Prostatauntersuchung: Woher kommt die Angst vor der „großen Hafenrundfahrt“?
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Prostatakrebs: Für Männer greift die gesetzliche Vorsorge ab dem 45. Lebensjahr. Doch sehr viele Männer nehmen diese Leistung nicht in Anspruch.
© Quelle: imago images/Shotshop
Dr. Weib, der Medizin-Kabarettist Eckart von Hirschhausen hat den Satz geprägt: „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben, die Prostata mit dem Alter.“ Warum wächst die Prostata?
Das ist quasi ein Naturgesetz und in erster Linie hormonell und genetisch bedingt: Männer werden älter, ihre Prostata wird größer.
Wo genau sitzt dieses Organ, was ist seine Funktion?
Die Prostata befindet sich zwischen Blase und Harnröhre oberhalb des Beckenbodens. Sie ist letztlich nichts anderes als ein Schnellimbiss für Spermien. Hier können sie sich stärken, bevor es auf die weitere Reise in die Welt hinaus geht.
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Für die meisten Männer ist Prostatakrebs ein Schreckgespenst, das sie nach Kräften verdrängen. Ab welchem Alter ist eine Vorsorgeuntersuchung sinnvoll?
Das kommt auf die familiäre Vorgeschichte an. Wenn zum Beispiel Großvater, Vater oder ein Bruder an Prostatakrebs erkrankt sind, sollte man ab 40 zur Vorsorgeuntersuchung gehen. Die gesetzliche Vorsorge greift ab dem 45. Lebensjahr.
Der Arzt muss den Finger in den Po stecken, und diese Vorstellung ist den meisten Männern unangenehm.
Torsten Sträter,
Kabarettist
Wie sieht so eine Untersuchung aus?
Das ist ein Dreiklang aus PSA-Wert, einer Tastuntersuchung und einer Ultraschalluntersuchung. Von diesen drei Instrumenten ist für sich genommen allerdings keins wirklich zuverlässig. Der im Blut bestimmbare PSA-Wert – die Abkürzung steht für prostataspezifisches Antigen, ein körpereigenes Bluteiweiß – hat von den drei Methoden die größte Strahlkraft; gemeinsam sind die drei Früherkennungsmethoden stark.
Männer haben eine ausgeprägte „Reparaturmentalität“
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass weniger als 20 Prozent der Männer die Möglichkeit der Früherkennung nutzen. Warum sind das nicht mehr?
Das hat verschiedene Gründe. Eine gewisse Rolle spielen sicherlich mangelndes Wissen und Vorurteile. Männer neigen ja gern zur Übertreibung. Da erzählt einer seinen Freunden vom Besuch beim Urologen und von der „großen Hafenrundfahrt“ und schmückt das noch ein bisschen aus, schon haben die anderen keine Lust mehr, zum Arzt zu gehen. Viele haben auch Angst vor der Entnahme einer Gewebeprobe, aber das ist nur in seltenen Fällen wirklich nötig.
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Zur Person: Dr. med. Peter Weib ist Chefarzt der Urologie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen. Außerdem leitet er das Kompetenznetz Prostata in Nordrhein-Westfalen und Rheinhessen. Mit seinem ebenso informativen wie unterhaltsam verfassten Buch „ProstaTALK: Aufklärung – Vorsorge – Behandlung“ (398 Seiten, 22,99 Euro, Springer Nature) will der Facharzt für Urologie und Andrologie „gestandenen Männern“ die Angst vor dem Besuch beim Urologen nehmen.
© Quelle: Peter Weib
Männer nehmen Vorsorgemöglichkeiten generell wenig in Anspruch. Ist das vielleicht auch eine Frage der Gewohnheit?
Das kann gut sein. Anders als Frauen, die schon als Teenager zum Gynäkologen oder zur Frauenärztin gehen, weil sie zum Beispiel die Pille wollen, haben Männer eine ausgeprägte Reparaturmentalität: Sie suchen den Arzt erst auf, wenn was kaputt ist. Ich zitiere in dem Zusammenhang gern den Kabarettisten Torsten Sträter: ‚Die Prostata sitzt hinten unten und kommt nicht von alleine raus. Man kann sie nicht auf den Tisch legen und sich übers Wochenende ein Ersatzorgan leihen. Der Arzt muss den Finger in den Po stecken, und diese Vorstellung ist den meisten Männern unangenehm. Dem Arzt macht das übrigens genauso wenig Freude.‘
Ihr Buch enthält unter anderem ein Piktogramm, das vier urinierende Männer zeigt. Beim ersten sprudelt die Quelle, der vierte ist dagegen froh, dass er sich nicht auf die Schuhe pinkelt. Sollte man spätestens jetzt zum Arzt gehen?
