Halb China steht still: Städte abgeriegelt, Firmen schließen Filialen und Werke

Wo sich sonst zahlreiche Menschen tummeln, sind nur noch vereinzelt Leute unterwegs. In Peking hält die Furcht vor dem Coronavirus viele Menschen in der chinesischen Hauptstadt zu Hause.

Wo sich sonst zahlreiche Menschen tummeln, sind nur noch vereinzelt Leute unterwegs. In Peking hält die Furcht vor dem Coronavirus viele Menschen in der chinesischen Hauptstadt zu Hause.

London/Frankfurt/Tokio. Chinas Behörden ergreifen drastische Maßnahmen. In der Provinz Hubei rund um die Millionenmetropole Wuhan, die am stärksten vom Coronavirus betroffen ist, wurden zahlreiche Städte abgeschottet. Es fahren keine Busse, keine Bahnen. Der Flugbetrieb ist eingestellt. An den Ausfallstraßen errichtete die Polizei Straßenblockaden. Millionen Menschen stecken fest. Am besten sollen sie nicht vor die Tür gehen - und wenn, dann nur mit Mundschutz. Sonst droht Strafe. Die Straßen sind entvölkert, Märkte und Einkaufszentren wie leergefegt. In den Krankenhäusern gibt es einen Ansturm von Patienten mit Fieber und Atemwegserkrankungen. Die verzweifelte Frage: Was ist eine normale Erkältung oder die saisonale Grippe, was die neue Lungenkrankheit? Ärzte und Schwestern, vermummt in weißen Schutzanzügen, sind überfordert, müssen Kranke heimschicken, weil sie nicht genug Betten haben.

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Was wie ein Szenario aus einem Katastrophenfilm wirkt, ist für die Menschen in Hubei bittere Realität. „Das ist einmalig in der neueren Geschichte", sagt Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM). Im Epizentrum Wuhan bleibt die Lage angespannt: 100.000 Einwegschutzanzüge bräuchten die Krankenhäuser täglich, die Fa­briken können nur ein Drittel davon produzieren. Dem Transportministerium zufolge wurden Tausende Taxis abgeordnet, um Mediziner und Wissenschaftler zu ihrem Arbeitsort zu bringen – denn nur noch behördlich autorisierte Autos dürfen auf die Straße.

Um das Virus eindämmen zu können, haben die Behörden zum ersten Mal in der Geschichte des Landes die Ferienwoche zum Neujahrsfest um drei Tage verlängert. So möchte man verhindern, dass die Abermillionen Chinesen, die sich derzeit auf Familienbesuch in den Provinzen des Landes befinden, schnell wieder in die Metropolen an den Ostküsten des Landes zurückreisen – und den Erreger möglicherweise weiter durch das Land tragen. Die Lokalregierung in Peking hat erst einmal den Semesterbeginn für sämtliche Schulen und Universitäten auf unbestimmte Zeit verschoben. In Schanghais Schulen ist der Unterricht bis zum 17. Februar verboten, Tagesstätten für Kleinkinder müssen geschlossen bleiben.

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Zahlreichen Vorsichtsmaßnahmen gegen Ausbreitung des Coronavirus

Knapp einen Monat nach Bekanntwerden der ersten Krankheitsfälle trifft die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in China auch Unternehmen aus anderen Ländern immer stärker. Die Lufthansa und British Airways streichen ihre Flüge von und nach China. Andere Firmen schließen Fabriken und Filialen oder verzichten auf Dienstreisen in die betroffene Region. Nach ersten Einschätzungen könnte auch der Tourismus in Europa einen Dämpfer bekommen, wenn die zahlreichen Gäste aus Fernost für längere Zeit ausbleiben sollten.

FLUGREISEN: Die Lufthansa streicht ihre Flüge von und nach China. Europas größte Fluggesellschaft folgt damit ihrem Konkurrenten British Airways und anderen Fluggesellschaften, wie das Unternehmen am Mittwoch in Frankfurt mitteilte. Die Maßnahme umfasst auch die Töchter Swiss und Austrian und soll zunächst bis zum 9. Februar gelten. Hongkong werde wie geplant weiterhin angeflogen. Aus operativen Gründen sei die Buchungsannahme für China-Flüge bis Ende Februar gestoppt worden.

Am Mittwoch hatte es an Bord einer Lufthansa-Maschine einen Corona-Verdachtsfall gegeben. An dem in Nanjing gelandeten Flug LH780 aus Frankfurt hatte auch ein Mann teilgenommen, der von den chinesischen Behörden als Risikofall eingestuft wurde, bestätigte das Unternehmen. Der Chinese soll gehustet haben und zwei Wochen zuvor in der Stadt Wuhan gewesen sein, in der das neuartige Coronavirus zuerst bemerkt worden war. Ob er tatsächlich infiziert ist, blieb zunächst unklar.

