Omikron-Welle bricht, Lockerungen beschlossen: Ist die Corona-Impfung jetzt noch nötig?

Knapp 20 Millionen Menschen in Deutschland haben sich noch nicht gegen Covid-19 impfen lassen.

Knapp 20 Millionen Menschen in Deutschland haben sich noch nicht gegen Covid-19 impfen lassen.

Plötzlich ist in Deutschland wieder von Lockerungen die Rede. Von einem Ende der Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene, von Erleichterungen in der Gastronomie, von Öffnungen der Diskotheken und Clubs, von einem Ende der Homeoffice-Pflicht. In drei Schritten will sich die Bundesregierung allmählich der Corona-Maßnahmen entledigen. Das Ziel soll sein, am 20. März fast alle Einschränkungen aufzuheben.

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Tatsächlich hat sich die Corona-Lage verbessert: Der massive Anstieg der Infektionszahlen, den die Virusvariante Omikron ausgelöst hat, scheint gebrochen zu sein. Die Sieben-Tage-Inzidenz sinkt, die Zahl der Covid-19-Intensivpatientinnen und -Intensivpatienten hat sich auf einem hohen Niveau stabilisiert und auch die Situation auf den Normalstationen der Kliniken bleibt angespannt, aber handhabbar.

Eine Corona-Kennzahl entwickelt sich jedoch nicht ganz so wie gewünscht: Die Zahl der täglichen Covid-19-Impfungen ist in den vergangenen Wochen sichtlich zurückgegangen. Am Donnerstag waren es rund 175.000 Impfdosen, die deutschlandweit verabreicht wurden. Das sind deutlich weniger Impfungen als am Donnerstag vergangener Woche (248.288) und als vor zwei Wochen (339.369 Impfungen). Mit rund 20 Millionen Ungeimpften gäbe es noch genügend Personen, die sich impfen lassen könnten – und auch jetzt noch davon profitieren würden.

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Omikron wird bleiben

Zwar entspannt sich das Infektionsgeschehen derzeit, das heißt aber nicht, dass Omikron bald komplett aus der Bevölkerung verschwunden ist. Es wird auch im Frühjahr und Sommer zu Infektionen mit der Virusvariante kommen – wenn auch nicht mehr in der gehäuften Zahl wie jetzt. Schon bei den jetzigen Öffnungsschritten sei davon auszugehen, dass ungeimpfte und ältere Menschen mit einem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf wieder „verstärkt“ in das Infektionsgeschehen einbezogen werden, schrieb der Expertenrat der Bundesregierung in seiner Stellungnahme vom 13. Februar. Diese Gruppen müssten weiterhin geschützt werden.

Am besten gelingt das mithilfe der Covid-19-Impfungen. Sie können das Risiko für symptomatische Infektionen, schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle drastisch senken. Um ausreichend vor der Omikron-Variante geschützt zu sein, die die Immunantworten von Geimpften und Genesenen teilweise umgehen kann, braucht es drei Impfungen. Für vulnerable Gruppen wie Ältere hat die Ständige Impfkommission vor zwei Wochen sogar noch eine vierte Dosis empfohlen.

Schwere Erkrankungen und Spätfolgen bei Corona-Infektion möglich

Die Motivation, sich impfen zu lassen, habe auch deshalb in Deutschland abgenommen, weil eine Infektion mit Omikron mit einem geringen Risiko assoziiert werde, heißt es in der aktuellen Cosmo-Studie der Universität Erfurt. Nationale wie internationale Studiendaten deuten darauf hin, dass die Virusvariante mit einer geringeren Krankheitsschwere einhergeht. Allerdings lässt sich aus diesen Beobachtungen kein allgemeingültiger Infektionsverlauf ableiten. Es kann individuell durchaus noch zu schweren Krankheitsverläufen kommen, denn jeder Körper reagiert anders auf das Virus.

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Selbst bei einem leichten oder moderaten Verlauf kann es mittelfristig zu Schädigungen diverser Organe wie Herz, Lunge und Nieren kommen, wie Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf herausgefunden haben. Auch ist noch unklar, wie häufig es nach einer Infektion mit Omikron zu Spätfolgen kommt. Eine Auswertung der britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency hat vor wenigen Tagen ergeben, dass eine Covid-19-Impfung vor langanhaltenden Symptomen – auch Long Covid genannt – schützen kann. Demnach haben Daten aus 15 Studien gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, Long Covid zu entwickeln, bei Personen, die sich infiziert haben, geringer war, wenn sie eine oder zwei Dosen eines Impfstoffs erhalten haben.

