Das sagen neue Bücher über den Denker Marx

Ein Gemälde von Marx in Trier.

Ein Gemälde von Marx in Trier.

Hannover. Wie soll man Marx betrachten? Als Denker in seiner Zeit oder aus der Perspektive von heute? Was war er eigentlich mehr, Philosoph oder Ökonom? Wir haben einen kleinen Überblick zur aktuellen Marx-Literatur für Sie zusammengestellt.

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Gareth Stedman Jones: „Karl Marx“

War Marx Marxist? Die Frage gehört zum am 5. Mai 1818 geborenen Philosophen dazu wie Friedrich Engels und „Das Kapital“. Gareth Stedman Jones beantwortet die Frage mit Nein, zum Marxisten habe ihn erst die Nachwelt gemacht. Konsequenterweise nennt der britische Historiker Marx in seiner Biografie einfach nur Karl. Stedman Jones richtet stattdessen sein Augenmerk auf Karl Marx in der politischen und ideengeschichtlichen Situation seiner Zeit. So wird deutlich, wie Marx Antworten auf die Fragen seiner Epoche gesucht hat und wie er sich dabei von Hegel und Feuerbach hat beeinflussen lassen. Eine bemerkenswerte Biografie, aus der der Leser viel Kapital schlägt.

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Gareth Stedman Jones: „Karl Marx. Die Biographie“. S. Fischer. 896 Seiten, 32 Euro

Iring Fetscher: „Marx. Eine Einführung“

Eine immer noch hervorragende Einführung in Leben und Werk von Karl Marx ist Iring Fetschers Buch „Marx“. Erschienen erstmals 1999, ist es nun in einer Suhrkamp-Neuauflage erhältlich. Fetscher führt den Leser durch Lebensstationen des Philosophen, lässt aber oft dessen Schriften zu Wort kommen. Dabei geht es zum einen natürlich um die Großwerke wie „Das Kapital“ oder das „Kommunistische Manifest“, aber auch um Marx‘ Zeitungsreportagen über die Debatten um das „Holzdiebstahlsgesetz“ im Rheinischen Landtag. Ergänzt wird Fetschers Einführung durch seinen Essay „Liberaler, demokratischer und marxistischer Freiheitsbegriff“ aus dem Jahr 1967. Und abgedruckt ist amüsanterweise auch ein Fragebogen, in dem Karl Marx unter anderem über seine Lieblingstugend, seine Lieblingsbeschäftigung und seine Lieblingsessen Auskunft gibt. Eines soll hier verraten werden: Seine Lieblingsblume war Lorbeer.

Iring Fetscher: „Marx. Eine Einführung“. Suhrkamp. 159 Seiten, 17 Euro

Thomas Steinfeld: „Herr der Gespenster“

Den Journalisten Thomas Steinfeld interessiert weniger das Leben als das Werk Karl Marx‘. Steinfeld, Jahrgang 1954, kommt aus einer Generation, die an den Universitäten noch ausführliche Marx-Seminare erlebt hat. Steinfeld will wissen, wie unsere heutige kapitalistisch geprägte und durchwirkte Welt mit und durch Marx besser zu verstehen ist. Dafür geht er zurück zu den Schriften, denn: „Es klafft eine weite Lücke zwischen dem Ruf, den Karl Marx und sein Werk noch Jahrzehnte nach dem Untergang des real existierenden Sozialismus besitzen, und der Kenntnis seiner Schriften“, wie Steinfeld betont. Karl Marx ist aus heutiger Sicht zweierlei: Revolutionär und Theoretiker. Über den Revolutionär ist die Zeit hinweggegangen. Wie aktuell aber die Theorien des Trierers heute noch sind, beschreibt Thomas Steinfeld in seinem Buch.

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Thomas Steinfeld: „Herr der Gespenster. Die Gedanken des Karl Marx“. Hanser. 287 Seiten, 24 Euro

Terry Eagleton: „Warum Marx recht hat“

Der katholische Marxist und Literaturwissenschaftler Terry Eagleton nimmt sich in seiner Schrift die seiner Ansicht zehn gängigsten Kritikpunkte an Marx vor, um sie zu widerlegen versuchen. Eagleton betont, er sei keiner jener Linken, denen keine Kritikpunkte zu Marx einfallen. „Doch er hatte in so vielen Fragen recht, dass es gute Gründe gibt, sich als Marxist zu bezeichnen.“ Er wolle nicht beweisen, „dass Marx‘ Ideen vollkommen sind, sondern nur zeigen, dass sie plausibel sind“. Und so arbeitet sich der große Polemiker Eagleton an Kritikpunkten wie „Der Marxismus mag ja in der Theorie sehr schön sein. Doch immer, wenn er in die Praxis umgesetzt wurde, war das Ergebnis Terror, Tyrannei und Massenmord unvorstellbaren Ausmaßes“ oder „Marxisten propagieren gewaltsame politische Aktionen. Sie lehnen den vernünftigen Weg gemäßigter, schrittweiser Reformen ab und befürworten stattdessen das blutige Chaos der Revolution.“ Ein bisschen mehr Tiefe hätte dem Buch bei aller Polemik und Argumentationsfreude allerdings gut getan.

