Gastronomie: Wie nachvollziehbar sind Infektionsketten mit der Registrierungspflicht wirklich?
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Nicht alle Gastronomen sind verpflichtet, Kontaktdaten ihrer Gäste zu erfassen.
© Quelle: imago images/Ralph Peters
Wer in Corona-Zeiten Essen gehen will, wird feststellen, dass ein Gaststättenbesuch aktuell mit einigen bürokratischen Hürden verbunden ist. Inzwischen hat die Mehrheit der Bundesländer Gastronomen verpflichtet, die Kontaktdaten ihrer Gäste zu dokumentieren. So sollen Infektionsketten bei einem möglichen Covid-19-Verdacht besser nachvollzogen werden können.
Welche Daten müssen Betreiber erfassen?
Eine bundesweit einheitliche Regelung, ob überhaupt und wenn welche Daten erfasst werden sollen, gibt es jedoch nicht:
- Baden-Württemberg: Vor- und Nachname, Telefonnummer oder Adresse jedes Gastes, plus Datum sowie die Uhrzeit zu Beginn und zum Ende des Besuchs
- Bayern: Vor- und Nachname, Telefonnummern und Zeitraum des Aufenthalts der Gäste – diese Datenerfassung ist aber keine Pflicht, sondern lediglich eine Empfehlung
- Berlin: In der “Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2” heißt es: “Empfohlen wird die Erstellung einer Anwesenheitsliste, in welcher die Gäste ihren vollständigen Namen, ihre Adresse und Kontaktdaten hinterlegen.”
- Brandenburg: Hier gibt es keine offizielle Registrierungspflicht für Gästedaten.
- Bremen: Für die Bewirtung in geschlossenen Räumen sind folgende Daten zu erfassen: Vor- und Nachname, Kontaktdaten – also Telefonnummer oder E-Mail-Adresse – jedes Gastes sowie der Zeitpunkt des Betretens und Verlassens des Ladens
- Hamburg: “Kontaktdaten” jedes Gastes unter Angabe des Datums
- Hessen: Vor- und Nachname, Anschrift und Telefonnummer jedes Gastes
- Mecklenburg-Vorpommern: Vor- und Nachname, vollständige Anschrift und Telefonnummer einer Person pro Gästegruppe sowie die Tischnummer und Uhrzeit des Besuchs
- Niedersachsen: Vor- und Nachname, die vollständige Anschrift und Telefonnummer jedes Gastes sowie den Zeitpunkt des Betretens und Verlassens des Ladens. In der “Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus” heißt es weiter: “Gehören Gäste demselben Hausstand an, so ist die Dokumentation der Daten eines Gastes ausreichend.” Zudem muss das Einverständnis der Gäste zu dieser Datenerhebung protokolliert werden.
- Nordrhein-Westfalen: Kontaktdaten der Gäste und Zeitpunkte des Aufenthaltes in der Innen- und Außengastronomie, plus Einverständniserklärung zur Datenerhebung
- Rheinland-Pfalz: Vor- und Nachname, Anschrift und Telefonnummer jedes Gastes
- Saarland: Vor- und Nachname, Wohnort, Erreichbarkeit je eines Vertreters der anwesenden Haushalte sowie deren Ankunftszeit
- Sachsen: Hier gibt es keine offizielle Registrierungspflicht für Gästedaten.
- Sachsen-Anhalt: Vor- und Familienname, vollständige Anschrift und Telefonnummer, Tischnummer und Uhrzeit
- Schleswig-Holstein: Erhebungsdatum, Vor- und Nachname, Anschrift, sowie – soweit vorhanden – Telefonnummer und E-Mail-Adresse. Kontaktdaten werden nicht erhoben, wenn Kunden die Speisen nur zur Mitnahme abholen.
- Thüringen: Hier gibt es keine offizielle Registrierungspflicht für Gästedaten.
Gastronomen sollten Kunden auf falsche Angaben ansprechen
Zudem zeigen viele Gäste kein Verständnis für die Datenerfassung. Sie reagieren genervt oder geben sogar falsche Namen an. “Dagobert Duck ist ein häufig anzutreffender Gast neuerdings”, sagt Julius Wagner mit einem Augenzwinkern. Der Hauptgeschäftsführer des hessischen Landesverbands des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) verweist auf eine kürzlich durchgeführte Studie mit 840 hessischen Gastronomen. 10 Prozent von ihnen hätten beobachtet, dass ihre Gäste falsche Angaben machen.
“Gastronomen haben aber nicht das Recht – und dürfen darum auf keinen Fall verpflichtet werden – die Daten zu verifizieren”, so Wagner. Da die Gastwirte aber eine Mitwirkungspflicht haben, sollten sie bei erkennbaren, falschen Angaben die Kunden sofort ansprechen und auf die Registrierungspflicht, sofern sie besteht, aufmerksam machen.
Gäste müssen Personalausweis nicht vorzeigen
Für den Fall, dass sich die Kunden weigern, ihre Kontaktdaten anzugeben, können Gastronomen jederzeit von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und den Zutritt verwehren. Oder sie lassen sich von den Gästen die Personalausweise zeigen. Dazu sind sie aber keinesfalls verpflichtet: “Gastwirte sind keine Hilfssheriffs”, sagt Wagner. Und auch die Gäste können sich entscheiden, ob sie ihre Ausweispapiere vorzeigen wollen oder nicht.
Falschangaben bisher keine Ordnungswidrigkeit
Konsequenzen müssen Kunden bei falschen Angaben bisher mehrheitlich nicht fürchten. “Die Angabe eines falschen Namens hätte nur die Konsequenz, dass Menschen bei einem Ausbruchsgeschehen nicht ermittelt werden können und damit die eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer gefährden und darüber hinaus zu einer möglichen Ausbreitung des Virus beitragen”, sagt Christian Kohl, Pressesprecher des Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren in Schleswig-Holstein.
“Wenn es denn herauskommen würde, dass die Angaben falsch sind – was höchst unwahrscheinlich ist –, kann es in der Tat als Ordnungswidrigkeit geahndet werden”, sagt Dr. Rudolf Ratzel, Rechtsanwalt und Vorsitzender des Ausschusses Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins. Die Höhe der Bußgelder orientiere sich dabei an den jeweiligen Bußgeldkatalogen der Bundesländer. Schleswig-Holstein und Hessen verzichten jedoch beispielsweise darauf, mögliche Falschangaben als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.
“Zugleich sollte aber auch die Listenführung überdacht werden”, empfiehlt Justina Lethen, Pressesprecherin des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. “Im Sinne des Datenschutzes sollte für jeden Gast beziehungsweise jeden Haushalt ein eigenes Formular vorgehalten werden, sodass die Gäste sich nicht untereinander in eine Gesamtliste eintragen müssen. Auch dies wird sicherlich dazu beitragen, dass Gäste verantwortungsvoller mit ihrem Restaurant- oder Gaststättenbesuch umgehen.”
RND