Die zweite Welle im Nacken: So gehen die Corona-Hotspots mit der Pandemie um
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/KM6YGYETPNF2JKPYFCMJGT4G5M.jpeg)
Brasilien verzeichnet nach den USA die meisten Corona-Toten.
© Quelle: Marcelo Camargo/Agencia Brazil/d
Wie ein Damoklesschwert hängt die zweite Corona-Welle über Deutschland: Wann kommt sie? Wie viele Infektionen und Todesfälle wird sie verursachen? Welche Konsequenzen wird sie für unseren Alltag haben? Fragen, über die Politik und Wissenschaft bisher nur spekulieren können.
Peking meldet 45 Neuinfektionen
Zwar sind die Infektionszahlen in Deutschland derzeit rückläufig, ein Impfstoff gegen den Sars-CoV-2-Erreger gibt es aber immer noch nicht – und damit ist die Angst vor der zweiten Welle nicht unbegründet.
Das zeigen auch aktuelle Berichte aus Chinas Hauptstadt Peking, wo auf einem Großmarkt 45 neue Corona-Infektionen festgestellt wurden. Der Markt im Stadtviertel Fengtai wurde sofort geschlossen. In den vergangenen Tagen hatte China der Weltgesundheitsorganisation (WHO) regelmäßig weniger als zehn Neuinfektionen gemeldet. Jetzt könnte sich das Ausbruchsgeschehen wieder verschärfen.
Iran erlebt bereits zweite Corona-Welle
Auch im Iran könnte eine zweite Corona-Welle drohen. Mehr als 2000 neue Infektionen meldet das Land der WHO seit Ende Mai täglich. Dabei hatte es anfangs noch so ausgesehen, als hätte der Iran das Schlimmste erst einmal überstanden.
“Die Menschen sind total leichtsinnig geworden, weil sie denken, das Coronavirus sei verschwunden”, wird der iranische Gesundheitsminister Saeed Namaki von der “Zeit” zitiert. Laut Namaki werde kein Abstand mehr gehalten und die Menschen trügen keine Atemschutzmasken mehr. “Wenn das so weitergeht, wird Corona gegen uns in letzter Minute ein Tor schießen.”
Trotz der steigenden Infektionszahlen will Präsident Hassan Ruhani weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen vornehmen. “Es bleibt uns nichts anderes übrig, als gleichzeitig mit dem Kampf gegen die Pandemie den Menschen auch die Aufnahme ihrer Arbeit zu ermöglichen”, sagte Ruhani.
Brasilien macht sich weiter locker
Brasiliens Regierung geht unter der Führung des rechtsnationalen Präsident, Jair Bolsonaro, mit dem Virus leichtfertig um. Die Konsequenz: Von einer zweiten Welle kann hier noch gar nicht die Rede sein. Die Brasilianer ringen immer noch mit dem ersten Ausbruch des Coronavirus. Inzwischen ist die Zahl der Corona-Toten auf mehr als 41.800 gestiegen. Das größte und bevölkerungsreichste Land in Lateinamerika liegt damit laut der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität weltweit auf Platz zwei der Länder mit den meisten Corona-Toten – nach den Vereinigten Staaten.
Auch Brasilien lockert trotz steigender Infektionen seine Corona-Beschränkungen: Geschäfte und Strände sind inzwischen wieder geöffnet. Vor Einkaufszentren in São Paulo bildeten sich lange Schlangen.
Schutzmaßnahmen gegen den Sars-CoV-2-Erreger waren Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro von Anfang an ein Dorn im Auge. Er tat die Viruskrankheit als “leichte Grippe” ab. Inzwischen ist das südamerikanische Land zu einem der derzeit ausgeprägtesten Corona-Hotspots mutiert. Besonders von der Pandemie betroffen sind die Einwohner der Favelas – also der Armenviertel –, denen zusätzlich eine soziale Krise droht.
Vor Kurzem hoben Aktivisten am Strand von Copacabana 100 symbolische Gräber aus, um gegen das Krisenmanagement der Regierung zu protestieren.
Südafrika ist neuer Corona-Hotspot
Erst spät von der Pandemie gezeichnet ist Südafrika. Die Zahl der bisherigen Infektionen ist nach Angaben der WHO (Stand: 12.6.) auf rund 58.500 gestiegen. Erst am Freitag meldete das Land mit rund 3360 Fällen den bisher stärksten Anstieg von Corona-Neuinfektionen an einem Tag.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/TFXFGVVLCJFOVBKC4O4WH7OLC4.jpeg)
Afrika hat laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nun mehr als 200.000 nachgewiesene Corona-Fälle verzeichnet.
© Quelle: Brian Inganga/AP/dpa
“Das Tempo der Corona-Ausbreitung in Afrika wird immer schneller”, warnte die WHO-Afrika-Chefin Matshidiso Moeti. Demnach hat es 98 Tage gedauert, bis 100.000 Menschen nachweislich infiziert waren – aber nur weitere 18 Tage bis zur 200.000-Marke.
Da die Gesundheitssysteme in vielen afrikanischen Staaten sehr schwach sind, ist die Sorge groß, wie die Länder mit einem Anstieg der Sars-CoV-2-Infektionen umgehen. Hinzukommt, dass Lockdownmaßnahmen die Volkswirtschaften zusätzlich belasten würden.
USA: Wahlkampf trotz Corona
In den USA, die nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität bisher die meisten Infektionsfälle gemeldet haben, wächst hingegen der Unmut gegen geltende Beschränkungen.
Angesichts anhaltender Coronavirus-Neuinfektionen hat die US-Gesundheitsbehörde CDC alle Bewohner der USA dazu aufgerufen, die Situation weiter ernst zu nehmen. Die Pandemie sei noch nicht vorbei, sagte der bei der CDC für Infektionskrankheiten zuständige Jay Butler am Freitag. Auch neue strikte Ausgangsbeschränkungen “könnten wieder nötig werden”. Das müsse auf lokaler Ebene je nach Infektionsgeschehen entschieden werden.
CDC-Direktor Robert Redfield rief alle US-Amerikaner dazu auf, sich weiter an Abstands- und Hygieneempfehlungen zu halten. “Wir machen echte Fortschritte, aber es bleibt noch viel Arbeit.”
Nachdem so gut wie alle Bundesstaaten als Reaktion auf die Pandemie Beschränkungen angeordnet hatten, gab es zuletzt fast überall Lockerungen. Die CDC verfolge den Anstieg der Neuinfektionen in zahlreichen Bundesstaaten genau und sei “sehr besorgt”, sagte Butler. “Wir verstehen, dass wir alle keine Lust mehr darauf haben, zu Hause zu bleiben, und das Leben zurückhaben wollen, das wir im Dezember hatten.” Die Rückkehr dazu müsse aber “so sicher wie möglich” geschehen.
US-Präsident Donald Trump will hingegen trotz Ansteckungsgefahr bei Massenveranstaltungen wieder einen Wahlkampfauftritt abhalten. Am kommenden Samstag will er bei einer Veranstaltung im Bundesstaat Oklahoma vor mehr als 200 Unterstützern sprechen. Maskenpflicht? Fehlanzeige. Die Leiterin des Harvard Global Health Institutes, Ashish Jha, zeichnet gegenüber CNN ein düsteres Bild: “Selbst wenn wir keine Zunahme der Fälle haben, selbst wenn wir die Kurve flach halten, ist es realistisch, dass wir irgendwann im September 200.000 Tote erreichen werden.”
Laura Beigel mit dpa