“Ungeheure Beanspruchung”: UKE-Direktor Lohse plädiert für Lockerung der Corona-Maßnahmen
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UKE-Direktor Prof. Ansgar Lohse lobt die schwedischen Maßnahmen – und rät zu einer Herdenimmunität.
© Quelle: Bodo Marks/dpa
Hamburg. Der Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg hat bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie für einen Kurswechsel hin zu einer Herdenimmunität plädiert. Gleichzeitig sprach sich Prof. Ansgar Lohse für eine Lockerung der Corona-Auflagen und Kontaktsperren aus. “Die Maßnahmen sind eine ungeheure Beanspruchung für die Gesellschaft”, sagte er in einem Interview des “Hamburger Abendblatts”. “Und die Gefahr ist groß, dass die Akzeptanz bei zunehmender Dauer abnimmt.”
Lohse: Schwedische Maßnahmen die "rationalsten weltweit”
Anfänglich müssen die Schweden mit deutlich mehr Todesfällen rechnen, die sich aber mittel- bis langfristig dann deutlich reduzieren.
Prof. Ansgar Lohse, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE)
Lohse lobte die schwedische Herangehensweise. “Die schwedischen Maßnahmen sind meines Erachtens die rationalsten weltweit”, sagte Lohse. Natürlich stelle sich die Frage, ob sie psychologisch durchzuhalten seien. “Anfänglich müssen die Schweden mit deutlich mehr Todesfällen rechnen, die sich aber mittel- bis langfristig dann deutlich reduzieren.” Schweden geht bisher mit freizügigeren Maßnahmen als etwa Deutschland oder seine skandinavischen Nachbarn Dänemark und Norwegen gegen die Corona-Pandemie vor, verfolgt aber ebenso das Ziel, die Ausbreitung des Virus möglichst zu verlangsamen.
Der UKE-Mediziner setzt auf eine Herdenimmunität. Da es auf die Schnelle keinen Impfstoff geben werde, müsse dabei einerseits die gefährdete Bevölkerung effektiver als bisher geschützt und andererseits zugelassen werden, "dass sich in der jüngeren Bevölkerung eine natürliche Immunität gegen das Virus entwickelt".
UKE-Direktor spricht sich für Öffnung der Kitas aus
"Wir wissen, dass für Kinder und Jugendliche die Erkrankung milde verläuft oder ganz ohne Symptome. Covid-19 ist eine Erkrankung, die vor allem bei Älteren diagnostiziert wird", sagte Lohse. Gerade bei den Kindergärten seien auch die Eltern noch nicht in einem Risikoalter. Eine Öffnung der Kitas ginge aber "nur mit der klaren Ermahnung, dass diese Kinder dann nicht am Abend die Großeltern besuchen".
Reisebeschränkungen, wie sie derzeit zwischen Bundesländern und europäischen Staaten gelten, hält Lohse für unsinnig: “Die Reisebeschränkungen sind mir schleierhaft – wie auch die Kontrollen an den Grenzen der Bundesländer.” Die Durchseuchung in Europa sei mehr oder weniger ausgeglichen. Vor Lohse hatte bereits der Leiter der UKE-Klinik für Intensivmedizin, Prof. Stefan Kluge, für eine Lockerung der Auflagen noch im April plädiert.
Berufsverband beklagt Bußgelder zur Durchsetzung des Prostitutionsverbots
Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen beklagte sich unterdessen über “drakonische Bußgelder zur Durchsetzung des Prostitutionsverbots” während der Corona-Pandemie. So gebe es in Hamburg etwa keine Differenzierung zwischen dem Betreiber eines Bordells und einer Prostituierten. Beide würden bei Missachtung der Auflagen mit 5000 Euro zur Kasse gebeten – im Wiederholungsfall sogar mit bis zu 25.000 Euro.
“Die hohen Strafen stürzen jene in den Ruin, die bereits ganz unten sind”, klagte der Verband. Sie führten nicht zu einem Rückgang von Sexarbeit, sondern zu einer Verschlimmerung der Lage von Prostituierten, die aus der Not heraus gegen die Verordnung verstießen. Der Verband forderte deshalb eine Reduzierung der Bußgelder auf maximal 150 Euro und einen Ermessensspielraum für Behörden, um es beim ersten Verstoß auch bei einer Ermahnung bewenden lassen zu können.
RND/dpa