Weihnachten allein: Was hilft bei Einsamkeit an den Festtagen?
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Kerzen brennen an einem festlich geschmückten Weihnachtsbaum.
© Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Weihnachten gilt als Familienfest. Doch viele ältere Menschen verbringen den Heiligabend allein zu Hause: Weil sie keine Angehörigen mehr haben oder diese zu weit entfernt wohnen. Zu den Feiertagen fühlen sich Senioren und Seniorinnen oft besonders einsam. Sabrina Odijk ist Abteilungsleiterin für Soziales Ehrenamt bei der katholischen Hilfsorganisation der Malteser. Die Malteser schaffen das ganze Jahre über Angebote für ältere Menschen, die alleine leben und keine sozialen Kontakte mehr haben. Dazu gehören Ausflüge oder Seniorentreffen, außerdem bieten die Malteser Alleinstehenden Unterstützung beim Einkaufen an. In der Vorweihnachtszeit gibt es Aktionen, bei denen Kinder für Seniorinnen und Senioren Bilder malen und kleine Päckchen packen.
„Bei den Senioren, zu denen wir Kontakt haben, rufen wir auch mal an und fragen, wie es ihnen geht“, sagt Odijk. Solche Gesten würden grundsätzlich mit sehr großer Dankbarkeit angenommen. Im Gespräch werde dann oft deutlich, dass ältere Menschen gerade zu den Feiertagen den verstorbenen Partner vermissen, oder die Familie, die nicht so oft kommen kann. Und natürlich gebe es auch viele, die niemanden mehr haben. Doch warum fällt das Alleinsein zu Weihnachten eigentlich so besonders schwer?
„Weihnachten wird mit Gemeinsamkeit verbunden, mit Geselligkeit, dem gemeinsamen Essen und Trinken“, sagt Odijk. „Wer allein ist, bei dem löst das Erinnerungen an andere Zeiten aus, an Feste, die er oder sie vielleicht mit der Familie erlebt hat. Noch dazu gibt es um die Feiertage herum nur wenig Zerstreuung: Es ist früh dunkel und die Geschäfte haben zu. Und im Fernsehen werden ständig Filme gezeigt, die eine heile Welt vorspiegeln. Das verstärkt es oft noch.“ Jeder kennt sie, die typischen Weihnachtsfilme, in denen alle immer nur kurze Zeit einsam sind. Als Happy End feiern am Ende alle zusammen. Im echten Leben ist das anders. Viele alte Menschen würden sich zwar Gesellschaft wünschen, müssen die Feiertage aber alleine verbringen.
Odijks erster Ratschlag für die Betroffenen: In seinem Umfeld Kontakte suchen, etwa zu Nachbarn, die vielleicht auch alleinstehend sind. Manchmal könnten ehrenamtliche Helfer und Helferinnen von den Maltesern dabei auch die Brücke schlagen. „Viele, die es noch können, fühlen sich auch gut dabei, etwas für andere zu tun und sich zu engagieren. Auch hier könnte man zum Beispiel einfach den Nachbarn eine kleine Freude machen.“
Gesprächsangebote speziell für ältere Menschen
Wer sehr darunter leidet, dass er Weihnachten nicht mit seiner Familie verbringt, könne auch das Gespräch mit den Kindern suchen – ohne Vorwürfe, aber offen, rät Sabrina Odijk: „Auch wenn das natürlich viel Mut erfordert.“ Nicht zuletzt rät Odijk, digitale Angebote zu nutzen und per Videoanruf mit weiter entfernten Freunden oder Verwandten zu sprechen. „Ich empfehle, sich ruhig mal von den Enkelkindern Skype zeigen zu lassen.“
Was können ältere Menschen selbst noch tun, die während der Feiertage an starken Einsamkeitsgefühlen leiden? Ist es eine gute Idee, Weihnachten auch alleine zu „feiern“, es sich nur für sich selbst schön zu machen, mit Essen und gutem Wein oder Weihnachtsdekoration? Das sei wohl eher etwas, das bei jüngeren Menschen funktioniert. Bei Älteren glaubt Odijk eher nicht, dass sie Weihnachten allein dadurch besser ertragen. „Wer jetzt alt ist, ist immer für andere da gewesen.“ Anstatt zu versuchen, nur für sich alleine ein festliche Atmosphäre zu schaffen, könne es dann sogar besser sein, sich abzulenken. „Viele ignorieren Weihnachten auch einfach.“
Älteren Menschen, die von Einsamkeit betroffen sind, helfe es außerdem oft schon, wenn ihnen einfach nur jemand zuhört. „Es gibt Dinge, wie Schmerzen und Krankheit, die kann man nicht wirklich ändern“, sagt Odijk. Dennoch tue es den Betroffenen gut, mit jemandem darüber zu reden. Die Malteser bieten einsamen älteren Menschen „Telefonbesuche“ an: Ein- bis zweimal wöchentlich werden sie auf Wunsch angerufen und können sich unterhalten. Direkt mit jemandem sprechen können ältere Menschen zudem über die Hotline der Initiative Silbernetz (siehe unten). Manchmal falle das Zuhören einer ehrenamtlichen Kontaktperson leichter als der eigenen Familie: „Angehörige bekommen da schnell eine schlechtes Gewissen“, sagt Odijk.
