezulegen, wie mir der Hirnforscher Martin Korte im Interview (+) erklärte. Das sei gerade für Kinder und Jugendliche wichtig, denn eine unkontrollierte Handynutzung sei schädlich für ihre Gehirnentwicklung. Aber die Jugend macht längst nicht nur Unfug im Internet – ein Tiktok-Trend hat sogar bewirkt, dass etliche junge Menschen ihre Leidenschaft fürs Lesen (wieder-)entdeckt haben. Mehr darüber erfahren Sie in der Rubrik „Die schönen Seiten des Lebens“.
Wenn sich die jungen und alten Generationen anfeinden, gewinnt niemand. Am Ende des Tages haben doch alle Menschen, egal ob jung oder alt, das gleiche Ziel: gemeinsam Krisen bewältigen. Um es in Hafenegers Worten zu sagen: „Wichtig ist, dass sich dabei beide Generationen gegenseitig ernst nehmen, sich zuhören, irgendwie verstehen.“
Ihr
Ben Kendal
Von Kopf bis Fuß
Auch kurze und intensive Trainingseinheiten sind gut fürs Herz.
© Quelle: picture alliance / dpa Themendie
Medizinerinnen und Mediziner verschreiben herzkranken Menschen oft Medikamente, um das so wichtige Organ vor Überlastung zu schützen. Damit Menschen aber erst gar nicht Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln, wird ihnen dringend empfohlen, auf ihre Ernährung zu achten – und sich mehr zu bewegen. Früher galt vor allem Ausdauertraining als gutes Mittel, um das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall zu senken. Doch auch Krafttraining kann davor schützen, berichtet unser Autor Frederik Jötten.
Denn die Forschung ist in den vergangenen Jahren zu der relativ neuen Einsicht gekommen, dass beim Muskeltraining hormonähnliche Stoffe ausgeschüttet werden, die für die positiven Effekte von Muskeltraining auf die Gesundheit sorgen. Auch Substanzen aus den Knochen, sogenannte Osteokine, wirken sich positiv aus: Sie werden beim Muskeltraining zwischen Knochen und Muskeln ausgetauscht. „Damit diese freigesetzt werden, muss man die Knochen belasten und die Muskeln dehnen – deswegen empfehlen wir heute Krafttraining in Ergänzung zum Ausdauertraining“, sagt Martin Halle, Professor und Ärztlicher Direktor für Präventive Sportmedizin und Sport Kardiologie am Klinikum rechts der Isar.
Wichtig ist aber vor allem, dass wir uns überhaupt bewegen, um das Fett im Bauchinneren zu reduzieren – denn das ist besonders gefährlich für das Herz. „Sport wirkt wie ein Arzneimittel, hat aber viel weniger Nebenwirkungen“, betont Halle.
Bei aller Liebe
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Schon während der ersten Dates kann man auf Signale achten, die zeigen: Hier läuft es gerade richtig gut.
© Quelle: Helena Lopes/Unsplash
Viele Singles fühlen sich erschöpft vom jahrelangen Herumwischen auf Dating-Apps. Sie schreiben zwar mit vielen anderen Menschen – aber oft wird nichts daraus. Wenn Tinder, Bumble und Co. nur noch frustrieren, ist es vielleicht an der Zeit, die Partnersuche wieder auf „klassischem“ Weg anzugehen: im analogen Leben. Für diejenigen, die nicht wissen, wo sie überhaupt anfangen sollen, hat meine Kollegin Vivien Valentiner äußerst nützliche Tipps parat. Ihre Ideen sind zum Beispiel:
- Speeddating: Es hatte zwar lange Zeit ein eher verstaubtes Image, aber doch viele Vorteile. Denn Singles treffen in einem zeitlich begrenzten Rahmen relativ viele Menschen – und zwar im echten Leben. Sie lernen sich also von Angesicht zu Angesicht kennen und können so besser einschätzen, ob sie zueinander passen könnten, als über den Chat in einer App.
- Flirten bei Quizabenden: Spielerisch neue Menschen kennenlernen – das geht an Quizabenden besonders gut. Viele Bars, Pubs und Cafés bieten regelmäßig solche Events an. Und dort tummeln sich auch sicher einige Singles, mit denen man in einer lockeren Umgebung in Kontakt treten kann.
- Alte Hobbys pflegen oder neue ausprobieren: In Laufgruppen, im Yogastudio oder in der Kletterhalle treffen Singles auf viele neue Menschen. Der große Vorteil: Sie haben mit ihnen schon mal ein gemeinsames Interesse, über das sie sich unterhalten können. Ein guter Eisbrecher!
Familienbande
Vielen Eltern fällt es schwer, beim Thema Hausaufgaben den richtigen Ton zu treffen. Lieber streng sein und viel Druck ausüben – oder kulant bei Rechtschreibfehlern und unleserlicher Schrift sein? Und was ist, wenn die Kinder ihre Hausaufgaben unzuverlässig oder gar nicht erledigen und am Schreibtisch nur aus dem Fenster starren, während der Nachmittag verstreicht?
