„Der Outsider“ – Stephen Kings neuestes Ungeheuer

Das Böse hat in seinem neuen Buch viele Gesichter: Ein Gestaltwandler bringt Tod und Verderben über Stephen Kings Städtchen Flint City, Oklahoma.

Das Böse hat in seinem neuen Buch viele Gesichter: Ein Gestaltwandler bringt Tod und Verderben über Stephen Kings Städtchen Flint City, Oklahoma.

Portland. Terry Maitland wird von der Polizei offen auf dem Baseballplatz festgenommen. Er soll ein Kind ermordet haben, auf besonders grausame Weise. Was Stephen King im ersten Drittel seines neuen Romans in fiebrigem Tempo minuziös beschreibt, ist, wie Kindesmissbrauch einen allseits geschätzten Mitbürger in einen Ausgestoßenen verwandelt.

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Die Bürger von Flint City, Oklahoma, sind schnell davon überzeugt, dass in dem kumpelhaften Jugendtrainer und zweifachem Familienvater Terry ein Monster steckt. Virtuos erschafft King nun die Kakofonie der Hysterie, formt den Lynchmob, der nicht innehält, auch als ein unwiderlegbares Alibi die erdrückende Beweislast infrage stellt.

Die Kleinstadt Flint City spiegelt das wutgeladene Trump-Amerika

Der Autor blickt überallhin, das wutgeladene Amerika des Donald Trump findet hier sein Abbild im Kleinen. Der Leser steht dabei fest an der Seite der kleinen Schar Getreuer, die Maitlands Unschuld nie in Zweifel zieht. Und würde King zur Aufklärung des Widerspruchs, dass ein Mensch nicht zur selben Zeit an zwei Orten sein kann, kein Horrorwesen benötigen, wäre „Der Outsider“ unzweifelhaft eins seiner Meisterwerke.

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Nun lässt sich dieses spezielle Rätsel aber nicht anders lösen als auf übernatürlichem Wege. Und so kommt Detective Ralph Anderson, der seinen showartigen Verhaftungszirkus im Stadion bald schon bitter bereuen soll, mithilfe der altjüngferlichen, schüchtern-deprimierten Holly Gibney (King-Leser kennen sie aus der „Mr. Mercedes“-Trilogie) und weiteren Verbündeten einem unglaublichen Ungeheuer auf die Spur.

Ein Gestaltwandler mordet sich durch die Welt, ein vampirisches, kindsmordendes Biest wie es der Clown Pennywise aus „Es“ (1986) war. Er übernimmt die Gesichter von Leuten, denen seine Opfer vertrauen, ernährt sich von deren Schmerz und Angst und von der Traurigkeit der Hinterbliebenen und verheert ganze Gemeinden.

Zum Ende hin wandelt auch der Roman seine Gestalt

Kings Rasanz und sein Einfühlungsvermögen halten die Spannung noch über weite Strecken. Dann jedoch wandelt der Roman selber seine Gestalt: Die Dialoge werden kraftloser, Wiederholungen nerven bis dann der Showdown geradezu lustlos absolviert wird. Der Outsider wird unspektakulär besiegt, stirbt auf exakt dieselbe Weise wie 2014 der Terrorist Brady Hartsfield in „Mr. Mercedes“ starb.

Dass die Schlange, Lieblingsform des biblischen Gestaltwandlers Luzifer, einige der Helden vor dem Tod rettet, ist als Akt der Rehabilitation der Paradiesbaumverführerin originell. Die Klage des Biests über seine Einsamkeit aber ist nicht etwa berührend wie im Fall von Frankensteins Kreatur. Sondern lässt einen absolut kalt.

Der Epilog ist dann nahezu seifenopernhaft. Alles wird so gut, dass einem schlecht wird. Damit die Welt nicht mit der Existenz des Übersinnlichen befremdet wird, halten die Monsterjäger das Monster vor der Öffentlichkeit geheim. Dass die alternativen Fakten, die abstrus konstruierten „Fake News“ von den Leuten in Flint City geschluckt werden, erscheint völlig unglaubwürdig.

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Bücher über Dämonen implizieren die Existenz Gottes

Alle Geschichten über die Mächte der Hölle sind im Kehrschluss auch Geschichten, in denen das Entgegengesetzte existiert. In Kings Fantasiewelt heißt esvseit seinem „Dunkler Turm“-Zyklus Ka, und seine Protagonisten dürfen an einer Stelle des Buchs die Existenz des Guten spüren. Wo Vampire fliegen, sind auch Engel. Gut zu wissen, dass es Gott gibt, wo Dämonen sind. So hält die Welt des Stephen King in beängstigenden Zeiten wie diesen etwas Beruhigendes parat.

Stephen King: „Der Outsider“, 752 S., 26 Euro

Von Matthias Halbig/RND

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