Einsamkeit sollte kein Tabuthema sein
Das schlechte Gewissen spiele auch bei Geschenken oft eine Rolle. Wer Weihnachten nicht mit seinen Eltern verbringt, könne ihnen zwar tatsächlich mit einer Aufmerksamkeit eine Freude machen. Dabei sollte aber nicht das Gefühl, etwas wettmachen zu müssen, im Vordergrund stehen: „Es gibt ja oft auch gute Gründe dafür, dass eine gemeinsame Feier nicht möglich ist“, sagt Odijk. Am besten seien Geschenke mit einer persönlichen Note, über die man sich Gedanken gemacht hat – selbst gebackene Kekse zum Beispiel oder eine selbst zusammengestellte Musik-CD.
Die Corona-Pandemie sei im vergangenen Jahr nur selten der entscheidende Grund für Einsamkeit an den Festtagen gewesen, sagt Odijk. Das sei im Jahr 2020 vor der Einführung der Impfung noch anders gewesen: „Da haben viele ihren Eltern Angst gemacht und regelrecht verboten, das Haus zu verlassen, und ihnen nur das Essen vor die Tür gestellt“, erinnert sie sich. Unter den Lockdowns hätten viele Senioren und Seniorinnen stark gelitten. „Es sei doch egal, ob man nun an Corona oder ob man Einsamkeit stirbt, hat mir da jemand gesagt, das hat mich sehr berührt“, erinnert sich Odijk. „Immerhin gibt es seitdem mehr Aufmerksamkeit für das Thema Einsamkeit. Es ist normalerweise sehr schambesetzt. Durch Corona wurde es etwas enttabuisiert.“
Ein wichtiger Prozess, findet Odijk: „Einsamkeit gibt es nicht nur zu Weihnachten und sie betrifft nicht nur ältere Menschen. Es kann jeden betreffen und es gibt sie in jedem Alter. Ältere haben nur weniger Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun, denn je immobiler man wird, desto schwieriger wird es, unter Leute zu gehen. In jedem Fall brauche sich niemand zu schämen, einsam zu sein: „Es sollte gesellschaftsfähig sein, darüber zu sprechen.“
Angebote für Menschen die zu den Feiertagen an Einsamkeit leiden:
Die Telefonseelsorge ist für Menschen in Krisensituationen rund um die Uhr erreichbar: Per Telefon 0800 / 111 0111, 0800 / 111 0222 oder 116 123 und per Mail und Chat online.telefonseelsorge.de.
Kein Krisentelefon, aber ein Gesprächsangebot für ältere alleinstehende Menschen ist der „Telefonbesuch“ der Malteser. Unter der Telefonnummer 0221 / 9822 9506 kann ein Telefonbesuch angefragt werden, außerdem wird für viele Orte eine Einkaufshilfe angeboten.
Jeden Tag zwischen 8 und 22 Uhr erreichbar sind Gesprächspartner für ältere Menschen über das Telefon der Initiative Silbernetz unter der Nummer 0800 / 4 70 80 90. Von Heiligabend und bis Neujahr ist die Hotline sogar 24 Stunden lang freigeschaltet.