Hörbücher erobern das Smartphone

Hörbücher werden ohnehin immer beliebter – vor allem bei den jungen Menschen.

Hörbücher werden ohnehin immer beliebter – vor allem bei den jungen Menschen.

Hannover. Das E-Book ist heutzutage keine Innovation mehr, sondern ein Alltagsgegenstand. Doch nicht nur beim Buch, auch bei seinem kleinen Bruder, dem Hörbuch, geht der Trend hin zur digitalen Nutzung. Der digitale Hörbuchpionier Audible hat sich diese Entwicklung zunutze gemacht. Dem Unternehmen aus den USA ging es zunächst darum, die von Verlagen lange nur auf CDs verschickten Geschichten zu digitalisieren.

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In jüngster Zeit wandelt sich Audible zunehmend von einer Plattform zum Medienanbieter und investiert jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag in Inhalte – allein in Europa. Damit will Audible eine Art Netflix für Hörbücher sein. „Eigene Inhalte zu entwickeln wird für uns immer wichtiger“, sagt der Geschäftsführer Nils Rauterberg.

Die Kultur des Geschichtenerzählens erfahre eine Wiedergeburt im digitalen Zeitalter, weil die mobile Nutzung von Hörbüchern auf dem Smartphone zunehme. So werde das Warten in der Supermarktschlange oder das Pendeln zur Arbeitsstelle zu einer weiteren Möglichkeit, Geschichten zu erleben.

2017 wurden rund 140 Millionen Hörstunden heruntergeladen

1000 deutschsprachige Produktionen pro Jahr sind das Ziel des Abo-Anbieters, der im kommenden Jahr in Berlin ein eigenes Hörbuchstudio eröffnen will. Die Technik allein kostete rund eine Million Euro. Die Investition scheint sich zu lohnen: 2017 wurden rund 140 Millionen Hörstunden heruntergeladen – etwa doppelt so viele wie noch vor drei Jahren.

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Derzeit ist das Exklusiv-Angebot noch übersichtlich und konzentriert sich auf Unterhaltungsliteratur etwa von Sebastian Fitzek oder Rebecca Gablé. Es sind einige prominente Namen vertreten: Zu den Sprechern gehören die Schauspielerinnen Bettina Zimmermann und Felicitas Woll. Viele Werke des Bestsellerautors Markus Heitz finden sich hier exklusiv.

Aktuelles Glanzstück ist die elfstündige Produktion „Erbarmen“ nach einem Thriller von Jussi Adler-Olsen. Im Zentrum steht die seit fünf Jahren vermisste Politikerin Merete. Sie verschwand einst spurlos von einer Fähre, die Öffentlichkeit ging von Tod durch Ertrinken aus. Tatsächlich wurde sie die ganze Zeit über in einem Raum ohne Fenster festgehalten.

Carolin Kebekus gehört zu den prominenten Hörbuchsprechern von Jussi Adler-Olsens Thriller „Erbarmen“.

Carolin Kebekus gehört zu den prominenten Hörbuchsprechern von Jussi Adler-Olsens Thriller „Erbarmen“.

Gesprochen wird Merete von der Moderatorin Carolin Kebekus. Sie sagt über ihre Rolle: „Sie war die Vorzeigefrau der dänischen Demokratischen Partei – bis zu ihrer Entführung. Ihren körperlichen und seelischen Schmerz nur durch meine Stimme zu vermitteln, war eine wahnsinnige Herausforderung.“

Dem Kommissar Carl Mørck, der Zweifel an ihrem Tod hegt und die Ermittlungen erneut aufnimmt, leiht der Schauspieler Justus von Dohnányi seine Stimme. Er sagt: „Die Qualität der Hörspielproduktion ist mittlerweile vergleichbar mit der von TV-Serien.“ Dieser stetig wachsende Markt ermögliche es, dass Hörspiele in jeder Hinsicht aufwendiger werden könnten und müssten. „Das ist großes Kino für die Ohren.“

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Der Konzern hat auch die Lizenzen für die von Rufus Beck eingelesenen Harry-Potter-Romane erstanden. Jüngst zum 20. Geburtstag der Reihe veranstaltete die Streamingplattform mehrere Lesungen, die in Rekordzeit ausverkauft waren. Das Unternehmen tritt also auch immer mehr in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Von Berlin aus werden auch die Märkte Italien, Frankreich sowie demnächst Spanien mit digitalem Hörfutter versorgt.

Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitkonkurrenten

In Deutschland wurde die Hörbuch-Plattform 2004 gegründet, zeitweise waren die Verlage Holtzbrinck, Random House und Bastei Lübbe beteiligt. Die Verlage verkauften ihre Anteile 2009 komplett an Amazon. Die direkte Verlinkung von der Verkaufsplattform ist ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitkonkurrenten.

Da gibt es etwa die App BookBeat. Der 2015 gegründete Streaming-Anbieter ist seit 2017 auch in Deutschland verfügbar. Die Hörbücher sind hier kreativ geordnet in Kategorien wie „Ein Nobelpreisträger zum Kaffee?“ oder „Gute Vorsätze – Gute Hörbücher!“ oder „Starke Frauen“. Auch Google bietet über die Plattform Play seit Anfang des Jahres hierzulande Audio-Literatur an – wie auch Spotify.

Der auf Musik spezialisierte Streamingdienst konkurriert mit Audible auch im boomenden Podcastgeschäft. Während die Schweden etwa auf Jan Böhmermann setzen, hat die Amazon-Tochter Jörg Thadeusz und Nina Ruge unter Vertrag. Der Literaturkritiker Denis Scheck bespricht mit Autoren ihre Lieblings-Hörbücher und liefert somit gleich die Metaebene zum Hörvergnügen. „Im Untergrund“, Patrizia Schlossers Audible-Recherche über die letzten RAF-Mitglieder, gewann in diesem Jahr als erster Podcast den Deutschen Radiopreis.

Immer beliebter – vor allem bei den jungen Menschen

Natürlich stellt auch der öffentliche Rundfunk seine Hörbücher in Mediatheken zur Verfügung, doch ähnlich wie bei Fernsehserien verlangt es viele Nutzer nach einer Plattform speziell für die gesuchten Inhalte, unabhängig von einem Ausstrahlungsdatum. Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur haben dafür ganz aktuell das Portal hoerspielundfeature.de gegründet, um Produktionen zu bündeln.

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Die Statistik belegt den Trend. Laut Audible-Hörbuchkompass geben 41 Prozent der Hörbuch-Fans an, dass sie ihr Smartphone oder ihr Tablet dafür nutzen, das sind fünf Prozentpunkte mehr als noch im Jahr davor. Damit liegt die digitale Nutzung von Hörbüchern erstmals gleichauf mit der CD-Nutzung (42 Prozent). Vielleicht auch deswegen hören mittlerweile mehr Menschen unterwegs Hörbücher (75 Prozent) als zu Hause (67 Prozent).

Hörbücher werden ohnehin immer beliebter – vor allem bei den jungen Menschen. Während laut Hörbuchkompass 22 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten mindestens ein Hörbuch oder Hörspiel gehört haben, sind es bei den unter 40-Jährigen fast ein Drittel (31 Prozent).

Die besten neuen Hörbücher und Hörspiele

Christian Brückner: „Da Capo“

Christian Brückner: „Da Capo“

Christian Brückner ist nicht nur Robert de Niros deutsche Synchronstimme, er gilt hierzulande allgemein als „The Voice“. Brückner hat zahllose Hörbücher eingesprochen und mit seiner Frau Waltraut seinen eigenen Hörbuchverlag Parlando gegründet. Zu seinem bevorstehenden 75. Geburtstag erscheint nun eine Sonderedition mit fünf Brückner-Produktionen: Melvilles „Bartleby“, Baudelaires „Die Blumen des Bösen“, Coetzees „Schande“, Benjamins „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“ und Hubert Reeves’ „Wo ist das Weltall zu Ende?“. Eine Box voller Stimmungen und mit einer unverwechselbaren Stimme.

