Hodenkrebs: Männer, wartet nicht mit dem Arztbesuch!
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Am Anfang haben an Hodenkrebs Erkrankte oft noch diskrete Beschwerden, etwa ein leichtes Ziehen, eine Verhärtung oder eine kleine Verdickung am Hoden, die oft auch schmerzlos ist.
© Quelle: Darko Djurin/Pixabay
Die positive Nachricht vorweg: Wenn es eine Krebserkrankung gibt, die gute Heilungschancen hat, dann ist das der Hodentumor. Das zumindest betont der Onkologe Professor Dr. Marcus Hentrich. Er ist Chefarzt der inneren Medizin am Rotkreuzklinikum München und forscht in einem internationalen Team zu unterschiedlichen Behandlungsmethoden bei Hodenkrebs. Im Interview erklärt der Mediziner, wieso es so wichtig ist, dass vor allem junge Männer bei einem Verdacht rechtzeitig zum Arzt gehen.
Ist das Krankheitsbild Hodenkrebs ein Tabuthema unter Männern?
Ich glaube, es ist besser geworden, als es noch vor 20 Jahren war. Aber natürlich ist die Krankheit immer noch ein bisschen tabuisiert. Meistens sind junge Männer betroffen, und es handelt sich halt um den Hoden. Das ist nicht gerade etwas, worüber man gern offen und klar spricht. Manchmal warten junge Männer wegen der Scham sehr lange mit einem Arztbesuch. Dann ist der betroffene Hoden unter Umständen schon so groß wie ein kleiner Kindskopf, wie ein Handball oder ein Tennisball. Das nennen wir dann Riesenhoden. Das erlebe ich im Schnitt alle drei Jahre bei einem meiner Patienten.
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Prof. Dr. Marcus Hentrich ist Chefarzt der Inneren Medizin III – Hämatologie und Onkologie im Rotkreuzklinikum München.
© Quelle: Rotkreuzklinikum München
Wie viele Männer erkranken denn im Schnitt an Hodenkrebs?
Insgesamt kommen in Deutschland vergleichsweise selten Hodentumor-Erkrankungen vor. Im Jahr gibt es bundesweit rund 4400 Neuerkrankungen. Aber bei den jüngeren Männern im Alter von 17 bis circa 37 Jahren ist es der am häufigsten vorkommende Tumor, der bei zehn von 100.000 Männern auftritt. Das ist dann nicht mehr ganz so wenig.
Hodenkrebs: Eine gute Heilungsprognose
Was sind erste Anzeichen, die von Hodenkrebs betroffene Patienten bemerken?
Am Anfang sind es noch relativ diskrete Beschwerden. Etwa ein leichtes Ziehen, eine Verhärtung oder eine kleine Verdickung am Hoden, die oft auch schmerzlos ist. Es gibt aber auch Patienten, bei denen Rückenschmerzen als erste Symptome auftauchen. Diese Beschwerden werden durch Lymphknoten-Metastasen im hinteren Bauchraum, die auf Nerven drücken, verursacht. Das ist aber eher selten.
Manchmal warten junge Männer wegen der Scham sehr lange mit einem Arztbesuch. Dann ist der betroffene Hoden unter Umständen schon so groß wie ein kleiner Kindskopf.
Wie hoch sind denn die Heilungschancen bei Hodenkrebs?
Wer einen Verdacht hat, sollte nicht zu lange zu warten, sondern zügig zum Arzt gehen. Wenn es eine Krebserkrankung gibt, die man wirklich gut und in jedem Stadium heilen kann, dann ist das der Hodentumor. Eine aussagekräftige Zahl gibt es dazu vom Robert-Koch-Institut aus dem Jahr 2015: Da gab es 145 Sterbefälle bei über 4000 Neuerkrankungen. Es sterben also nur vergleichsweise wenige Patienten.
