Synthetisches Cannabis: Warum es deutlich gefährlicher als Marihuana ist

Eine Person dreht sich einen Joint. Die Ampel-Parteien wollen Cannabis für den Genuss legalisieren. Bald könnte Hanf in lizenzierten Geschäften frei verkauft werden.

Eine Person dreht sich einen Joint. Die Ampel-Parteien wollen Cannabis für den Genuss legalisieren. Bald könnte Hanf in lizenzierten Geschäften frei verkauft werden.

Die kontrollierte Abgabe von Cannabis wird schon bald legal werden. Lässt sich dadurch der Verkauf synthetischer Cannabinoide eindämmen, die meist gefährlicher sind als echtes Marihuana? In Deutschland gibt es nach wie vor einen großen Markt für sogenannte „Legal Highs“, synthetisch erzeugte Substanzen, die die Wirkung bekannter Rauschmittel wie Cannabis, Opioiden oder Amphetaminen nachahmen. Die Bezeichnung kommt daher, dass die Substanzen meist offen vermarktet werden: Als „Kräutermischung“, „Badesalze“ oder „Party Pills“. Wirklich legal sind sie aber meist nicht. Die offizielle Bezeichnung für „Legal Highs“ lautet deshalb „Neue psychoaktive Substanzen“ (NpS). „Legal highs“ sind nicht harmloser als andere Rauschmittel. Das Gegenteil ist der Fall, das gilt vor allem für die synthetisch erzeugten Cannabinoide.

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Die Vermarktenden setzten jedoch von Anfang an auf einen einfachen Trick. So weichen „Legal Highs“ oft nur minimal von der Struktur bekannter Suchtstoffe ab. Aus diesem Grund galten sie nach dem Betäubungsmittelgesetz meist jahrelang noch nicht als Drogen, wenn sie auf den Markt kamen. Der Gesetzgeber hinkte dabei stets hinterher: Er musste einen neuen Stoff erst als Rauschmittel einstufen, ehe er ihn verbieten konnte. Bald darauf kamen dann wieder neue, leicht veränderte Rezepturen auf den Markt. Mehrere Hundert verschiedene „Legal Highs“ gibt es inzwischen.

Mit dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) wurde 2016 versucht, dieses Spiel zu beenden. Ganze Stoffgruppen wie synthetische Cannabinoide und amphetaminartige Verbindungen wurden nun als Rauschmittel eingestuft. Später wurden außerdem Stoffgruppen verboten, die in ihrer Wirkung psychedelisch wirkende Substanzen, Beruhigungsmittel oder Opiode imitieren. Das Gesetz besagt auch, dass der Besitz von NpS zwar verboten, aber straffrei sein soll. Ein Versuch, die Konsumenten und Konsumentinnen zu entkriminalisieren.

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Wesentlich toxischer als Marihuana

Laut einem Evaluationsbericht des Instituts für Therapieforschung (IFT) München hat die gesetzliche Neuregelung allerdings wenig genützt und eher geschadet. Demnach hat das Gesetz „keinen nennenswerten Einfluss“ auf den Konsum von NpS gehabt. Auch werden die Substanzen trotz der Stoffgruppenregelung weiterhin nur leicht verändert, um sie dann ungehindert zu vermarkten. Das IFT hatte auch Konsumierende befragt: Einige von ihnen berichteten, dass die Qualität ihrer bevorzugten NpS durch die strengere gesetzliche Regelung abgenommen hätte. Sie verzichteten deshalb aber nicht auf den Konsum, sondern wichen auf andere (meist als gefährlicher eingeschätzte) NpS oder bekannte Drogen aus.

In seinem Bericht weist das Institut für Therapieforschung zudem auf die Gefahren der NpS und speziell der synthetischen Cannabinoide hin. Es sei „festzuhalten, dass die überwiegende Zahl der bisher bekannten synthetischen Cannabinoide wesentlich toxischer als THC sind“, heißt es darin. So komme es leichter zu einer gefährlichen Überdosierung. Weil die synthetischen Stoffe eine andere Wirkung an körpereigenen Cannabinoidrezeptoren zeigen, könnten bei höherer Dosierung „Nebenwirkungen wie Krampfanfälle und plötzliche Bewusstlosigkeit auftreten, die lebensgefährlich sein können.“

Es seien aus den vergangenen Jahren „eine große Zahl an Todesfällen bekannt, die im Zusammenhang mit dem Konsum synthetischer Cannabinoide stehen.“ Abhängigkeitssymptome und unerwünschte Nebenwirkungen der NpS unterscheiden sich laut IFT „teilweise sehr stark“ von denen bisher bekannter Substanzen. Trotzdem werden solche Rauschmittel bis heute in einigen Onlineshops ganz offen angeboten und lassen sich mit nur wenigen Klicks bestellen.

Die Bundestagsabgeordnete und Medizinerin Kirsten Kappert-Gonther ist Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen für Drogenpolitik. Sie setzt sich seit Langem für eine kontrollierte Abgabe von echtem Cannabis ein, auch um den Markt für NpS zu zerstören. „Es ist ein Problem, dass Konsumentinnen und Konsumenten zum Teil bewusst auf synthetische Substanzen ausweichen, um sich nicht strafbar zu machen“, sagt Kappert-Gonther. Zudem würden einige von ihnen gar nicht bemerken, wenn sie die NpS konsumieren. So werde Cannabis aus dem illegalen Straßenverkauf häufig mit den synthetischen Cannabinoiden versetzt, die „eine unberechenbare Wirkung bis hin zum Tod“ haben könnten. Kappert-Gonther verweist auf eine entsprechende Meldung des Bundeskriminalamtes (BKA) aus dem Frühling dieses Jahres.

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Marihuana mit synthetischen Cannabinoiden versetzt

So hatten das BKA und das Zollkriminalamt (ZKA) vermehrt natürliche Cannabisprodukte wie Cannabidiol-Hanf oder Marihuana sichergestellt, die zusätzlich mit synthetischen Wirkstoffen versetzt wurden. Synthetische Cannabinoide würden seit einiger Zeit auf CBD-Hanf und anderen Cannabisprodukten aufgebracht, ohne dass dies für Konsumierende äußerlich erkennbar wäre, warnten die Behörden. Es entstünden „äußerst gefährliche Mischungen mit unkalkulierbarer Wirkung.“ Allein im ersten Quartal 2021 stellte der Zoll demnach über 150 Kilogramm Haschisch, Marihuana und E-Liquids bei der Einfuhr aus der Schweiz und aus den Niederlanden sicher, die einen geringen Gehalt natürlicher Rauschsubstanzen aufwiesen, jedoch mit synthetischen Cannabinoiden versetzt wurden.

Die ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), warnte damals ebenfalls, synthetische Cannabinoide in äußerlich harmlos erscheinenden CBD Produkten, würden „ein immens hohes gesundheitliches Risiko“ bedeuten. Ludwig, deren Amtszeit am achten Dezember endete, war allerdings dafür gewesen, nicht nur NpS sondern auch Cannabis weiterhin zu verbieten.

„Eine kontrollierte Abgabe von Cannabis ist ein Instrument der Schadensminderung“, glaubt hingegen Kappert-Gonther. Nur diese könne dem „Ausweichkonsum“ mit NpS vorbeugen. In den geplanten Fachgeschäften zur Abgabe von Cannabis an Erwachsene müssten Inhalts- und Wirkstoffe schließlich klar deklariert werden, sagt die Bundestagsabgeordnete: „Erwachsene, die Cannabis konsumieren möchten, müssen das unter so sicheren Bedingungen wie möglich und ohne Angst vor Strafverfolgung tun können.“

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