“Bleibt in Sicherheit”: Pop und die Corona-Krise

Die Ärzte singen in ein “Lied für Jetzt” über die Corona-Krise.

Die Ärzte singen in ein “Lied für Jetzt” über die Corona-Krise.

Pop hält für gewöhnlich Distanz, wenn es um Politik geht. Normalerweise schaut er den Mächtigen auf die Finger und kritisiert sie. Beispiele für das “Anti” der Popmusik gibt es viele: Vietnam, Atomkraft, Aufrüstung, Flüchtlingsströme, Donald Trump. In der Corona-Krise ist das anders. Musiker und Bands, durch Tourneeabsagen und Studioschließungen quasi arbeitslos, helfen derzeit im Homeoffice den Offiziellen mit Corona-Songs dabei, die Welle der Pandemie flach zu halten. Pop singt davon, warum man daheim bleiben muss, obwohl es nervt. Ein Schulterschluss der Vernunft, der manchmal sogar zu Wiedervereinigungen führt.

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Phil Laude, TC und OG etwa waren lange weg und sind jetzt wieder da. Sie waren in den frühen Zehnerjahren als Y-Titty die Könige von YouTube-Deutschland und lösten sich 2015 im Streit auf. Ihre zweite Single war 2012 “Der letzte Sommer” gewesen, eine kleine, elektronisch grundierte Geschichte vom Ende der Welt. Damals war der Globus in Aufregung wegen des Kalenders der alten Maya, dessen auf 2012 datierter Ablauf möglicherweise auf die Apokalypse hinwies. “Keine Tabus, morgen sind wir alle tot”, juxte das Trio damals. Und: “Drum feiern wir so richtig / wir gehen sowieso drauf / Wenn der Meteor einschlägt / setzt die Partyhüte auf!” Der Meteor kam nicht, war alles nur ein Irrtum, der Song aber kam immerhin bis Platz 15 in den deutschen Charts.

Phil Laude mit echtem Pianounterbau

Acht Jahre später meldet Phil Laude sich nun zurück mit der “2020 Corona Edition” des selben Lieds. Alles ist diesmal musikalisch schön handgemacht – mit echtem Pianounterbau statt Computerklängen. Und diesmal geht es um das Virus, das die Welt in Untergangsängste versetzt: “Wenn die Welt untergeht, ist Homeparty-Alarm”, singt der alte YouTube Dummy Laude (die Langversion des Namens Y-Titty), nachdem er sich den Mundschutz von den Lippen gezogen hat, um sodann alle Endzeittänzer mit Vernunft auszubremsen: “Doch wir gehen heut‘ nicht feiern, sonst geht Oma drauf.” Die Mangelware Toilettenpapier ist natürlich auch Thema, wie auch andere gegenwärtige Mangelwaren – Nudeln oder Kondome. Und: OG und TC werden per Handyvideo zugespielt – vielleicht beschert diese Visualisierung von Distanz und Nähe dem Trio ja ein Comeback. 640.000 Aufrufe waren es heute morgen (2. April) für den Song bei YouTube.

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Die Ärzte schlagen Kuchenbacken vor