Zunächst hilft es Eltern, die Gründe dafür zu verstehen, dass die Kinder mit den Hausaufgaben nicht vorankommen, wie Jugendpsychiater und RND-Kolumnist Oliver Dierssen schreibt. Vielleicht benötigen die Kinder gerade Kraft für neue Entwicklungsaufgaben, die mit Schule mitunter nichts zu tun haben. Oder es liegt an Überforderung: „Wer am Nachmittag keine Kraft mehr für die Vokabeln hat, hat womöglich schon am Vormittag oft schon alles gegeben. Das verdient zunächst einmal Anerkennung“, sagt er. Wenn Eltern solche Perspektiven einnehmen, können sie ihren Kindern positiver gegenübertreten und für Entlastung sorgen.
Gut gesagt
Vater sein ist keine Dienstleistung, die man irgendwo abgibt und dafür ein Sternchen bekommt, keine Checkliste, bei der Superväter ihre Haken setzen können.
Tillmann Prüfer
Buchautor und Vater von vier Töchtern im RND-Interview
Die Pandemie und wir
Nach der Corona-Pandemie gilt es nach wie vor, Lehren aus dem Umgang mit dem Virus zu ziehen. Das war auch bei den Beratungen der G7-Gesundheitsministerinnen und -minister in Japan Thema. Hilfsorganisationen haben dabei an die Gruppe der reichen Industrieländer appelliert, mehr Geld in das Gesundheitssystem zu investieren. Denn aufgrund der Unterfinanzierung seien Millionen von Menschen unnötigerweise an den Folgen einer Infektion gestorben.
Zudem liegt der Fokus bei der Aufarbeitung der Pandemie auch auf den Folgen der Lockdowns und Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Denn wie unser Autor Jakob Milzner berichtet, ist es teilweise auch auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, dass immer weniger Kinder richtig lesen lernen – laut einer aktuellen Studie fehlt rund ein Viertel der deutschen Viertklässlerinnen und Viertklässler diese Grundkompetenz. „Schulschließungen haben Grundschüler stärker getroffen, weil sich diese noch in der Phase der Aneignung von Grundkompetenzen befinden“, sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger. Das habe zu großen Rückständen geführt.
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Mit 25,4 Prozent konnte im Erhebungszeitraum der Iglu-Studie rund ein Viertel der deutschen Viertklässlerinnen und Viertklässler nicht ausreichend lesen, um sich damit eigenständig neue Inhalte anzueignen.
© Quelle: Oliver Berg/dpa
Die ernsten Seiten des Lebens
Kennen Sie das ständige Bedürfnis beim Picknick auf dem Rasen, den Körper nach Zecken abtasten zu müssen? Die Angst vor einem Stich lässt sehr viele Menschen in den warmen Jahreszeiten nicht los – schließlich können die Parasiten die Krankheit FSME auslösen. Für diejenigen, die das Gefühl gut kennen, gibt es leider schlechte Nachrichten: Zecken sind nicht mehr nur im Frühling und Sommer aktiv, sondern auch im Herbst und Winter.
Meine Kollegin Laura Beigel hat mit der Parasitologin Ute Mackenstedt über die diesjährige Zeckensaison (+) gesprochen. Mackenstedt beobachtet, dass Zecken in diesem Jahr schon sehr früh aktiv waren. „Wir hatten immer eine gewisse Winteraktivität, aber dass die Zecken jetzt so aktiv sind, das hat uns als Expertinnen und Experten überrascht“, sagt Mackenstedt. Besorgniserregend ist auch, dass die ersten FSME-Fälle in diesem Jahr schon Anfang März aufgetreten sind. Früher galt März noch als „toter Monat“ – es war einfach zu kalt für die Tiere. „Das hat sich geändert – jetzt, wo wir sehr milde Winter mit Temperaturen von teils mehr als zehn Grad haben“, so die Forscherin.
Die schönen Seiten des Lebens
Die Jugend, sie liest noch! 2022 kauften 16- bis 19-Jährige laut einer Analyse des Konsumforschungsunternehmens GfK im Schnitt zwölf Bücher pro Person – und damit fast 60 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Die GfK führt das auch auf die Videoapp Tiktok zurück. Denn dort trendet schon seit längerer Zeit die Kategorie Booktok, in der sich etliche junge Leserinnen und Leser in teils emotionalen Videos Bücher empfehlen und mit ihren beeindruckenden Kollektionen angeben.
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Booktok macht Lesen wieder zu einem coolen Hobby für Teenager.
© Quelle: Lacie Slezak/Unsplash
Für die Bücherbranche, die seit Jahren angesichts des Verlusts an Kundinnen und Kunden unter Druck steht, ist Booktok ein Segen, wie mir die Marketingchefin des Verlags dtv, Rita Bollig, erklärte (+). „Es war lange Zeit wegen der enormen Medienkonkurrenz sehr schwierig, die jungen Zielgruppen zu erreichen. Dass es nun eine so große Plattform gibt, in der wir mit ihnen so toll interagieren können, ist ein Geschenk“, betont Bollig.
Und auch die Buchhandlung Hugendubel spürt den Einfluss von Booktok deutlich, stellt sogar extra Tische mit Titeln auf, die auf Tiktok angesagt sind. „Junge Menschen treffen sich wieder vermehrt in Buchhandlungen, um sich gegenseitig über Bücher auszutauschen, zu stöbern oder gezielt Titel zu kaufen, die sie auf Tiktok kennengelernt haben“, sagt Carolin Yildiz, Social-Media-Teamleiterin bei Hugendubel.
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