Omikron-Infektion bietet keinen dauerhaften Schutz

Eine Infektion mit Omikron birgt nicht nur die Gefahr, schwer zu erkranken und Spätfolgen zu entwickeln, sondern sie wird allein nicht ausreichen, um dauerhaft vor dem Coronavirus geschützt zu sein. Wer sich mit der Virusvariante angesteckt hat, entwickelt eine vorübergehende Immunität, die aber mit der Zeit nachlässt und auch nicht Infektionen mit anderen Corona-Varianten wie Delta oder Alpha verhindert.

Hinzu komme, dass die natürliche Immunität „sehr variabel“ sei, sagte Infektiologin Marylyn Addo vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Es gibt Infizierte, die haben nach der Infektion eine hohe Zahl an Antikörpern, und es gibt Infizierte, die haben nach der Genesung nur eine geringe Konzentration an Antikörpern im Blut.“ Eine Impfung gegen Covid-19 sorge hingegen für eine „gleichmäßige Stimulation des Immunsystems“. „Eine Immunität durch die Hintertür mit Omikron ist nicht mit dem Schutz einer Impfung mit einem zugelassenen Corona-Impfstoff vergleichbar“, machte Addo deutlich.

Omikron-Schwesternvariante BA.2 ist ein unsicherer Faktor

Auch vor einer Infektion mit der Schwesternvariante von Omikron, BA.2, schützen die Covid-19-Impfstoffe. Für eine ausreichende Immunreaktion sind ebenfalls drei Impfungen notwendig. Die Virusvariante beeinflusst das Infektionsgeschehen in Deutschland bislang nur geringfügig, doch der Anteil in einer Stichprobe untersuchter Corona-Fälle sei zuletzt auf 14,9 Prozent gestiegen, hielt das RKI in seinem Wochenbericht vom Donnerstagabend fest.

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Der Expertenrat der Bundesregierung warnte in seiner Anfang Februar erschienenen Stellungnahme, dass BA.2 „zu erneut steigenden Inzidenzen“ und „zu einer Verlängerung der Omikron-Welle“ führen könnte. Mit der Omikron-Schwesternvariante könnte das Infektionsrisiko für Ungeimpfte also noch einmal zunehmen. Ob dieses Worst-Case-Szenario tatsächlich eintritt, lässt sich zurzeit nicht vorhersagen.

Ebenso ist noch unklar, wie gefährlich BA.2 ist. Eine aktuelle Preprint-Studie von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen mehrerer Forschungseinrichtungen aus Japan deutet darauf hin, dass die Virusvariante zu mehr schweren Covid-19-Verläufen und Todesfällen führen könnte als die aktuell hierzulande zirkulierende Version von Omikron. Die Ergebnisse müssen noch von unabhängigen Expertinnen und Experten überprüft werden. Der Expertenrat der Bundesregierung sprach davon, dass BA.2 „einen Fitnessvorteil“ habe, also leichter übertragbar sei, über die Krankheitsschwere aber „noch keine ausreichenden Erkenntnisse“ vorlägen. Sollten sich die Befunde aus Japan bestätigen, wären sie ein weiterer Grund dafür, Ansteckungen zu meiden.

Im Herbst wartet auf Deutschland eine neue Infektionswelle

BA.2 wird zudem nicht die letzte Variante des Coronavirus sein. Ob sie oder eine andere Virusvariante in ein paar Monaten das Infektionsgeschehen in Deutschland dominieren wird, ist unmöglich vorherzusehen. In jedem Fall wird es aber im Herbst zu einer neuen Infektionswelle kommen. „Wir sollten dafür sorgen, dass dabei so wenige Menschen schwer erkranken wie möglich“, sagte Infektiologin Addo. „Wir müssen daran arbeiten, dass wir mit einer sehr breiten Immunität – geimpft und/oder genesen – und einer möglichst kleinen Impflücke, vor allem in den vulnerablen Gruppen, in den Herbst gehen.“ Ansonsten bestehe wieder die Gefahr, dass das Gesundheitssystem durch zahlreiche schwerwiegende Corona-Infektionen belastet werde.

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Trotz all der Lockerungen, die derzeit geplant sind, darf eines nicht vergessen werden: Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Aber: „Die zumindest dreifache Impfung erweist sich weiterhin als das effektivste Instrument, um die Krankheitslast durch Covid-19 zu minimieren und das Ende der Pandemie schrittweise zu erreichen“, urteilte der Expertenrat der Bundesregierung. „Die anzustrebende dauerhafte Rücknahme aller staatlich verordneten Infektionsschutzmaßnahmen und das Erreichen eines postpandemischen Zustands ist eng mit dem Erreichen einer hohen Impfquote und parallel dem eigenverantwortlichen Handeln der Bürgerinnen und Bürger verbunden.“

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