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Terry Eagleton: „Warum Marx recht hat“. Ullstein. 288 Seiten, 12 Euro

„Es kommt darauf an, die Welt zu verändern. Ein Marx-Lesebuch“

Nach einer Einleitung versammeln diese Sammlung Auszüge aus wichtigen Werken von Karl Marx. Von den „Debatten über Preßfreiheit“ über das „Kommunistische Manifest“ bis hin zur „Kritik des Gothaer Programms“, mit dem sich Marxisten und Lassalle-Anhänger zur Sozialistischen Arbeiterpartei (der späteren Sozialdemokratischen Partei) vereinigten, finden sich hier Passagen aus wichtigen Marx-Schriften. Begleitet werden diese von Einführungen, die allerdings selten länger als eine halbe Buchseite sind.

„Es kommt darauf an, die Welt zu verändern. Ein Marx-Lesebuch“. dtv. 464 Seiten, 20 Euro

Karl Marx: „Kritik des Kapitalismus“

Wer die Humboldt-Universität zu Berlin durch den Haupteingang betritt, wird noch immer durch die (mittlerweile denkmalgeschützten) goldenen Buchstaben von Marx‘ 11. Feuerbachthese begrüßt: „Die Menschen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ In der sehr ausführlichen Textsammlung „Karl Marx: Kritik des Kapitalismus“ ist auch diese These zu finden. Das Buch bietet aber Auszüge aus noch sehr vielen anderen Marx-Werken und geht in seiner Auswahl weit über das Pendant aus dem dtv-Verlag „Es kommt darauf an, die Welt zu verändern“ hinaus. Auch die Einführungen sind um ein Vielfaches ausführlicher und gewinnbringender. Allerdings ist die Suhrkamp-Textsammlung wegen des typisch kleinen und engen Schriftbildes der stw-Reihe auch schwieriger zu lesen. Aber wie sagte schon Marx selbst: „Es gibt keine Landstraße für die Wissenschaft, und nur diejenigen haben Aussicht, ihre lichten Höhen zu erreichen, die die Mühe nicht scheuen, ihre steilen Pfade zu erklimmen.“

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Karl Marx: „Kritik des Kapitalismus: Schriften zu Philosophie, Ökonomie, Politik und Soziologie“. Suhrkamp. 666 Seiten, 30 Euro

Christina Morina: „Die Erfindung des Marxismus“

Die Historikerin Christina Morina fragt in ihrem Buch, wie Marx unter die Leute kam, wie aus seinen Schriften der Marxismus wurde. Die in Amsterdam lehrende Wissenschaftlerin wählt dafür die Form des Gruppenporträts. Anhand von neun zwischen 1840 und 1880 geborenen Protagonisten – darunter Karl Kautsky, Eduard Bernstein, Rosa Luxemburg und Wladimir Iljitsch Lenin – erzählt sie, wie aus Marx‘ Ideen eine Bewegung wurden. Dafür wird deutlich, dass laut Morina „das Faszinierende an Marx‘ Werk für die Erfinder des Marxismus weniger in einem utopischen Versprechen“ lag. „Vielmehr überzeugte der realhistorische, analytisch-erklärende Anspruch der Ideen, Begriffe und Argumentationslinien, mit denen Marx die ,kapitalistische Produktionsweise‘ als die Matrix der modernen menschlichen Existenz im Zeitalter der Industrialisierung sichtbar machte.“ Ein kluges und spannendes Buch über die Wege der frühen Marx-Rezeption.