Hodenkrebserkrankte befürchten, keinen Sex mehr haben und keine Kinder mehr bekommen zu können. Eine berechtigte Sorge?
Die Erkrankung hat keinen Einfluss auf die Potenz. Grundsätzlich kann zwar wegen der allgemeinen Krankheit das Verlangen nach Sex abnehmen. Aber definitiv kann ein Mann nach der Behandlung wieder Sex haben. Einige Hodentumorpatienten weisen jedoch bereits von vornherein eine eingeschränkte Fertilität auf. Durch eine Chemotherapie werden die Samenzellen dann noch weiter geschwächt.
Wenn es eine Krebserkrankung gibt, die man wirklich gut und in jedem Stadium heilen kann, dann ist das der Hodentumor.
Wer einen Hodentumor hat, sollte Sperma einfrieren
Worauf sollten Patienten vor Beginn einer Hodenkrebstherapie achten?
Die Mehrheit meiner Patienten hat die Familienplanung noch nicht abgeschlossen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass vor jeder Therapie Sperma abgegeben und eingefroren wird. Dies geschieht inzwischen viel häufiger, als das früher der Fall war. Es gehört zu den wichtigen Aufgaben des Arztes, darauf zu dringen – entweder des Urologen, der den Hoden operativ entfernt, oder des Onkologen, der eine Chemotherapie durchführt.
Inwiefern wirkt sich ein frühes Zum-Arzt-Gehen auf die Heilungschancen aus?
Wenn der Hodenkrebs in einem frühen Stadium entdeckt wird, braucht der junge Mann möglicherweise keine Chemotherapie. In fortgeschrittenem Stadium braucht er eine Chemotherapie mit unterschiedlich hoher Intensität. Auch dann sind die Heilungsraten aber immer noch sehr gut.
Sie forschen in einem internationalen Team aus Onkologen zu Behandlungsmethoden bei Hodenkrebs. Um welche Patienten geht es dabei?
An der sogenannten Tiger-Studie nehmen 410 Patienten aus 89 Zentren aus verschiedenen Ländern teil. Es handelt sich um relativ seltene Fälle von Patienten, die wegen bereits vorhandener Metastasen schon eine Chemotherapie hatten, oft als geheilt galten – und trotzdem einen Rückfall erlitten.
Welche Frage interessiert Sie dabei?
Für uns Onkologen geht es darum, herauszufinden, wie intensiv wir den Patienten nach einem Rückfall trotz bereits zuvor durchgeführter Chemotherapie behandeln müssen. Reichen vier Zyklen einer konventionellen Chemotherapie? Oder müssen wir eine hoch dosierte Chemotherapie durchführen? Die kann den Hodenkrebs möglicherweise besser bekämpfen, führt aber zu einer schweren Schädigung der Blutbildung. Bislang fehlt ein eindeutiger Beleg, welche Therapie effektiver ist.
Was ist an der Hochdosistherapie gefährlicher?
Sie kann den Hodenkrebs möglicherweise besser bekämpfen, schaltet aber die Blutbildung vollständig aus. Während der Chemo-Infusion selbst geht es dem Patienten noch ganz gut. Aber ein paar Tage später gehen die weißen Blutkörperchen, die Leukozyten, dramatisch in den Keller. Rund eine Woche lang sind die Patienten dann sehr infektanfällig, können beispielsweise Fieber bekommen oder die Mundschleimhaut entzündet sich.
Die Studie läuft seit 2016. Gibt es schon erste Erkenntnisse?
Beide Vorgehensweisen funktionieren erst mal gut. Das ist für die Patienten schon einmal ganz wichtig. Ich habe bisher noch keinen Todesfall seit dem Studienbeginn in Deutschland erlebt. Ich kann aber noch nicht sagen, was wirklich besser ist. Die Studie wird wahrscheinlich erst 2021 beendet. Bis wir finale Ergebnisse haben, werden noch ein paar Jahre ins Land ziehen.