Affenpocken nun auch in Deutschland: Kann der Ausbruch zur Pandemie werden?
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Eine Frau arbeitet im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Das Institut hat auch erstmals in Deutschland bei einem Patienten das Affenpockenvirus zweifelsfrei nachgewiesen.
© Quelle: Martin Bühler/Bundeswehr/dpa
Das Tempo bei der Verbreitung der Affenpocken erinnert an die Anfänge von Corona. Die Situation sei „ungewöhnlich dynamisch“, schrieb am Freitagmorgen etwa der Infektiologe Leif Erik Sander. Auf Twitter berichtete der Experte der Berliner Charité von Verdachtsfällen in inzwischen zehn Ländern außerhalb Afrikas. Darunter sind Portugal, Spanien, Italien, Schweden, Belgien, Großbritannien, USA, Kanada.
Nur wenige Stunden später meldete dann auch Deutschland einen ersten bestätigten Fall: ein aus Brasilien stammender 26-Jähriger, der von Portugal über Spanien nach Deutschland gereist war, sich in München, Düsseldorf und Frankfurt am Main aufhielt. Dem Patienten gehe es momentan relativ gut, mit leichten Schluckstörungen und erhöhter Temperatur. Der behandelnde Arzt? Clemens Wendtner. Genau der Infektiologe, der vor über zwei Jahren auch schon die ersten Corona-Patienten in Deutschland behandelt hatte. Und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich bereits zu Wort gemeldet – und rief zu einer rigorosen Kontaktnachverfolgung von Betroffenen auf.
Auch die Corona-Pandemie begann zunächst mit einigen wenigen Infektionen, im chinesischen Wuhan. Wahrscheinlich ist der Erreger vom Tier auf den Menschen übergesprungen – wie genau und auf welchen Umwegen, ist bis heute unklar. Die Ansteckungen nahmen aber plötzlich rasant zu. Das Virus bahnte sich über Reisende seinen Weg in die Welt. Aus weit entfernten Einzelfällen in China wurden größere regionale Ausbrüche mit vielen schwer an Covid-19 Erkrankten. Aus der Epidemie wurde eine Pandemie, die bis heute anhält. Besteht so ein Risiko auch bei den Affenpocken?
Affenpocken-Infektionsketten erstmals in Europa
Es ist zumindest das erste Mal, dass in Europa Affenpocken-Infektionsketten ohne bekannte Verbindung zu West- oder Zentralafrika auftauchen. In der Tat sei davon auszugehen, dass das Affenpocken-Virus schon seit einer Weile unbemerkt im Umlauf war, sagt der Mediziner Norbert Brockmeyer. Es sei noch mit vermehrten Nachweisen zu rechnen. Auch Infektiologe Sander rechnet mit einer weiteren „deutlichen Zunahme“ der Fälle.
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Das von der UK Health Security Agency (UKHSA) zur Verfügung gestellte Bild zeigt Hautläsionen bei Patienten, bei denen Affenpocken nachgewiesen wurden.
© Quelle: UKHSA/dpa
Im Gegensatz zum Coronavirus sind die Affenpocken der Welt bereits länger bekannt – ein Vorteil. Die Ansteckungswege, die Krankheit, auch Therapien sind zumindest ansatzweise erforscht. Wenngleich es auch bei den Affenpocken noch viele Wissenslücken gibt. „Wir wissen zurzeit nur wenig über Affenpocken, da die Forschung hierzu unterfinanziert und unterrepräsentiert ist“, sagt Charlotte Hammer, die am britischen Downing College Cambridge zu neu auftretenden Infektionskrankheiten forscht. „Aktuell sind etwa 1500 Fälle bekannt, das heißt, unser Wissen basiert nur auf einigen wenigen Fällen.“
Affenpocken: Wie wird das Virus übertragen?
