Banditen, Blutfluss und Blessuren - Guy Ritchies “The Gentlemen” starten im Kino
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Er will ehrbar werden, manche haben etwas dagegen: Matthew McConaughey als Englands größter Marihuanaseller Mickey Pearson.
© Quelle: Universum
Eben noch hatte man sich auf einen netten Film mit Matthew McConaughey gefreut. Der kam in eine Kneipe, bestellte sich am Tresen einen Bourbon. Und nur eine Minute später fiel dann ein Schuss und Blut sprenkelte McConaugheys Glas. Sapristi! Es scheint, als habe seine ruchlose Vergangenheit den Amerikaner in England, den Ex-Oxfordstudent und Drogendealer Mickey Pearson eingeholt und zu Fall gebracht. Ende der Geschichte gleich nach dem Vorspann - gäbe es nicht das Stilmittel der Rückblende.
Hugh Grant als schmieriger Detektiv ist ganz große Komödie
Diese zu ermöglichen, treffen sich zwei Leute. Mickeys Erster Offizier Raymond (Charlie Hunnam) und ein gegen den Strich gecasteter Hugh Grant als schmieriger Detektiv Fletcher in hässlicher brauner Lederjacke. Grant, im wahren Leben zuletzt hauptsächlich als Kämpfer gegen Rupert Murdochs News Corporation und deren unsaubere journalistische Methoden gefeiert, liefert in der Rolle des windigen Ermittlers für einen windigen Zeitungsherausgeber ganz große Komödie.
Freundlich gesinnt wirkt dieser Fragende zwar, aber das Lächeln lässt immer wieder höchste Bedrohung durchblitzen. Fletcher fletscht die großen weißen Zähne – er würde, sagt er, von der Weitergabe aller Materialien an seinen Auftraggeber absehen – bekäme er dafür 20 Millionen Pfund.
Gangster Mickey will sein Marihuana-Imperium versilbern
Einem Imperium ist er auf die Schliche gekommen. Mickey hat sich über 20 Jahre hinweg ein geheimes Marihuana-Reich aufgebaut. Er griff der notleidenenden britischen Aristokratie beim Erhalt ihrer kostspieligen Familiensitze finanziell unter die Arme, und durfte dabei auf deren abgeschiedenen Anwesen seine illegalen Grasfarmen errichten, die die englische Polizei bislang vergeblich suchte.
Gerade war Mickey im Begriff gewesen, sich für 400 Millionen Pfund von seiner kriminellen Vergangenheit loszusagen, seine Pfründe zu verkaufen, mit seiner kühlen Gattin Rosalind (Michelle Dockery, die Lady Mary aus „Downton Abbey“) ehrbar zu werden. Rivalisierende Kaufinteressenten – voran der ehrgeizige Berger (Jeremy Strong) und der brutale Chinese Dry-Eye (Henry Golding) – erwarteten beide den Zuschlag. Und weil es nur einen geben kann, der Klügere aber nicht nachgibt, wird viel zugeschlagen in diesem Film, gibt es reichlich Blutfluss und Blessuren, und die knallkomischen Heerscharen von Banditen, Trotteln, Boxern, Rappern, Reportern und rabiaten Russen lassen die zwei Stunden jenes Erbschaftsstreits im Nu verfliegen.
Regisseur Ritchie spielt wieder in der "Bube, Dame, König, Gras"-Klasse
Wobei Ritchie es in „The Gentlemen“ ein ums andere Mal bravourös versteht, seine Zuschauer zu überraschen.
Überhaupt ist diese weitgehend gelungene Gangsterkomödie (im Original im Cockney-Slang) die Rückkehr des einst als „britischer Tarantino“ gefeierten Regisseurs zu alter Form. Möglicherweise hat Ritchie zuletzt bei der TV-Serienfassung seines Kultfilms „Snatch“ zum Underground-Spirit seiner frühen Tage zurückgefunden. Der Regisseur einigermaßen gelungener Mainstreamstreifen wie den „Sherlock Holmes“-Krimis mit Robert Downey Jr. spielt hier wieder in der eigenen „Bube, Dame, König, Gras“-Klasse.
Derbe Ulknummer mit Eddie Marsan und einem Schwein
Dabei wirkt Richie, dessen Figuren jedwede politische Korrektheit vermissen lassen, stets originell, ohne es dabei auch immer wirklich zu sein. Die derbe Ulknummer mit dem kleingeistigen Zeitungschef Big Dave (der großartige Eddie Marsan) etwa, dem ein kompromittierendes Video mit einem Schwein zu spontaner Leichenblässe verhilft, kennen beflissene TV-Maniacs ganz ähnlich aus der Serie „Black Mirror“.
Eine Art Landkarte durch den erzählerischen Irrgarten dieses Films bräuchte man – das jedenfalls ist das Gefühl, von dem der Betrachter nach den ersten 20 Minuten Hochgeschwindigkeitsgeschwätzigkeit geflutet wird. Durchsteigen unmöglich? Nun, der Plot ist tatsächlich verflixt vertrackt, aber Ritchie löst im Lauf der 113 Minuten alles ganz smart auf.
Dabei berichtet er eigentlich nichts Neues – dass die Linie zwischen Hochwohlgeborenen und Gangstern nämlich manchmal kaum eine Haaresbreite beträgt.
Die Brauerei, die die Kneipe beliefert, in der der erste Schuss des Films fällt, heißt übrigens „Gritchie“. Prost, Mr. Ritchie! Auf Ihr Comeback!
„The Gentlemen“, Regie: Guy Ritchie, mit Matthew McConaughey, Hugh Grant, Charlie Hunnam, Michelle Dockery, 113 Minuten, FSK 16