„Die Sch’tis in Paris“ – Lahmes Sequel
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/VDDSZ2S2Y5HX4XHLINQHCC7EHI.jpg)
Lügen haben kurze Beine: Valentin (Dany Boon) und seine Frau Constance (Laurence Arné) tischen den Parisern Schwindeleien über seine Vergangenheit auf.
© Quelle: Foto: Concorde
Hannover. 20,3 Millionen Zuschauer in Frankreich und 2,3 Millionen in Deutschland – solche Zahlen sind im franko-germanischen Filmkulturaustausch eine Seltenheit. An die Einspielergebnisse von Dany Boons „Willkommen bei den Sch’tis“ aus dem Jahre 2008 kamen selbst die jüngeren Erfolgskomödien „Ziemliche beste Freunde“ und „Monsieur Claude und seine Töchter“ nicht heran.
Man muss es Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Boon hoch anrechnen, dass er nach diesem Coup nicht gleich in die Sequel-Kiste gegriffen hat, auch wenn seine Nachfolgewerke wie „Nichts zu verzollen“ (2010) oder „Super-Hypochonder“ (2014) nicht wirklich zünden wollten.
Ein Innenarchitekt mit Geheimnissen
Äußerst halbherzig wirkten Boons Versuche, sich als Komödiant und Regisseur neu zu erfinden. Seinem allzu menschelnden Humor fehlte es auf lange Sicht dann doch erheblich an Biss. Nach zehn Jahren greift er nun mit „Die Scht’is in Paris“ auf seine alte Erfolgsmarke zurück. Aber das Folgewerk ist keine klassische Fortsetzung. Zwar wurden einige der Schauspieler aus dem ersten Teil erneut gecastet, aber Figuren und Story haben nichts mit dem Vorläuferfilm zu tun. Wäre man bei „Marvel“ würde man eher von einem Spin-Off als von einem Sequel sprechen.
Boon spielt den angesagten Pariser Innenarchitekten Valentin, der die bekloppten Hauptstädter mit dreibeinigen Stühlen und tonnenschweren Steintischen beglückt. Mit seiner Frau Constance (Laurence Arné) bildet er ein Power-Couple, das gemeinsam und erfolgreich die Titelseiten von Illustrierten ziert und sich selbstbewusst durch die örtliche High-Society bewegt.
In Interviews erzählt Valentin, dass sich seine Kreativität aus der eigenen Waisenkind-Vergangenheit speist, dabei ist seine Familie quicklebendig und führt im nordfranzösischen Hinterland ein recht proletarisches Dasein. Der Schwindel droht aufzufliegen, als sich die bucklige Verwandtschaft zur Werkschau des gefeierten Designers im „Palais de Tokyo“ einlädt.
Jede Pointe trabt lahm und brav heran
Die Stereotypen und kulturellen Kontraste sind vorgezeichnet: Hier die versnobte Kunstszene, die in Designer-Klamotten Häppchen verzehrt, dort die Tölpel vom Land, die in jeden Fettnapf treten und das Herz am rechten Fleck haben. Aber noch bevor die Konflikte richtig ausgetragen werden können, wird Valentin von einen Auto angefahren und leidet danach unter einer regionalspezifischen Amnesie: Er hat all seine Pariser Etikette vergessen und ist auf den geistigen Zustand eines 17jährigen nordfranzösischen Provinzjungen zurückgefallen.
Natürlich spricht er jetzt auch wieder den Sch’ti-Dialekt, der in der deutschen Synchronfassung erneut als eigene Kunstsprache eingesprochen wird. Es kommt zu Verwicklungen und moderaten Turbulenzen von erschreckender Überschaubarkeit. Jede Pointe trabt von Weiten gut sichtbar wie ein lahmes Pferd auf einer Hochebene heran, um sich brav vor dem Publikum zu verneigen. Jede Plotwendung wird sorgfältig ausgeschildert und hin zu einem versöhnlichen Finale geführt, in dem der verirrte Sohn wieder zu seinen Wurzeln findet und sich Stadt- und Landbevölkerung feiernd in den Armen liegen.
Mal sehen, ob die Sch’ti-Marke ausreicht, um eine Komödie von solch narkotisierender Einfältigkeit erneut zu einem Millionenpublikum zu führen.
Von Martin Schwickert / RND