Schlacht von Waterloo

Hannovers große Schlacht

Foto: Sturm der Franzosen auf ein Gehöft bei La Haye-Sainte am 18.06.1815: Farbdruck nach einem Aquarell von Richard Knötel (1857-1914).

Sturm der Franzosen auf ein Gehöft bei La Haye-Sainte am 18.06.1815: Farbdruck nach einem Aquarell von Richard Knötel (1857-1914).

Hannover. Die Division blieb die Nacht über auf dem Schlachtfelde liegen, und mir waren von den 400 Mann, womit ich die Schlacht eröffnet hatte, nicht mehr als 42 übrig geblieben“, konstatiert der hannoversche Offizier Georg Baring im Rückblick auf den 18. Juni 1815. „Nach wem ich auch fragen mochte, die Antwort lautete: todt! - verwundet! - Ich gestehe frei, daß mir die Thränen unwillkürlich aus den Augen drangen ...“

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Die Nacht, von der der hannoversche Offizier berichtet, folgt auf den Tag des Sieges über Napoleon. Auf einen Sieg, an dem Baring ebenso wie sein Landsmann Carl August von Alten mit der Verteidigung des strategisch wichtigen Gutshofes La Haye Sainte besonderen Anteil hatte. Das Gehöft liegt bei einem belgischen Ort südlich von Brüssel, dessen Name seither für das Erleben einer vernichtenden Niederlage steht: Waterloo war in diesem Sinne das erste - nämlich Napoleons Waterloo.

Kein Wunder, dass sich Museen quer durch Europa und auch in Niedersachsen für den Jahrestag des Sieges über Napoleon rüsten. Schließlich lässt sich die jüngere Geschichte Europas nach diesem Datum einteilen. Davor hatte Napoleon weite Teile Europas beherrscht, hatte ein Königreich Westfalen als Satellitenstaat unter der Regentschaft seines Bruders Jérôme geschaffen, dem auch das Kurfürstentum Hannover-Braunschweig-Lüneburg zugeschlagen wurde. Es brachte zwar das liberale Recht des Code Napoleon, aber auch brutale Zwangsrekrutierungen und Steuereintreibungen für Bonapartes Feldzüge. Nach Waterloo kam die weitgehende Restauration der alten feudalen Ordnung. Die Gesellschaft kehrte von der Idee der Volkssouveränität zu der vom Gottesgnadentum zurück, die Rechtssicherheit des Code Napoleon war vorbei. Hannoversche Ursprünge hatten auf dem Schlachtfeld von Waterloo nicht nur der spätere Freiherr Baring (1773-1848) und der spätere Graf von Alten (1764-1840). Auf britischer Seite gegen Napoleon kämpften neben niederländischen, nassauischen und braunschweigischen Soldaten auch die des Königreichs Hannover. Das war 1814, nach Vertreibung der Franzosen, gerade erst gegründet worden. Und zu diesen rund 20 000 Mann regulärer Truppe kam in ähnlicher Stärke noch die Kings German Legion hinzu. Diese Einheit war in Großbritannien aus Flüchtlingen aus Hannover gebildet worden, unter König Georg III., der in Personalunion auch über Kurhannover geherrscht hatte. Insgesamt könnten also bis zu 40.000 aus dem Kurfürstentum Hannover stammende Soldaten unter den rund 188 000 Kämpfenden auf dem Schlachtfeld von Waterloo gewesen sein.

Der besonderen Rolle hannoverscher Soldaten entsprechend nehmen sich auch Museen in Hannover, Celle und Braunschweig des Waterloo-Themas an. In Hannover startet das Historische Museum, das in seiner neuen Dauerausstellung nur eine Ausstellungswand Waterloo widmet, pünktlich zum 18. Juni eine siebenteilige Vortragsreihe. In Celle präsentiert das Bomann-Museum auf seiner Sonderausstellungsfläche in einem 60 Quadratmeter großen Diorama mit 15 000 Zinnsoldaten sowie Pferden, Kanonen und Versorgungswagen mehrere Kampfphasen des Schlachttages. Und in Braunschweig widmet sich das Landesmuseum dem braunschweigischen „Schwarzen Herzog“ Friedrich Wilhelm, der mit den gleichfalls in England gebildeten „Black Brunswickers“ gegen Napoleon kämpfte.

