Von Angst bis Depression

Selbsthilfe am Handy: Welches Potenzial haben Therapie-Apps?

Selbsthilfe-Therapie-Apps sollen Menschen mit Depressionen, Ängsten oder Burn-out helfen.

Selbsthilfe-Therapie-Apps sollen Menschen mit Depressionen, Ängsten oder Burn-out helfen.

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Rund ein halbes Jahr warten psychisch kranke Menschen laut der Psychotherapeutenkammer im Schnitt auf einen Therapieplatz. Eine App ist hingegen schnell heruntergeladen und außerdem günstiger – was insbesondere für Krankenkassen interessant sein dürfte.

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Seit einiger Zeit können Ärztinnen und Ärzte ausgesuchte Psychotherapie-Apps verschreiben, nämlich die sogenannten Digitalen Gesundheitsanwendungen (Digas). Das sind Apps, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geprüft wurden und deren Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.

Edupression soll bei Depressionen helfen

Zu ihnen gehört zum Beispiel auch die App Edupression, die sich an Menschen mit Depressionen richtet und auf der kognitiven Verhaltenstherapie basiert. Patientinnen und Patienten bekommen über das Programm Tipps und Übungen vermittelt, um besser mit ihren Depressionen umgehen zu können. In Videos wird ihnen zum Beispiel erklärt, wie sie eine Depression erkennen. Laut den Herstellern sollten Nutzerinnen und Nutzer mindestens zwei- bis dreimal die Woche mit der App arbeiten.

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DiGAs sind in der Regel Apps, in der kein direkter Kontakt zwischen Therapeutinnen und Patienten besteht. Teilweise werden sie in einer klassischen Psychotherapie auch zur Unterstützung angewendet.

So denkt ein Psychologe über die Therapie-Apps

„Das Problem bei den Therapie-Apps ist jedoch, dass sie nur dann sinnvoll nutzbar sind, wenn Patienten die richtigen Fragen zu den verfügbaren Antworten stellen“, sagt der Psychologe Jürgen Hoyer, der aktuell selbst eine Studie zu Therapie-Apps durchführt. Trotzdem glaubt er an das Potenzial der digitalen Helfer: „Ich glaube durchaus, dass Apps die Gesamtdauer zwischen dem Tag, an dem ich mich dazu entscheide, eine Therapie zu machen, bis hin zu dem Tag, an dem ich erfolgreich aus der Therapie herausgehe, verkürzen können.“

Hoyer denkt, dass ein Teil der Nutzenden nach der Anwendung der App vielleicht gar keine Live-Therapie mehr brauchen wird. Andere würden in einer Live-Therapie wahrscheinlich schneller vorankommen, weil sie schon besser wüssten, wo genau ihre Probleme liegen. Eine Stärke der Therapie-Apps sei außerdem, dass sie rund um die Uhr verfügbar sind.

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Studie untersucht digitale Therapieangebote

In eine ähnliche Richtung deuten die Ergebnisse einer Studie, die in Großbritannien digitale Therapieangebote untersucht hat. Der Fokus lag dabei auf der Kosteneffizienz. Die Betroffenen könnten durch die digitalen Angebote insgesamt eher behandelt werden, heißt es darin. Die Zeit zwischen Überweisung und Therapieerfolg werde damit deutlich kürzer.

Die Forschenden analysierten die Daten von 27.540 Patientinnen und Patienten, die unter Depressionen und Angststörungen litten. Allerdings nutzten die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer Therapieformen, bei denen sie auch mit Therapeutinnen und Therapeuten chatteten. Solche Anwendungen werden in Deutschland nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

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Ein weiteres Problem der Studie: Die Autorinnen und Autoren arbeiteten selbst für den untersuchten App-Anbieter. Zudem war die Studie nicht randomisiert, die Teilnehmenden landeten also nicht zufällig in der Gruppe mit oder ohne App-Anwendung. „Das bedeutet, dass man nicht sicher sagen kann, ob die geringeren Kosten wirklich an der Internet-Therapie liegen oder ob dieser Effekt darauf zurückzuführen ist, dass sich die beiden Gruppen in ihren Eigenschaften unterscheiden“, meint Phillip Klein, Arzt für Psychosomatik und Psychotherapie.

Psychologe: Mensch ist App oftmals überlegen

Dass Therapie-Apps in vielen Fällen wirksam sein können, ist gut erforscht. Wo genau ihre Grenzen liegen, ist hingegen noch unklar. Psychologe Hoyer ist davon überzeugt, dass menschliche Therapeutinnen und Therapeuten den Apps überlegen sind. „Ein wichtiges Element der therapeutischen Beziehung ist Verständnis und Empathie“, sagt er. Therapeut und Patient versuchen zum Beispiel gemeinsam herauszufinden, was die eigene Motivation hemmt, bestimmte Aufgaben in Angriff zu nehmen. „Diese Fähigkeiten hat eine App definitiv nicht.“

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Hoyer glaubt, dass Therapie sehr viel stärker wirkt, wenn man einem Menschen gegenübersitzt, der Verständnis hat, der einen zu trösten vermag und motiviert. „In zwischenmenschlichen Beziehungen werden Emotionen viel stärker aktiviert als in der Beziehung zu einem Gerät“, sagt er. Bei einigen Krankheitsbildern wäre eine Therapie-App auch schlicht nicht anwendbar. Schwer depressive Menschen könnten sich zum Beispiel in der Regel gar nicht motivieren, regelmäßig eine App zu benutzen.

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Wirksamkeit der Apps nur eingeschränkt messbar

Ein Grund dafür, dass die Forschung zu Therapie-Apps in vielen Fällen unsicher ist, liegt in den ethischen Grundsätzen der Medizin. Denn wer an einer Studie zur Erforschung von Therapie-Apps teilnimmt, macht dies freiwillig. Das verzerrt das Sample, also die Stichprobenauswahl.

Wie wirksam Therapie-Apps bei Menschen sind, die solche Angebote ablehnen, kann also kaum erforscht werden. „Die Wirksamkeit von Therapie-Apps konnten wir bisher nur für die Menschen nachweisen, die grundsätzlich überhaupt offen für solche Anwendungen sind“, erklärt Hoyer.

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„Wir wissen aus Studien, dass insbesondere die Patientinnen- und Patientenpräferenz, aber auch Alter, sozioökonomischer Status und ‚digital literacy‘ (digitale Kompetenz, Anm. d. Red.) bei internetbasierten Therapien eine bedeutsame Rolle spielen“, sagt Eva-Lotta Brakemeier, Professorin für Psychologie an der Universität Greifswald. Ob eine Therapie-App erfolgreich ist, hängt demnach auch davon ab, wie wohlhabend und gebildet jemand ist und wie vertraut im Umgang mit digitalen Medien. Auch die eigenen Vorlieben wirken sich auf die Wirksamkeit aus.



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