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Christian Brückner: „Da Capo“. Hörbuch. Argon. 5 MP3- CDs. 1200 Minuten, 49,95 Euro.

Daniel Kehlmann: „Tyll“

Daniel Kehlmann: „Tyll“

Zum 400. Jahrestag seines Beginns erwachte das Interesse der Deutschen am Dreißigjährigen Krieg wieder. Daniel Kehlmann hat mit „Tyll“ den passenden Roman dazu geschrieben. Nun ist die Geschichte des Tyll Ulenspiegel, der als Entertainer und Vagabund die Wirren des Krieges erlebt, als Hörspiel erschienen. Das grandiose Stück lebt von der Inszenierung, viel mehr aber noch von den hochkarätigen Sprechern, zu denen unter anderem Lars Rudolph (fantastisch als Tyll), Gerd Wameling und Gustav Peter Wöhler gehören. Und wer Sylvester Groth als König Gustav Adolf hört, wird diese Stimme so schnell nicht vergessen. tz

Daniel Kehlmann: „Tyll“. Hörspiel. Argon. 3 CDs. 210 Minuten, 19,95 Euro.

Iwan Turgenjew: „Väter und Söhne“

Iwan Turgenjew: „Väter und Söhne“

Wenn zwischen Generationen Welten liegen: Turgenjews „Väter und Söhne“ aus dem Jahr 1861 erzählt vom konfliktreichen Aufeinandertreffen zwischen Arkadi Kirsanow und dessen Freund Jewgeni Basarow mit Arkadis Vater und Onkel. Die beiden jungen Männer begreifen sich als Nihilisten und lehnen alles Tradierte ab. Doch Bazarows Ideale bröckeln, als er sich in die schöne Witwe Anna verliebt. Der Hörverlag veröffentlicht nun ein liebevoll inszeniertes Hörspiel von 1974 unter anderem mit Siegfried Lowitz („Der Alte“) und Horst Tappert („Derrick“) wieder. Es ist eine generationsübergreifende Freude, es zu hören.

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Iwan Turgenjew: „Väter und Söhne“. Hörspiel. Der Hör-Verlag. 2 CDs. 95 Minuten, 20 Euro.

David Sedaris: „Calypso“

David Sedaris: „Calypso“

Was haben die mittleren Jahre eines Mannes für Vorteile? Für David Sedaris steht es fest: Endlich hat er ein Gästezimmer. Graues, schütter werdendes Haar? Egal. Alles zwar Begleiterscheinungen des Älterwerdens, das ist aber nichts gegen den Stolz, ein Gästezimmer (mit Gepäckablage) vorzeigen zu können. Das Beispiel zeigt, wie Sedaris dem Alltag, seinem Alltag, mit viel Selbstironie und Spaß am Absurden begegnet. Die Geschichten in „Calypso“, die Devid Striesow mit feiner Lakonie und leiser Komik liest, drehen sich vor allem um seine Familie, um Geschwistertreffen und tiefe Freundschaften.

David Sedaris: „Calypso“. Hörbuch. Random House. 4 CDs. 282 Minuten, 22 Euro.

Hilary Mantel: „Brüder“

Hilary Mantel: „Brüder“

Hilary Mantels Debütroman „Brüder“ spielt während der Französischen Revolution und handelt von den Machtverstrickungen der drei Revolutionäre Robespierre, Danton und Desmoulins. Der Regisseur Walter Adler hat Mantels Werk nun für den WDR in ein 13-stündiges Hörspiel bearbeitet. Entstanden ist dank Sprechern wie Robert Dölle, Matthias Bundschuh, Jens Harzer, Michael Rotschopf und Axel Milberg ein stimmliches Kunstwerk und monumentales Hörspiel. So wird die Freundschaft der drei Idealisten und die Geschichte einer sich auflösenden Gesellschaft zu einem fulminanten Hörerlebnis. tz

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Hilary Mantel: „Brüder“. Hörspiel. Der Audio-Verlag. 13 CDs. 780 Minuten, 39,99 Euro.

Von Nina May

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