Schädlinge bekommen sonst höchstens mal einzelne Songs ab – der amerikanische Rhythm-’n’-Blues-Musiker Brook Benton aus South Carolina etwa besang 1960 mit “Boll Weevil” den Baumwollkäfer, die Doors hatten nach dem Tod ihres Sängers Jim Morrison 1972 einen letzten Hit mit “The Mosquito”. Mit Corona-Songs dagegen könnte man jetzt schon ganze Alben füllen. “Die Kanzlerin bittet mich, Bela, bleib zuhaus / es gibt doch jetzt täglich ‘Die Sendung mit der Maus’”, so heißt es im von Akustikgitarre getragenen “Lied für Jetzt” von den Ärzten. Dass eine Band dieses Namens einen Beitrag zum Thema quasi als künstlerische Befolgung des hippokratischen Eids versteht, war fast zu erwarten gewesen. Die Ärzte schlagen Kuchenbacken, Tanzen und Drogeneinnehmen als heimischen Zeitvertreib vor und spielen mit dem Narrativen des in Laboren designten Virus: “Ich sitze Zuhause und langweile mich / wer so’n Virus erfindet, der ist doch nicht ganz dicht / Kein Defender-Manöver, das stimmt immerhin froh / doch was die Welt dringend braucht / ist ein sauberer Po. / Ich zünd mir ne Cohiba an, mit Klopapier statt Geld / denn so n bisschen Quarantäne / ist nicht die schlimmste Sache der Welt.” Ein neues Ärzte-Album, so verkünden sie in der letzten Strophe, entsteht derzeit in den vier Wänden der “besten Band der Welt”. Ärzte ohne Grenzen, die im Video getrennt voneinander musizieren, wie es die . Fast drei Millionen YouTube-Einträge hatte das Lied heute früh (2. April).

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Frei.Wild erinnern an Plastikmüll

Die sich aus dem Rechtsverdacht strampeln wollenden Frei.Wild setzen bei ihrem Lied “Corona – Weltuntergang” wie die Ärzte auf das heimelige Klangbild von Klampfen. Dem Song merkt man an, dass er schon ein paar Wochen alt ist, denn die Leute um Philipp Burger sind noch alle Seit‘ an Seit‘ im Aufnahmeraum vereint. Die Südtiroler weisen zwar in eine Zukunft nach aller solidarischen Selbstbeschränkung (“Doch alles hat ein Ende, alles wird wieder gut”), aber im Kern geht es um die Lust der Menschen auf den jeweils neuesten Angstmacher, dass Corona alle großen Themen wie Flüchtlinge, #metoo, Klimawandel, Thüringen-Wahl und Brexit in die Ecke stellt. Und wenn es dann eines Tages wieder gut geworden ist, schließt Burger fatalistisch, “dann verschließen wir die Augen vor all den Menschen in echter Not”. Und dann erinnern Frei.Wild noch an den Plastikmüll in den Ozeanen: “Dann liegen zehn Milliarden Masken / wieder im Meer in der Flut.” Seit dem 5. März hat das Video (Stand: 2. April) knapp vier Millionen YouTube-Aufrufe bekommen.

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Luisa Martinez macht Synthpop

Zu Verantwortung ruft Luisa Martinez mit ihrer Ballade “Dumm Dumm”. All jenen, die auf dem Virusvulkan heimlich ihre Corona-Partys feiern, singt sie ins Gewissen. “Du sitzt inmitten der Corona-Krise auf ner Wiese / triffst dich dort mit noch mehr dummen Deppen, die es auch nicht checken.” Das Drama der Unachtsamkeit wird konsequent bis zum Tod der infizierten Oma erzählt. Die 34-jährige Krefelderin, bislang hauptsächlich Hochzeitssängerin, könnte es mit diesem Song zu höheren Popehren bringen. Die Melodie ihrer Klage erinnert ein wenig an “Mad World” von Tears for Fears. Eine erste Version hatte sie denn auch direkt auf die Melodie des Synthpopklassikers gesungen, woraufhin die Briten das Stück prompt aus dem Netz nehmen ließen. “Das Problem der Welt sind Dumme / die voller Selbstbewusstsein sind”, singt Martinez jetzt zu einer dezent anderen Melodie und hat damit auch gleich die allergrößte Not der Menschheit zu allen Zeiten beim Namen genannt.

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Chris Mann interpretiert Wave-Evergreen neu

Wer nennt die Namen, zählt die Corona-Coverversionen? Der Amerikaner Chris Mann, 2012 Vierter bei NBCs Show “The Voice”, hat in aller Eile sowohl Adeles “Hello” als auch Madonnas “Vogue” auf das Thema Virus getrimmt. “My Corona”, seine Adaption des Wave-Evergreens “My Sharona” von The Knack (1979), beginnt Mann stotternd mit einem Begehr nach dem lange verschollenen Klopapier, schildert dann wie er zu Hause mit den schulfrei habenden Kids durchdreht, wie er sich fragt, ob er in der Quarantäne am Ende seine Familie umbringen wird (häusliche Gewalt in Isolationszeiten ist derzeit ein ernst zu nehmendes Thema) und watscht den derzeit als Krisenmanager eher schwerfälligen Präsidenten Trump seiner anfänglichen Sorglosigkeit wegen ab. Vier Millionen Aufrufe gibt es bei YouTube bis jetzt für Manns witziges Video.

