Deutschlands Oscar-Hoffnung

Gleich mit ihrer Abschlussarbeit an der Hamburg Media School nominiert: Regisseurin Katja Benrath.

Gleich mit ihrer Abschlussarbeit an der Hamburg Media School nominiert: Regisseurin Katja Benrath.

Lübeck. Bisher hat Katja Benrath noch keine Oscar-Verleihung wirklich miterlebt. Wenn in Los Angeles die Umschläge geöffnet wurden, wenn auf der Bühne einige ihr Glück nicht fassen konnten und andere unten im Pu-blikum die Scherben ihrer Träume zusammenfegten, dann war sie vor dem Fernseher meist eingeschlafen. Am 4. März aber könnte es klappen, zum ersten Mal.

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Denn in diesem Jahr zählt sie selbst zu den Kandidaten. Katja Benrath, 38 Jahre alt, aus Lübeck. „Watu Wote/All of Us“ heißt der Film, mit dem sie in der Kategorie „Live-Action-Kurzfilm“ nominiert wurde. Es ist ihre Abschlussarbeit an der Hamburg Media School, und es ist ein Erfolg sondergleichen.

Etwa 60 Preise haben sie und ihr Team mittlerweile dafür bekommen, von New York bis Tel Aviv, von Tansania und Durban bis zu den Nordischen Filmtagen in Lübeck. Am wichtigsten seien ihr die aus Afrika, sagt sie. Aber auch die Nachwuchsauszeichnungen aus Deutschland. Und der Student Academy Award natürlich, der Studentenoscar. Im Oktober hat sie ihn in Los Angeles erhalten, in Gold. Und jetzt fährt sie wieder hin.

Benrath erzählt eine wahre Begebenheit

„Watu Wote“ erzählt eine wahre Begebenheit aus dem Grenzgebiet von Kenia und Somalia und aus dem Grenzgebiet von Leben und Tod. Es ist eine Geschichte über Mut und Solidarität. Darüber, wie Menschen über sich hinauswachsen können. Menschen, die man gar nicht kennt und die nur zufällig im Bus neben einem sitzen. „Watu Wote“ ist Suaheli und bedeutet: alle Menschen.

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Es ist eine ungeheure Geschichte und zugleich eine, wie sie vielleicht jeden Tag vorkommt, ohne dass man davon erfährt. Katja Benrath hatte von ihr auf der Internetseite der BBC gelesen, als sie 2015 mit ihrem Team auf der Suche war nach einem Stoff für ihre Masterarbeit. Sie hat recherchiert, sich an die Arbeit gemacht, war monatelang vor Ort, hat gedreht, und seither ist vieles anders geworden in ihrem Leben.

Von ihrer Oscar-Nominierung hat sie in Kenia erfahren

Von ihrer Oscar-Nominierung hat sie in Kenia erfahren. Beim Gespräch mit den Lübecker Nachrichten am Telefon war sie gerade ein paar Tage in Hamburg, aber schon wieder auf dem Sprung zur Berlinale.

Mitte dieser Woche ging es weiter nach Los Angeles, wo am Sonntag die Oscars verliehen werden. Dabei ist sie gerade erst in Los Angeles gewesen, im Beverly Hilton Hotel, zusammen mit 175 anderen zum traditionellen „Lunch der Nominierten“.

Auf dem Foto sieht man sie vorn in der ersten Reihe sitzen. Hinten stehen Steven Spielberg und Sally Hawkins, Gary Oldman, Mary J. Blige und Willem Dafoe, links von ihr sitzt Kobe Bryant. Es gab Seebarsch mit Spargel, edle Desserts und Champagner, und als sich die Gelegenheit bot, hat sie mit Christopher Nolan gesprochen und mit Meryl Streep. Mit Meryl Streep, die sie wegen ihrer Authentizität und Echtheit schätzt und verehrt – seit dem Gespräch noch ein wenig mehr.

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Für sie ist das alles surreal

Wie das gerade alles für sie ist? „Surreal“, sagt sie. „Das ist das Wort, das mich im Moment am meisten begleitet. Es ist sehr speziell, in einem Raum zu sein mit all diesen Menschen, die einen zum Teil inspiriert haben, die eigene Filmkarriere voranzutreiben oder Geschichten zu erzählen. Es ist surreal, nach wie vor. Und ich bin gespannt, ob es noch surrealer wird.“

Katja Benrath stammt aus dem Odenwald, ist in Stockstadt bei Aschaffenburg aufgewachsen, aber schon früh mit ihrer Mutter nach Lübeck gezogen. „Lübeck“, sagt sie, „das ist meine Heimatstadt.“ Sie hat hier die Maria beim Krippenspiel in der Aegidienkirche gespielt und beim plattdeutschen Vorlesen gewonnen. Sie hat mit anderen ein Musical auf die Bühne gebracht, 1999 am Katharineum Abitur gemacht und danach eine Schneiderlehre.

Sie nähte in Wuppertal für die große Tänzerin Pina Bausch, studierte in Wien am Konservatorium Schauspiel und Gesang und schließlich Regie in Hamburg an der Media School. Jetzt sitzt sie am nächsten Sonntag im Dolby Theatre in Los Angeles, und wenn ihr Name in dem Umschlag stecken sollte, wenn jemand sagen würde: „And the Oscar goes to ... ,Watu Wote‘“, würde einen das auch nicht mehr wundern.

Woher kommt dieser ungeheure Erfolg ihres Film? Wie lässt sich das erklären? Es hat wohl vor allem damit zu tun, dass es eine wahre Geschichte ist, sagt sie. Was sonst Drehbuchschreibern einfallen könnte, eine Szene größer als das Leben, das ist hier tatsächlich passiert. Und die Menschen wollten unbedingt davon erzählen. Vor allem die Somalier. Sie wollten zeigen, dass nicht automatisch ein Terrorist ist, wer aus dieser Gegend der Welt kommt. Dass es einen anderen Islam gibt als den aus den Gewehrläufen. Dass die Dinge nicht nur schwarz oder weiß sind, sondern dass Grau eine Menge Facetten hat, wenn man genau hinsieht.

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Benrath wird in Hollywood gegen vier andere Filme antreten, unter anderem gegen „My Nephew Emmett“ von Kevin Wilson. Sie hat ihn im Oktober bei den Studentenoscars kennengelernt, wo er auch zu den Preisträgern zählte. Er ist ein sehr guter Freund geworden, sagt sie. Auch mit den anderen drei Regisseuren ist sie inzwischen bekannt, „eine sehr nette Truppe“.

Ihre Erwartungen? „Ich habe überhaupt keine Erwartungen“, sagt sie. „Es ist so viel los, dass ich mir einfach nur wünsche, dass ich es genießen kann. Es wäre eine Lüge zu sagen: Ich will das Ding nicht mit nach Hause nehmen. Aber gleichzeitig kenne ich ja die anderen Filme und die Filmemacher und mag die alle sehr. Es ist tatsächlich beides gleichzeitig.“

Von Peter Intelmann

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