Das würde ich dringend empfehlen, möchte aber gleich hinzufügen, dass dieses Symptom ebenso wie zum Beispiel das nächtliche Urinieren kein Anlass zur Sorge sein braucht. Wir müssen zwischen der gutartigen und der bösartigen Prostatavergrößerung differenzieren, aber leider gibt es keine Anzeichen, die untrüglich auf Krebs hinweisen. Deshalb sollte man vorsichtshalber bereits beim Auftreten der ersten Symptome zum Arzt gehen. In den allermeisten Fällen ist die Ursache für eine Strahlabschwächung eine gutartige Vergrößerung.
Ich warne davor, die Krankheit auf die leichte Schulter zu nehmen. Prostatakrebs ist für den Mann der häufigste Krebs. Allein in Deutschland sterben daran pro Jahr über 13.000 Männer.
Peter Weib,
Urologe
Sie schreiben, dass jeder zweite Achtzigjährige Prostatakrebs hat; das ist die schlechte Nachricht. Die gute lautet: In der Regel sterben diese Männer nicht an, sondern mit dem Krebs. Also alles kein Problem?
Ich warne davor, die Krankheit auf die leichte Schulter zu nehmen. Prostatakrebs ist für den Mann der häufigste Krebs. Allein in Deutschland sterben daran pro Jahr über 13.000 Männer. Es stimmt zwar, dass von sechs Männern mit dieser Krankheit nur einer stirbt, aber dieser eine möchte doch auch niemand sein. Die Herausforderung für uns Urologen besteht darin, genau diesen Mann herauszuklamüsern, aber das lässt sich heutzutage relativ leicht feststellen.
Wasseraufnahme ist ein unterschätzter Gesundheitsfaktor
Gibt es Faktoren, die das Risiko einer Prostatakrebs-Erkrankung erhöhen oder verkleinern? Helfen zum Beispiel die Allheilmittel gesunde Ernährung und Bewegung?
Das ist in der Tat recht gut nachgewiesen. Selbst wenn man bereits erkrankt ist, lohnt es sich, die Ernährung zu optimieren. Aber natürlich empfiehlt sich auch die Prophylaxe: eine gesunde Lebensführung, 150 Minuten Sport pro Woche, viel Obst und Gemüse, nach Möglichkeit auf rotes Fleisch verzichten. Ein wichtiger und oft unterschätzter Gesundheitsfaktor ist die Aufnahme von Wasser. Ein 90 Kilogramm schwerer Mann sollte pro Tag drei Liter trinken, damit sein Motor auch weiterhin wie geschmiert läuft.
Das Buch: „ProstaTALK – Aufklärung – Vorsorge – Behandlung“, Peter Weib; Springer, 550 Seiten. 22,99 Euro.
© Quelle: Springer
Kostenlose Apothekenzeitschriften enthalten viele Anzeigen für pflanzliche Präparate, die angeblich bei Prostataproblemen helfen. Welchen Nutzen haben die?
Solche Präparate haben oft einen Einfluss auf die Symptome: Man nimmt das Mittel und fühlt sich besser, aber die echten Messwerte zeigen nur eine geringe Funktionsverbesserung. Das gleiche Ereignis stellt sich meist auch nach einem Arztbesuch ein: Der Urologe stellt fest, dass die Symptome harmlos sind, und empfiehlt zum Beispiel, abends nicht mehr so viel zu trinken, weil man sich dann den nächtlichen Gang zum Klo erspart; schon hat der Patient ein positiveres Lebensgefühl.
Sie schreiben, dass Sitzpinkler weniger Probleme beim Wasserlassen haben. Stimmt das auch oder wollten Sie damit nur jenen Frauen eine Freude machen, die das Buch für ihre Männer kaufen?
Nein, es gibt tatsächlich wissenschaftliche Hinweise, dass dem so ist. Beim Sitzen entspannt sich der Beckenboden. Bei der Gelegenheit lässt sich auch das Nachträufeln verhindern. Bei Männern in einem gewissen Alter kann es passieren, dass sie in der Kneipe vom Klo kommen und einen Fleck auf der Hose haben. Wenn man im Sitzen die Harnröhre ausstreicht, passiert das seltener. Echte Kerle pinkeln natürlich lieber im Stehen, aber ein Fleck auf der Hose ist doch weitaus peinlicher.