Benin-Bronzen zurück in Nigeria

Der Schatz des Königs

Gürtelmaske (uhunmwun-ekhue) mit dem Abbild eines Oba, Königreich Benin, vor 1897, aus der Sammlung des Museum für Völkerkunde Dresden (undatiert).

Kostbare Maske: Abbild eines Oba aus dem Königreich Benin.

Allgemeine Zufriedenheit strahlte die Szene aus: Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth standen auf dem Foto gemeinsam mit nigerianischen Museumsvertretern. Sie trugen weiße Handschuhe wie Chirurgen im OP-Saal und blickten auf ein kunstvoll verziertes Objekt, eine jener Benin-Bronzen, die die deutschen Regierungsvertreter soeben zurück in die nigerianische Hauptstadt Abuja gebracht hatten – und damit dahin, wohin diese Kunstschütze gehören. Ende des 19. Jahrhunderts waren sie bei kolonialen Raubzügen gestohlen worden.

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Entstanden war das Foto Ende vorigen Jahres. Heute, nur ein paar Monate später, halten manche die über so viele Jahre mühselig ausgehandelte Rückgabe für gründlich misslungen. Der scheidende Präsident Nigerias, Muhammadu Buhari, entschied im März, die restituierten Kunstwerke an den Oba von Benin zurückzugeben. König Ewuare II. ist das Oberhaupt des einstigen Königreichs Benin im heutigen Nigeria. Der 69-Jährige sei, so der nigerianische Präsident, der rechtmäßige Eigentümer. Er bewahre die Kultur des Königreichs Benin.

Klarer Fall von Raubgut

Die emeritierte Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin schrieb in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Für die deutsche Politik und die ihren Zielen dienenden Museumsleute endet damit die Rückgabe der Bronzen an das nigerianische Volk in einem Fiasko.“ Aus dem öffentlichen Gut werde gewissermaßen ein privater Schatz. Sie befürchtet, dass die millionenschweren Kunstwerke in den privaten Gemächern des Obas verschwinden könnten. So war die Rückgabe nicht gedacht. Zumindest nicht von deutscher Seite.

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Dass es sich bei den Bronzen – von denen viele aus Gold, Elfenbein, Messing, Holz, Korallen und Leder, aber nur wenige aus Bronze bestehen – um Raubgut handelt, ist unbestritten. Die meisten Stücke stammen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert und hatten zeremonielle Bedeutung am Königshof. 1897 stahlen die Briten die Kunstwerke bei einem Rachefeldzug. Von London aus fanden sie Käufer in der ganzen Welt.

Allein in Deutschland sind heute mehr als 1100 Kunstwerke in 20 Museen verteilt. Zurückgebracht wurden bislang gerade einmal 20 aus Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart, Dresden und Leipzig. Viele Bronzen sollen als Leihgaben in Deutschland bleiben dürfen. Insgesamt handelt sich um die bislang wohl umfangreichste Restitution afrikanischer Kunst.

Ein Museum für die Bronzen ist bereits in Planung, entworfen von dem ghanaisch-britischen Architekten David Adjaye, der auch schon für das National Museum of African American History and Culture in Washington verantwortlich zeichnete. Nun plant Adjaye das Edo Museum of West African Art in Benin City. Hier sollte die Beutekunst aus Europa und den USA ein Zuhause finden

Deutschland hat bereits knapp vier Millionen Euro zur Unterstützung für das Projekt beigesteuert. Nun könnte es sein, dass es mit dem touristischen Anziehungspunkt nichts wird. Gut möglich, dass König Ewuare II. andere Pläne hat. Womöglich baut er sein eigenes Museum, unabhängig von europäischer Beteiligung und ohne deutsche Patenschaft. Und nun?

Rückgabe ohne Bedingungen

Von offizieller deutscher Seite wird die Rückgabe nicht in Frage gestellt. Das hat das Auswärtige Amt klargestellt: „Bei wem die zurückgegebenen Bronzen verbleiben, welche nigerianischen Institutionen und Personen beteiligt werden und wo die Verantwortung zur Bewahrung sowie Zugänglichmachung liegt, sind Fragen, über die in Nigeria entschieden wird“, heißt es dort. „Die Rückgabe der Bronzen an Nigeria war nicht an Bedingungen geknüpft.“ Es gehe bei der Restitution darum, historisches Unrecht so weit wie möglich wieder gutzumachen.

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Ähnlich sieht das Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. „Die Rückübertragung beruht auf der Tatsache, dass es sich um eine gewaltsame Plünderung handelte“, so Parzinger. Er hofft weiterhin darauf, dass die restituierten Kunstwerke in Nigeria der Öffentlichkeit gezeigt werden. Das Ethnologische Museum in Berlin führt mehr als 500 Benin-Objekte.

In dem westafrikanischen Land ist gerade gewählt worden, die neue Regierung noch gar nicht am Start. Der bisherige Präsident Buhari scheidet aus dem Amt. Erst mit den neuen Regierungsvertretern kann nach Angaben des Auswärtigen Amts geklärt werden, wie es mit den Bronzen weitergeht.

„Offenbar gibt es vor Ort noch Klärungsbedarf“, sagte die Leiterin der Benin Dialogue Group, Barbara Plankensteiner, einem Zusammenschluss internationaler Museen, der seit Jahren mit nigerianischen Offiziellen und Vertretern des Königshofs von Benin zusammenarbeitet. „Eine Rückgabe in dieser Größenordnung und Bedeutung führt natürlich zu Bewegungen und Aushandlungen“, so Plankensteiner, die zugleich Direktorin des Hamburger Museums am Rothenbaum ist. Sie zeigt sich nach wie vor zuversichtlich.

Wie delikat die Situation ist, hatte sich schon bei der finanziellen deutschen Unterstützung für das geplante Museum in Benin-City gezeigt. Bereits damals tauchte die Frage auf: Misstrauen Europäer noch immer Afrikanern, ob diese mit der eigenen Kunst und Kultur umzugehen wissen? Steckte in der Hilfe womöglich eine Form des Neokolonialismus?

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Nun lässt sich provokant fragen: Besteht auf Seiten der Diebe das Recht, den Bestohlenen Vorschriften zu machen? Verkompliziert wird die Sache dadurch, dass im Königreich Benin einst Sklavenhandel üblich war. Aus dem Erlös wurde demnach auch Metall für die Bronzen finanziert.

Schwieriges koloniales Erbe

Die Schwierigkeiten beim Umgang mit dem kolonialen Erbe bekommt Deutschland gerade auch in einer anderen Ecke Afrikas zu spüren: In Namibia ist längst schon ein Versöhnungsabkommen mit der dortigen Regierung ausgehandelt. Von den damaligen Leidtragenden, den Herero und Nama, wird es jedoch nicht anerkannt. Sie waren an den Verhandlungen nur unzureichend beteiligt.

An diesen beiden Völkern richteten deutsche Soldaten den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts an. Für diesen innerstaatlichen Konflikt weiß die Bundesregierung keine Lösung, kann sie diese vielleicht auch nicht wissen.

In Nigeria jedenfalls lernt Deutschland bei aller finanziellen Großzügigkeit und trotz bester Absichten offenbar gerade eine wichtige Lektion: Was rechtmäßige Eigentümer mit ihrem Besitz machen, entscheiden sie zunächst einmal selbst. Den Clinch um die Bronzen müssen nigerianische Museumsbehörden und Königshaus allein austragen.

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