Corona-Patienten: Wie stark sind Beatmungsgeräte und Intensivbetten ausgelastet?
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Die Kliniken bereiten sich auf einen Anstieg von Corona-Patienten vor. Ob die Beatmungsgeräte ausreichen, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
© Quelle: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dp
Die Kapazitäten der Intensivstationen sind unter dem Zustrom von Covid-19-Patienten schneller erschöpft als im Normalbetrieb. Unter Hochdruck bereiten sich Kliniken darauf vor. Inzwischen gibt es ein neues Melderegister, das die Verfügbarkeit intensivmedizinischer Kapazitäten in fast 1000 Kliniken in Deutschland für alle sichtbar veröffentlicht.
Melderegister für Intensivstationen in Deutschland
Bei einem schweren Verlauf der durch das neuartige Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 sind bis zu fünf Prozent der Erkrankten auf ein Beatmungsgerät angewiesen. Das zeigen die Erfahrungen aus China und Italien. Bis zu drei Wochen, und damit vergleichsweise lange, liegen Patienten auf der Intensivstation, berichtete der Intensivmediziner und Lungenarzt Prof. Christian Karagiannidis im RND-Interview.
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Kliniken rüsten sich für Corona-Patienten mit Beatmungsgeräten
Bund und Länder haben sich in einem „Grobkonzept Infrastruktur Krankenhaus“ darauf verständigt, die Intensivkapazitäten der Krankenhäuser zu verdoppeln. Der Bund hat 10.000 Beatmungsgeräte bestellt, die jedoch nicht sofort zur Verfügung stehen, sondern deren Produktion sich über das ganze Jahr verteilen wird.
Auch die Krankenhäuser bauen ihre Beatmungskapazitäten für Covid-19-Patienten aus. Dafür werden zum Teil Beatmungsgeräte aus Operationssälen in Anspruch genommen. Denn in vielen Kliniken werden zurzeit nur Operationen durchgeführt, die unbedingt notwendig sind. Gelenkersatz-OPs werden beispielsweise in großer Zahl verschoben. Daher stehen viele Operationssäle leer und die Beatmungsgeräte können für die Behandlung von Corona-Patienten eingesetzt werden. Durch die Verschiebung von OPs werden außerdem in großem Ausmaß personelle Kapazitäten frei.
Neues Register gibt Auskunft: Wo sind Intensiv-Betten frei?
Wie aber die Epidemie-Lage und die Not an einzelnen Klinik-Standorten richtig einschätzen, wenn es keine belastbaren Zahlen dazu gibt, wie viele der bestätigten Covid-19-Fälle in Deutschland auf einer Intensivstation behandelt werden? Viele andere Länder erheben genau das, Deutschland steht damit noch in den Startlöchern.
Einen Anfang hat die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gemacht. Seit zwei Wochen baut sie in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut ein neues “Intensivregister” auf, über das freie Beatmungsplätze in allen Kliniken Deutschlands registriert und abgefragt werden.
Tagesaktuelle Meldung von Krankenhäusern zu Covid-Patienten
Die Möglichkeiten einer maschinellen Beatmung von Covid-19-Patienten hat sich in schwer betroffenen Ländern wie China und Italien als das Nadelöhr in der aktuellen Pandemiesituation gezeigt.
Prof. Christian Karagiannidis, Lungenarzt
Das Register setzt darauf, dass alle Krankenhäuser tagesaktuell ihre Daten in einem geschlossenen Bereich der Datenbank selbstständig einpflegen. Ein einfaches Ampelsystem, angezeigt in Tabellenfunktion, mache laut DIVI die Abfrage von Kapazitäten intuitiv und einfach. Unterschieden wird zwischen freien Kapazitäten von low-care (geringer Betreuungsbedarf), high-care (schwer Kranke) und ECMO (für schwerstkranke Beatmungspatienten).
„Die Möglichkeiten einer maschinellen Beatmung von Covid-19-Patienten hat sich in schwer betroffenen Ländern wie China und Italien als das Nadelöhr in der aktuellen Pandemiesituation gezeigt“, erklärt Karagiannidis, der auch Sprecher der DIVI-Sektion „Lunge – Respiratorisches Versagen“ ist. „So haben wir zur Vernetzung der Krankenhäuser und ihrer Intensivstationen jetzt ein System entwickelt, um deutschlandweit die Kapazitäten auf den Intensivstationen tagesaktuell darzustellen.“
Ende März über 1000 Corona-Patienten auf der Intensivstation
Dort werden auch tagesaktuell Betten verzeichnet, die von Covid-19-Patienten in Anspruch genommen werden. Danach werden gegenwärtig (Stand: 30. März 2020) 1218 Patienten auf Intensivstationen behandelt, 951 von ihnen werden beatmet. Vor einer Woche, am 24. März 2020, waren es laut Register noch 613 Patienten auf Intensivstationen.
Die Zahlen sind aber noch nicht unmittelbar vergleichbar, denn es haben sich in den letzten Tagen weitere Kliniken im Divi-Register eingetragen. In die Zahl von vor einer Woche sind Daten von 576 Kliniken eingeflossen, inzwischen melden 729 Kliniken ihre Kapazitäten an das Register.
Die tatsächliche Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen in Deutschland dürfte noch einmal höher sein als im DIVI-Portal vermerkt. Denn in Deutschland führen 1160 Krankenhäuser intensivmedizinische Betten, noch nicht alle machen beim Register mit. Die Gesamtzahl der Intensivbetten beträgt laut Statischem Bundesamt 28.031. Bezogen auf die Bevölkerung bedeutet das: Es stehen 33,7 Intensiv-Betten pro 100.000 Einwohner zur Verfügung.
Im Europa-Vergleich ist Deutschland gut aufgestellt
Im Vergleich zu anderen Ländern ist das weit überdurchschnittlich. So hielt Italien im Jahr 2010 mit 12,5 Betten pro 100.000 Einwohner weniger als die Hälfte der deutschen Intensivkapazität vor. In den Niederlanden war es 2018 mit 7,1 Betten pro 100.000 Einwohner weniger als ein Viertel. Die skandinavischen Länder haben ähnliche Kapazitäten wie die Niederlande.
Die Intensivbetten in Deutschland waren im Jahresmittel von 2017 zu 79 Prozent ausgelastet. Es standen damit im Schnitt 5.886 Betten leer. Die durchschnittliche Verweildauer eines Patienten auf der Intensivstation betrug 2017 aber nur 3,8 Tage. Daher konnten durchschnittlich 76 Patienten pro Bett und Jahr behandelt werden. Bei Covid-19 sieht die Lage aber anders aus, weil Patienten im Schnitt zwei bis drei Wochen intensivmedizinisch behandelt und Betten deshalb länger beansprucht werden.
Reicht das? Eine schwierige Corona-Prognose
Ob die Kapazitäten in den Kliniken ausreichen, kann derzeit niemand wirklich beantworten. “Es ist schwierig, vorherzusagen, wie sich das in den nächsten Tagen entwickelt”, sagt Karagiannidis. In Deutschland zeige eine Hochrechnung aus dem neuen Krankenhaus-Register, dass hierzulande derzeit rund ein Prozent der Patienten auf ein Beatmungsgerät angewiesen sei. Das sei immer noch sehr viel, so Karagiannidis, auch wenn die Quote in Italien bei fünf Prozent liege.
Alles hänge jetzt vom weiteren Verlauf ab, davon, wie viele Menschen sich in den nächsten Tagen infizieren. Und davon, wie hoch der Anteil derer ist, die schwer an Covid-19 erkranken und auf ein Beatmungsgerät angewiesen sind.