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Christina Morina: „Die Erfindung des Marxismus. Wie eine Idee die Welt eroberte“. Siedler. 587 Seiten, 25 Euro

Jan Gerber: „Karl Marx in Paris“

Als Karl Marx zwischen 1843 und 1845 für 15 Monate in Paris weilte, legte er nicht nur das Fundament für seine Freundschaft mit Friedrich Engels. Er wurde dort erst zum Kommunisten. „Als Karl Marx Mitte Oktober 1843, im Alter von nur 25 Jahren, in Paris eintraf, war er weder Klassenkämpfer noch Kommunist.“ So beginnt Jan Gerbers Buch über Marx‘ ersten Paris-Aufenthalt. Dort entwickelte er auch die Begriffe und Gedanken, die später ins „Kommunistische Manifest“ einfließen sollten. Paris war damals nach London die zweitgrößte Stadt der Welt. Und es war eine Stadt des freien Denkens und Lebens. „Während in den meisten europäischen Ländern seit dem Wiener Kongress die Restauration vorangetrieben wurde, hatte Louis-Philippe I. viele Forderungen der liberalen Bourgeoisie erfüllt“, schreibt Gerber. Eine Stadt, in der auch Karl Marx neu dachte und umdachte. Die Stadt verließ er jedenfalls als überzeugter Klassenkämpfer und Kommunist.

Jan Gerber: „Karl Marx in Paris: Die Entdeckung des Kommunismus“. Piper. 240 Seiten, 22 Euro

Urs Marti-Brander: „Die Freiheit des Karl Marx“

Einen Blick auf die Philosophie von Karl Marx wirft der emeritierte Zürcher Philosophieprofessor Urs Marti-Brander. Ins Zentrum stellt er dabei den Freiheitsbegriff bei Marx. „Menschlich gut könne nur sein, was eine Verwirklichung der Freiheit ist, so hat Marx in jungen Jahren formuliert“, heißt es in dem Buch. Marti-Brander zeigt nun überraschenderweise, dass Marx „ein feineres Gespür für die individuelle und politische Freiheit gehabt als so mancher Liberale in Vergangenheit und Gegenwart.“ Marti-Brander führt weiter aus, als linke gelte gemeinhin eine Politik, die für mehr Gleichheit, Gerechtigkeit und soziale Sicherheit streitet. „Gerade diese Werte stehen für Marx jedoch nicht im Zentrum.“ Marti-Branders Buch ist nicht leicht zu lesen, aber steckt voller Überraschungen und neuer Einsichten.

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Urs Marti-Brander: „Die Freiheit des Karl Marx. Ein Aufklärer im bürgerlichen Zeitalter“. Rowohlt. 384 Seiten, 24 Euro.

Kurt Bayertz „Interpretieren, um zu verändern“

„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Kurt Bayertz, Philosoph und Seniorprofessor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, bezieht sich beim Titel seines Buchs auf Marx‘ 11. Feuerbachthese. Oft ist dieser Satz als eine Abwendung des Trierer Philosophen von der Philosophie verstanden worden. Bayertz aber betont, dass Marx sich programmatisch auf den Boden des Materialismus gestellt hat, sich also nicht wirklich frei von der Philosophie gemacht hat. Dennoch bleiben seine theoretischen Grundlagen oft verborgen oder zumindest verkürzt. Ein Grund laut Bayertz: „Die Marxsche Theorie war von Beginn an mit einem revolutionären politischen Programm verknüpft, das die Rezipienten vor die Alternative stellte, dafür oder dagegen zu sein.“ Bayertz’ Buch will sich aber von solchen Entweder-oder-Entscheidungen lösen und tiefer in die Theorie eintauchen.

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Kurt Bayertz „Interpretieren, um zu verändern. Karl Marx und seine Philosophie“. C.H. Beck. 272 Seiten, 24,95 Euro

Manfred Hildermeier: „Geschichte der Sowjetunion“

Was aus den Ideen von Karl Marx – gefiltert durch die Ansichten von Lenin und anderen sowjetischen Politikern – wurde, zeigt Manfred Hildermeiers monumentale Studie über die Geschichte der Sowjetunion. Anlässlich der 100. Jahrestages der Oktoberrevolution erschien im vergangenen Jahr die dritte Auflage, vom Göttinger Historiker grundlegend aktualisiert und auf den neuesten Forschungsstand gebracht. Ein Buch über „den ersten Staat auf dieser Welt, der sich als Verwirklichung des Sozialismus in der Leninschen Interpretation des Gedankengebäudes von Marx und Engels begriff“.

Manfred Hildermeier: „Geschichte der Sowjetunion 1917 bis 1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates“. C.H. Beck. 1348 Seiten, 49,95 Euro

Copyright der Frontcover: S. Fischer, Suhrkamp, Hanser, Ullstein, dtv, Siedler, Piper, Rowohlt, C.H. Beck

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Von RND/Kristian Teetz

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