Bayernwahl: „Für eine Schurkenrolle ist die AfD allemal geeignet“
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Setzt sich für eine bunte Gesellschaft ein: Filmemacher Christian Lerch.
© Quelle: Adrian Schätz
München. Mit "Wer früher stirbt ist länger tot" (2016) landete er als Co-Autor einen Kinohit. Auch schon mit "Räuber Kneißl" (2008) machte sich der Filmemacher Christian Lerch einen Namen weit über die bayerische Landesgrenze hinaus. Bekannt ist der 52-Jährige aber auch für sein Engagement für eine bunte, weltoffene Gesellschaft. Mit der "Künstler mit Herz"-Initiative hat er jüngst den Anti-AfD-Song "Mia ned" realisiert. Ein viraler Hit, der millionenfach im Netz geklickt wurde. Klar, dass Lerch auch bei der Bayernwahl vergangenen Sonntag ganz genau hingeschaut hat.
Wenn Sie die Bayernwahl verfilmen müssten – wer wäre der Bösewicht, wer der Publikumsliebling?
Die Grünen wären selbstverständlich der Publikumsliebling. Die haben einen wunderbaren Wahlkampf hingelegt, haben es geschafft, sich als neue Volkspartei in Bayern ins Gespräch zu bringen mit klaren Sachthemen und Glaubwürdigkeit, und haben so auch bei uns Kulturschaffenden viele Sympathiepunkte gesammelt. Mit dem Duo Söder/Seehofer, ihrem Schlingerkurs und ihrer Streitsucht hätten wir definitiv zwei Bösewichter am Rand. Dann wäre da noch die AfD – auch wenn sie „nur“ 10,2 Prozent bekommen hat und zumindest in der Münchner Runde etwas lahmt. Aber für eine Schurkenrolle ist sie allemal geeignet.
Die AfD hat auf gewisse Ängste gesetzt, die nicht nur deren Anhänger hegen: Etwa die Hälfte der Bayern macht sich laut Umfrage von Infratest Dimap Sorgen, dass der Einfluss des Islams zu groß werden und dass die bayerische beziehungsweise die deutsche Kultur nach und nach verloren gehen könnte.
Unsere Kultur ist eine Weltkultur – genauso wie der Islam. Flüchtlingswellen gab es schon immer. Die bayerische beziehungsweise deutsche Kultur ist seit je her eine Mischform aus vielen Strömungen. Deswegen finde ich diese überlederhosigen "Mia-san-mia"-Sprüche, die man in Bayern oft hört, sehr problematisch und sehe die von der AfD gern geschürten Sorgen in der Gesellschaft als gefährliche Tendenz. Wir als Künstler versuchen dagegenzuhalten, indem wir eine allgemeine Weltoffenheit anmahnen, aber auch die Vielfalt und dessen positive Auswirkungen zeigen – mit unserer Arbeit, aber auch mit unserer Initiative "Künstler mit Herz". Wir sind mittlerweile über 200 Kultur-und Medienschaffende, die sich für ein buntes Bayern und Deutschland einsetzen. Aktuell mit dem millionenfach geklickten "Mia-ned"-Song, bei dem wir uns das AfD-Parteiprogramm mal ganz genau angeschaut haben.
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Sie haben zuletzt für ihren Dokumentarfilm „B12 – Gestorben wird im nächsten Leben“ jahrelang Stammgäste einer Autobahnraststätte und ihre Gespräche begleitet und erhalten auch mit ihren Heimatfilmen wie „Wer früher stirbt ist länger tot“ tiefe Einblicke in die Gesellschaft. Wie ist das Ergebnis der Wahl zu erklären?
Deutschland und Bayern geht es wirtschaftlich gut, und dennoch können sich ausgrenzende Haltungen in Teilen der Gesellschaft etablieren, auf die eine Polit-Elite reagiert, die die Nähe zum Volk scheinbar verloren hat. Das geht auch durch andere politische Lager. Das ist nicht nur in der CSU der Fall. Durch die fehlende Bindung zur Basis wechseln viele ins rechte Lager. Sie nehmen die schlichten Parolen für komplexe Probleme – in der Annahme „Die richten uns das jetzt“ – dankend an. In der Raststätte, in der wir gedreht haben, ist ein reger politischer Diskurs zugange. Das sind keine studierten Menschen, aber sie hinterfragen immer wieder die Politik, die Gesellschaft – und eben auch sich selbst. Da lehnt sich der eine auch mal weit nach rechts, wird aber durch das Gespräch vom anderen argumentativ wieder zurückgeholt. So sollte es überall sein, ist es aber nicht.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Wahl war ein Erdrutsch und Weckruf zugleich. Jetzt wird natürlich erstmal auf Hessen geschaut. Und dann auf die Auswirkungen in Berlin. Die CSU wird sich in Bayern aller Voraussicht nach wohl mit den Freien Wählern zusammentun. Da wird sich nicht viel bewegen. Spannender wäre es gewesen, wenn man die Herausforderung angenommen, sich mit den Grünen zusammengetan und die alten, verkrusteten Haltungen tief in den Partei-Schichten aufgebrochen hätte. Das wird nach jetzigem Stand nicht der Fall sein – und ich weiß nicht, ob der CSU das auf lange Sicht guttut. Mir persönlich liegt es auf jeden Fall sehr am Herzen, dass die mitfühlende Menschlichkeit in der Politik nicht zu kurz kommt. Dass nicht mit diesen schlichten, harten und ausgrenzenden Lösungen mancher Politiker bestimmte Instinkte bei den Wählern bedient werden. Dafür müssen wir als Künstler mit unseren Aktionen sorgen.
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Von Amina Linke / RND