Wie krank ist Deutschland?
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Eine Frau hustet.
© Quelle: Annie Spratt/Unsplash
Deutlich mehr Menschen als sonst litten in den vergangenen Wochen unter Husten, Schnupfen, Halsweh oder Fieber. Denn neben dem Coronavirus breiteten sich noch andere Krankheitserreger vermehrt aus, darunter vor allem Influenzaviren und das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). So startete die Grippewelle schon Ende Oktober und nicht wie sonst üblich im Januar; gleichzeitig füllten kleine Kinder mit RSV-Infektion die Krankenhäuser und brachten das ohnehin dünn besetzte Personal an seine Belastungsgrenzen.
Aktuell leiden noch immer knapp vier Millionen Menschen in Deutschland an akuten Atemwegsinfektionen. Der Krankenstand in den Krankenhäusern ist höher als sonst um den Jahreswechsel herum. Doch die Lage scheint sich allmählich zu bessern. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts (RKI) spricht in ihrem aktuellen Wochenbericht von einem „starken Rückgang“ von Erkältungen, Grippe, Covid und Co. in den vergangenen drei Wochen. Die Werte seien in der ersten Woche im Jahr 2023 wieder auf dem Niveau vorpandemischer Zeiten gewesen. Ist die große Erkrankungszeit nun also vorbei? Eine Bestandsaufnahme.
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Wie steht es um die Grippe?
Nach Einschätzung des Münchner Virologen Oliver Keppler flacht die Grippewelle bereits ab. Seit Anfang Oktober haben die Gesundheitsbehörden nach Daten des RKI 249.558 Grippeinfektionen in Deutschland gezählt, Höhepunkt war die 50. Kalenderwoche kurz vor Weihnachten mit allein 52.651 Fällen. In der ersten Januarwoche waren es nur noch 12.743 Fälle. „Es sieht nicht so aus, dass die Zahl der Infizierten wesentlich höher werden wird als in normalen vorpandemischen Jahren“, sagte Keppler.
Wie es weitergeht, lässt sich jedoch nur schwer einschätzen. „Die weitere Entwicklung der Grippewelle in Deutschland kann erst in den kommenden Wochen besser beurteilt werden“, heißt es vonseiten des RKI. Grund dafür sei, dass zum Beispiel Kinder bis vor Kurzem noch Ferien hatten – und damit weitaus weniger Kontakte als an Schultagen, was sich insgesamt auf das Infektionsgeschehen auswirken könne.
Wie ist die Lage beim Coronavirus?
Das RKI schätzt, dass 400.000 bis 800.000 Menschen in Deutschland in der ersten Woche 2023 mit dem Coronavirus infiziert waren und Krankheitssymptome zeigten. Die aktuelle 7-Tage-Inzidenz beträgt laut Pandemieradar 106,8 (Stand 13. Januar 2023). An Heiligabend lag sie noch bei 278. Also deutet sich auch dort ein Abwärtstrend an. Ebenso wie bei den Krankenhauseinweisungen: Die Hospitalisierungsinzidenz liegt zurzeit bei 5,97. Damit sind die Menschen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner gemeint, die mit einer Corona-Infektion im Krankenhaus behandelt werden müssen. Schwer an Covid-19 erkranken momentan vor allem ältere Menschen ab 60 Jahren.
Der Berliner Virologe Christian Drosten ist überzeugt, dass die Winterwelle die erste endemische mit dem Virus werden könnte. „Nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“, sagte er Ende Dezember vergangenen Jahres in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“. Die Immunität in der Bevölkerung werde nach diesem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne. Vorausgesetzt, es kommt nicht noch einmal zu einem Mutationssprung. Bisher deutet glücklicherweise nichts darauf hin. Die aktuell dominierende Virusvariante ist noch immer Omikron BA.5. Drosten vermutet jedoch, dass sich bald die Omikron-Sublinie XBB.1.5 in Deutschland durchsetzen könnte.
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XBB.1.5: Was über die Corona-Variante bisher bekannt ist
Aus Angst vor einer neuen Corona-Variante richten sich derzeit alle Augen nach China. Dabei gerät die Virusvariante XBB.1.5, die sich zurzeit vor allem in den USA verbreitet, beinahe aus dem Blick. Dabei könnte sie schon bald auch das Infektionsgeschehen in Europa bestimmen, sind Fachleute überzeugt.
Was macht RSV?
In der ersten Woche des Jahres 2023 sind wieder so viele Eltern mit ihren Kindern aufgrund von akuten Atemwegserkrankungen wie vor der Pandemie zum Arzt oder zur Ärztin gegangen, schreibt die Arbeitsgemeinschaft Influenza. 17 Prozent der aus ambulanten Arztpraxen ans Labor des Nationales Referenzzentrums für Influenzaviren gesendete Proben von Menschen, die an Atemwegserkrankungen leiden, enthielten zum damaligen Zeitpunkt RS-Viren.
Noch infizieren sich Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 14 Jahren im Vergleich zu anderen Altersgruppen besonders häufig mit dem RS-Virus. Fast genauso häufig wie RSV fanden Labore Influenzaviren in den Proben von 2- bis 14-Jährigen. In der Altersgruppe null bis eins dominiert das RS-Virus. Der Anteil der nachweislich an Covid-19 erkrankten Personen im Alter von null bis 14 Jahren ist im Vergleich zu den anderen beiden Viren deutlich geringer.