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British Airways hatte bereits kurz zuvor die Direktflüge zwischen Großbritannien und dem chinesischen Festland eingestellt. Damit folge man verschärften Reisewarnungen des britischen Außenministeriums, hieß es von der Fluggesellschaft. „Die Sicherheit unserer Kunden und unserer Besatzung hat immer Priorität", hieß es weiter. Die Airline bietet normalerweise täglich Flüge von London-Heathrow nach Peking und Shanghai an. Finnair kündigte zudem an, einige ihrer Flüge nach China zwischen Anfang Februar und Ende März zu streichen. Grund dafür sind nach Angaben der finnischen Fluggesellschaft die von China ausgesetzten Gruppenreisen.

BETRIEBE: Der schwedische Möbelkonzern Ikea schließt wegen der Ansteckungsgefahr vorübergehend rund die Hälfte seiner Warenhäuser in China. Die betroffenen Angestellten seien gebeten worden, bis auf Weiteres zu Hause zu bleiben, hieß es. Die Ingka-Gruppe betreibt 30 Ikea-Möbelhäuser in China, in denen knapp 14.000 Mitarbeiter angestellt sind.

In China bleiben auch 74 H&M-Filialen und drei Läden der H&M-Tochtermarke Monki wegen des neuartigen Coronavirus bis auf Weiteres geschlossen. Auch Reisen von Mitarbeitern nach China und innerhalb des Landes seien gestoppt worden, teilte eine Sprecherin des schwedischen Modekonzerns mit. Man halte sich an Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO und der lokalen Behörden. Die H&M-Gruppe, zu der auch andere Modemarken wie COS oder Monki zählen, hat 520 Geschäfte in China, 455 davon sind H&M-Filialen.

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Der japanische Autobauer Toyota stellt den Betrieb in den Werken in China bis zum 9. Februar ein. Man werde die Situation beobachten und dann über das weitere Vorgehen entscheiden, teilte eine Konzernsprecherin mit. Volkswagen lässt seine 3500 Mitarbeiter in Peking für zwei Wochen von daheim aus arbeiten. Bis auf Weiteres werden dem Autobauer zufolge auch alle Geschäftsreisen in China und international ausgesetzt. Auch der Darmstädter Merck-Konzern rät seinen rund 56 000 Mitarbeitern derzeit von Reisen nach China ab.

Nach der Infektion mehrerer Mitarbeitern mit dem Coronavirus schloss der Autozulieferer Webasto die Konzernzentrale in Stockdorf bei München. Dort hatte sich ein Mitarbeiter bei einer chinesischen Kollegin angesteckt. An allen anderen Standorten in Deutschland laufe der Betrieb normal weiter, sagte eine Sprecherin. In Stockdorf seien 1000, an den anderen sieben Standorten in Deutschland rund 3000 Mitarbeiter beschäftigt. In China hat Webasto elf Werke mit 3500 Mitarbeitern - darunter in der Metropole Wuhan, wo das Coronavirus ausbrach.

TOURISMUS: Italienische Hoteliers bangen um den Tourismus aus China. „Wir haben schon viele Stornierungen und Absagen bekommen, vor allem von Gruppen und Pauschalreisenden", sagte der Präsident des Hotelverbandes Federalberghi, Bernabò Bocca, der Nachrichtenagentur Ansa. „Wir bereiten uns auf noch schwerere Schäden vor. Und es werden keine kleinen Verluste sein, das können wir schon sagen."

Für Italien gehört der chinesische Markt zu den wichtigsten im Tourismusbereich. Städte wie Rom oder Venedig sind besonders beliebt. Gruppen aus China bringen vor allem in der Nebensaison um das chinesische Neujahr im Winter viel Geld. Chinesische Urlauber gaben 2018 nach Daten des zuständigen Ministeriums 650 Millionen Euro in Italien aus. Aus Spanien gibt es noch keine Warnmeldungen. Der Touristenzustrom aus China bleibe vorerst unverändert, hieß es bei den Hotelierverbänden und großen Reiseagenturvereinigungen.

Auch Deutschland bekommt die Auswirkungen zu spürenm zum Beispiel in der Tourismusregion Schloss Neuschwanstein. Das Schloss ein beliebtes Ziel von Touristen besonders auch aus Asien. „Viele Hotels klagen über Stornierungen und werden massive wirtschaftliche Auswirkungen spüren – vor allem die Häuser, die sich auf Gruppenreisen aus dem asiatischen Raum spezialisiert haben“, sagte der Füssener Tourismusdirektor Stefan Fredlmeier der „Augsburger Allgemeinen“.

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RND/vca/dpa

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