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Münsteraner deutscht Beatles ein

Am anderen Ende der Popularitätsstange deutscht die Münsteraner Tributeband Quarrymen Beatles den Uralt-Partykracher “She Loves You (Yeah, Yeah, Yeah)” in “Corona (Nee, nee, nee)” ein. Klingt musikalisch voll nach Beatles, ist textlich aber doch eher dürftig: “Corona – schlimmer kann es gar nicht sein / Corona – keiner kann sich wirklich freu’n” – so geht der Refrain. 769 Aufrufe bis 2. April – echte Hits haben andere Zahlen.

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Freshtorge als Coroni

Lustig geht es YouTube-Legende Freshtorge in “Do the Corona Dance!” (1.750.000 Aufrufe) an. Als Coroni, in ein blaugrünes Nickikostüm gewandtes Maskottchen der Weltgesundheitsorganisation, spult der “Sandra”-Sänger zu fröhlicher Tanzmusik eine Litanei der Gesundheitsvorsorge ab, die vor allem jüngere Zuschauer zum Mithüpfen zu Hause bringen könnte.

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Sesamstraße erinnert an Handhygiene

Der Zeichentrick-Elmo aus der Sesamstraße bringt mit dem “Washy Wash Song” Kindern in Amerika die derzeit nötige Handhygiene bei. Die vorige Zuschauergeneration der Vorschulserie erinnert sich daran, dass es 2011 im Original – “Brushy Brush” – ums Zähneputzen ging.

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Bobi Wine kritisiert Politik

Corona-Songs schießen rund um die Welt aus dem Boden. Auch der ugandische Sänger Robert Kyagulanyi Ssentamu alias Bobi Wine singt im aufklärerischen Song “Corona Virus Alert” über Symptome der Krankheit Covid-19 und Verhalten, mit dem andere geschützt werden können. “Prevention is better than cure”, heißt es in dem swingenden Stück. Und Bobi Wine nutzt die Popularität seines Songs in der Heimat, um die Regierung seines und anderer afrikanischer Länder für langjährige ungenügende Gesundheitsvorsorge zu kritisieren: “Sie haben schwer in Waffen investiert und schwer darin, die Stimmen ihrer Menschen abzuschneiden”, sagte er Ende März in einem Interview mit der Agentur Associated Press. Noch sind die Infiziertenzahlen in Uganda zweistellig, darunter ein 18 Monate altes Baby. Aber die Prognosen sind düster.

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Bob Dylan nach acht Jahren zurück

Auch ganz alte Hasen der Rockmusik mischen mit. Zum ersten Mal seit acht Jahren hat Bob Dylan mit “Murder Most Foul” ein Lied aus eigener Feder veröffentlicht. 17 Minuten dauert das zur großen Sorge seiner Fans ohne zugehörigen physischen Tonträger veröffentlichte Songmonster, das – ausgehend von der Ermordung John F. Kennedys – durch die folgenden Jahrzehnte rauscht und dabei immer mehr an Energie gewinnt (bisher knapp 2,3 Millionen Aufrufe). Direkt mit der Corona-Krise hat der Inhalt des Liedes zwar nichts zu tun, aber die Pandemie ist der Veröffentlichungsanlass. Dylan verweist auf die verlässlichen Kräfte der Musik in dunklen Zeiten und lässt seinen Fans ein paar Worte zu Selbstschutz und (politischer) Wachsamkeit zukommen: “Bleibt in Sicherheit, bleibt aufmerksam und Gott soll mit euch sein.”

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