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Wer sich anhand von Ausstellungen über Waterloo informieren will, kann also drei Städte besuchen - und muss das auch, um umfassend ins Bild gesetzt zu werden. Denn die Ausstellungen sind sehr unterschiedlich. Celle bietet - mit Uniformen, Säbeln und Flaggen, mit Dioramen und Landkarten - die breiteste Information über das Schlachtengetümmel. Schließlich hat das Celler Bomann-Museum mit mehr als 10 000 Objekten die größte militärgeschichtliche Sammlung des 19. Jahrhunderts in Norddeutschland. Alle drei Museen präsentieren viele der bis ins 20. Jahrhundert quasireligiös verehrten Reliquien der Kämpfer sowie Devotionalien späteren Waterloo-Gedenkens. In Hannover beispielsweise ist ein Glasfläschchen mit Gräsern zu sehen, die ein Schlachtfeldbesucher 1823 in Waterloo gepflückt hat. Die intelligenteste Auseinandersetzung mit Waterloo findet sich aber in Braunschweig. Dort regt man anhand der Biografie des braunschweigischen „Schwarzen Herzogs“ Friedrich Wilhelm (1771-1815) zu einer ganz aktuellen Heldendebatte an - unter dem frei nach Grönemeyer formulierten Titel „Wann ist ein Held ein Held?“.

Keine schlechte Frage. Denn so gelingt ein aktueller Zugriff auf ein Thema, das heute den meisten viel mehr als 200 Jahre entfernt scheint. Wer heute fragt, was Waterloo ist, wird nicht selten auf den Hit einer schwedischen Popband hingewiesen. Bei einer Umfrage des Landesmuseums dachte in Braunschweig jeder Vierte beim „Schwarzen Herzog“ an die gleichnamige örtliche Biersorte. Nur jeder Fünfte hatte schon von Friedrich Wilhelm gehört. Die Ausstellung zeichnet nicht nur dessen Weg von einer schweren Kindheit unter einem autoritären Vater über Prügeleien in der Jugend bis zum späteren Haudrauf nach. Sie zeigt auch die Verklärung des „Schwarzen Herzogs“ nach dessen Tod in der Schlacht um Quatre Bras, einen Tag vor Waterloo. Instrumentalisiert wurde Friedrich Wilhelm als Lokalheld gegen Preußen 1865 und 1890. Heldenfeiern wider Frankreich gab es mitten im Ersten Weltkrieg bei der Hundertjahrfeier von Waterloo 1915. Adolf Hitler trat 1931 nicht von ungefähr unter dem Reiterstandbild des Herzogs vorm Braunschweiger Schloss auf.

Von der späteren Heroisierung der Waterloo-Kämpfer zeugen auch viele Exponate in Celle. Doch den kritischen Blick darauf bis zur Demontage von Heldenmythen bietet nur Braunschweig. Im Historischen Museum Hannover weist Direktor Thomas Schwark auf die dort ausgestellten Porträts der unter französischer Besatzung erfolgreichen Unternehmer Johann Gerhard Helmke und Johann Egestorff hin. „Egestorff hat als Böttcher, Helmke hat als Bäcker angefangen - in der kurhannoverschen Gesellschaft wäre der berufliche Aufstieg wohl schwerer gefallen“, sagt Schwark. Und er erinnert daran, dass mit dem Code Napoleon zugleich die rechtliche Gleichstellung der Juden abgeschafft wurde. „Sie durften die Altstadt nicht betreten - erst 1842 erhielten sie das Bürgerrecht.“

Der Sieg in Waterloo war eben auch eine Niederlage für Fortschritte in Sachen Rechtsgleichheit, Volkssouveränität und Demokratie. „Verpasste Chancen“ lautet der Titel eines Vortrags zu Waterloo in Hannover. Da wird noch Spannendes zu hören sein. Doch verpasst haben die Museen in Hannover und Celle die Chance, das Waterloo- und Heldengedenken spannend in die Gegenwart zu führen. In Braunschweig gelingt das. Dort endet die Ausstellung an einer Magnetwand, an der man Vorzüge des eigenen Helden zusammenstellen kann. Meist werden hier eher unheroische Tugenden versammelt, statt großer Kriegshelden sind Helden des Alltags die Vorbilder. Dazu passend zeigen die Ausstellungsmacher auch jenes Plakat von Klaus Staeck, auf dem ein kleiner Junge mit Waffen spielt. „Früh übt sich, wer ein Held werden will“ steht darauf. Ein ironisches Bekenntnis zu einem ganz anderen Heldentum. „Waterloo“.

Bis 11. Oktober, Bomann-Museum Celle, Schlossplatz 7. „Wann ist ein Held ein Held?“ Bis 18. Oktober, Landesmuseum Braunschweig, Burgplatz 1. Ausstellung im Historischen Museum Hannover, Pferdestraße 6.

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