Adventsbetrug am Volk
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Rote Weihnachts-Kugeln an einem Stand am Nürnberger Christkindlesmarkt.
© Quelle: dpa
Berlin.
Im Advent warten wir auf die Ankunft des Herrn. Und zwar nicht auf die Ankunft des Herrn Schulz in der ergebnisoffenen GroKo-Vorsondierungsvorbereitungsgruppe und auch nicht auf die Ankunft des Herrn Söder in der kleinen Krawallbürsterei, sondern wir warten auf das Christkind, also unseren Herrn Jesus Christus. Der wurde am 24. Dezember in einem Stall in den Palästinensischen Autonomiegebieten geboren, und zwar von der Jungfrau Maria. Wir erwähnen das nur für unsere atheistischen Leser.
Damals flogen auch ständig Engel durch die Lüfte, deshalb essen wir zu Weihnachten so gerne Geflügel. Die Adventszeit ist praktisch das Wartezimmer vom Stall zu Bethlehem. Und die Wartezeit kann eigentlich gar nicht lange genug sein, denn es gibt jede Menge zu tun. Wir müssen uns in einen gepflegten komsumrauschhaften Zustand versetzen. Das „Adventsfest der 100 000 Lichter“ mit Florian Silbereisen muss geistig verarbeitet werden, dazu drei Weihnachtssendungen mit und 30 ohne Carmen Nebel. Doch in diesem Jahr reicht die Wartezeit hinten und vorne nicht, weil der erste Advent schon im Oktober war, jedenfalls haben wir den gar nicht mitbekommen, der zweite ist auch schon passé, und der vierte Advent fällt auf den 24., also praktisch aus.
Uns bleibt jetzt also nur noch der dritte Advent, um anständig besinnlich zu werden und Herzen und Lebern weit zu machen. Das ist Adventsbetrug an der wartenden Bevölkerung, denn diese Zeit ist einfach zu knapp für die Glühwein erzeugende Industrie, um ihre Jahresproduktion in die trinkbereiten, ergebnisoffenen Bürger zu verklappen.
Hans Zippert, Ex-Chefredakteur der „Titanic“, ist Satiriker und Autor.
Von Hans Zippert