Kleinkinder, die mit Atemwegserkrankungen im Krankenhaus behandelt werden müssen, haben meist eine RSV-Infektion. In der ersten Woche des Jahres 2023 erhielten 73 Prozent der Null- bis Einjährigen und 24 Prozent der Zwei- bis Vierjährigen unter ihnen eine RSV-Diagnose. „Damit ist der Anteil der mit RSV hospitalisierten Kinder in der Altersgruppe null bis ein Jahre im Vergleich zur Vorwoche wieder gestiegen“, schreibt die Arbeitsgemeinschaft Influenza.
Kann die Maskenpflicht nun also weg?
Immer mehr Bundesländer verabschieden sich von der Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). In Sachsen endet sie am kommenden Montag (16. Januar). Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen wollen sie zum 2. Februar abschaffen. Auch in Niedersachsen, Hamburg und Bremen soll die Maskenpflicht im ÖPNV enden, wahrscheinlich im Februar oder März.
Mehr Infos zu den Corona-Regeln in Ihrem Bundesland finden Sie hier:
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Maskenpflicht, Isolationspflicht und Co.: Diese Regeln gelten in Ihrem Bundesland
Immer mehr Bundesländer lockern ihre Corona-Regeln: Sowohl bei der Masken- als auch bei der Isolationspflicht gehen die Landesregierungen eigene Wege. Das Ergebnis: Flickenteppich an Regelungen. Das RND gibt eine Übersicht, welche Maßnahmen in den einzelnen Bundesländern aktuell gelten.
In Bayern und Sachsen-Anhalt gilt die Maskenpflicht seit mehr als einem Monat nicht mehr, in Schleswig-Holstein seit Neujahr. Ein Blick in den Pandemieradar des RKI zeigt: In allen Bundesländern, auch denen ohne Maskenpflicht, ist die Hospitalisierungsindizenz jetzt niedriger als an den Feiertagen. Die Aufhebung der Maßnahme hat also nicht zu einem übermäßigen Anstieg der schweren Erkrankungen geführt. Grund dafür könnte sein, dass Menschen trotzdem weiterhin versuchen, sich mit Masken vor Ansteckungen zu schützen. Oder aber die hohe Immunität in der Bevölkerung, die durch Impfungen und Infektionen entstanden ist.
Die Immunität ist auch ausschlaggebend dafür, warum Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun die Maskenpflicht im Fernverkehr aufhebt – früher als geplant. Am 2. Februar soll sie auslaufen. „Wir müssen einfach mehr auf Eigenverantwortung und Freiwilligkeit setzen“, sagte der Minister am Freitag in Berlin. Laut Infektionsschutzgesetz sollte die Maskenpflicht im Fernverkehr eigentlich bis zum 7. April andauern.
Lauterbach kündigt Ende der Maskenpflicht im Fernverkehr an
Die Maskenpflicht im öffentlichen Fernverkehr soll zum 2. Februar fallen. Das teilte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Freitag in Berlin mit.
© Quelle: dpa
„Weiterhin Unterschiede zu haben, wäre einfach nicht mehr vermittelbar“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, der „Rheinischen Post“ am Freitag. Eigenverantwortlich könne jeder für sich entscheiden, ob er Maske tragen wolle. Gaß appellierte an die Menschen, bei Krankheitssymptomen Maske zu tragen oder am besten daheim zu bleiben.
Das RKI betont weiterhin: Masken schützen nicht nur vor einer Infektion mit dem Coronavirus, sondern auch vor RSV-Infektionen und der Grippe. FFP2-Masken gelten dabei als sicherster Schutz. Mit ihnen schützt man nicht nur andere, sondern auch sich selbst vor einer Infektion. Auch Virologe Drosten machte deutlich, dass die Masken noch immer helfen könnten, gerade Risikopersonen wie Ältere und Immungeschwächte zu schützen.
Und was ist mit den anderen Maßnahmen?
Auch wenn sich eine endemische Winterwelle andeutet, gibt es noch immer Gründe, die für das Aufrechterhalten von Schutzmaßnahmen sprechen. „Die Aufhebung aller Maßnahmen ist zutiefst unsolidarisch mit dem Klinikpersonal, das in der Pandemie viel geleistet hat und gerade wieder die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat“, hatte Susanne Johna, Vorsitzende der Ärzteorganisation Marburger Bund, Ende Dezember vergangenen Jahres gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) gesagt. Sie warne davor, eine politische Entscheidung auf dem Rücken des Gesundheitspersonals zu treffen. Auch wenn sie Drosten zustimme, dass Deutschland einen endemischen Zustand erreiche, warnt sie: „Der Winter ist noch lange nicht vorbei.“
Außerdem: Selbst wenn die Pandemie vorbei sein sollte, verschiedene Viren werden weiterhin grassieren – besonders gehäuft im Winter. An einfachen Schutzmaßnahmen wie Handhygiene, dem Niesen in Richtung des Ellenbogens und dem Meiden von Menschen, wenn man Erkältungssymptome hat, festzuhalten, kann auch in Zukunft eine gute Idee sein.
RND/saf/bk/dpa