Die gute Nachricht, wenn es darum geht, ob sich die momentane Lage zu einer Pandemie entwickeln könnte: Bislang sieht es so aus, dass sich Affenpocken-Viren nicht so einfach von Mensch zu Mensch übertragen wie das Coronavirus. Größere Ausbrüche sind dadurch wenig wahrscheinlich. Bislang kommen Infektionen häufiger in Zentral- und Westafrika vor, wo Affenpocken durch direkten Kontakt mit Wildtieren, vermutlich vor allem Nagetieren, entstehen. Übertragungen von Mensch zu Mensch sind dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge zwar möglich, vor allem bei engem Kontakt. Aber das kommt selten vor – durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Schorf der Affenpocken-Infizierten, vermutlich auch im Rahmen von sexuellen Handlungen.
Ich würde dies bereits als eine Epidemie bezeichnen, es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass diese Epidemie lange dauern wird.
Fabian Leendertz
Epidemiologe
„Eine Übertragung durch Aerosole ist experimentell möglich, spielt aber bei der natürlichen Infektion eine höchstens untergeordnete Rolle“, sagt Prof. Gerd Sutter, Virologe und Infektionsmediziner an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Affenpocken-Übertragungen seien daher im Vergleich zu Influenza oder Covid-19 „relativ ineffizient“. Ausbrüche führten meist nur zu kurzen Infektionsketten, wenn Krankheiten diagnostiziert und Kontakte ermittelt würden. „Die Gefahr einer größeren Epidemie in Deutschland beziehungsweise Europa ist daher als gering einzuschätzen“, sagt Sutter.
„Ich würde dies bereits als eine Epidemie bezeichnen, es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass diese Epidemie lange dauern wird“, sagt auch der Epidemiologe Fabian Leendertz vom Helmholtz-Institut für One Health in Greifswald. Die Fälle seien über Kontaktverfolgung gut einzugrenzen, es gebe auch Medikamente und wirksame Impfstoffe, die gegebenenfalls eingesetzt werden können.
Kontaktnachverfolgung und Genomanalyse: auch bei Affenpocken wichtig
Was aber auch bedeutet, dass sich europäische und nationale Gesundheitsbehörden auf die Eindämmung von Affenpocken-Ausbrüchen vorbereiten müssen. Darauf pochen Experten und Expertinnen auf dem Gebiet. „Eine erhöhte Aufmerksamkeit ist natürlich angezeigt“, sagt Leendertz. Es brauche dringend gute epidemiologische Daten, um zu verstehen, ob und wie die Fälle zusammenhängen. Der Wissenschaftler hält auch genaue Untersuchungen der Genome der Affenpockenviren für sinnvoll. Mithilfe von Sequenzierungen könne man sehen, ob es Hinweise auf eine Veränderung des Erregers gibt. Auch Infektionsketten ließen sich erkennen, Hinweise zum Ursprung des Ausbruchs finden.
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Dringliche Appelle kommen auch aus dem afrikanischen Ausland. Eine detaillierte Untersuchung zum Ausbruch in Europa sei jetzt entscheidend, sagt etwa Shabir Mahdi, Professor für Impfwesen an der Universität von Witwatersrand in Johannesburg. Es müsse zudem herausgefunden werden, wer die ersten Patienten waren. Die Wissenschaft müsse verstehen, wie alles begann und warum die Verbreitung des Virus Fahrt aufnehme, sagt Mahdi. In Afrika habe es sehr kontrollierte und seltene Ausbrüche der Krankheit gegeben. „Wenn sich das jetzt ändert, müssen wir verstehen, warum.“
Affenpocken: Wie bemerke ich eine Infektion?
Das Affenpocken-Virus ruft meist nur recht milde Symptome hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. Die Inkubationszeit beträgt dem RKI zufolge zwischen sieben und 21 Tagen. Erste Symptome können Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen und geschwollene Lymphknoten sein. Einige Tage nach dem Auftreten von Fieber entwickeln sich meistens Hautveränderungen – häufig im Gesicht, die sich auf andere Körperteile ausbreiten können.
Dabei entstehen zunächst Flecken auf der Haut, die sich zu Knötchen und dann zu eitrigen Bläschen weiterentwickeln. Es können auch Geschwüre der Mund- und Rachenschleimhaut auftreten, Bindehautentzündungen und schmerzhafte Hautläsionen im Genitalbereich. Bei typischen Symptomen sollten insbesondere Reiserückkehrer aus Westafrika laut RKI einen Verdacht ärztlich abklären.
Mit Material von dpa
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