Interview: Die „Tatort“-Kommissare über die Faszination Krimi und die Darstellung der Polizei
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/TW2JRN4U55H7LOWEJMW43W3M3Q.jpg)
Die Tatort-Schauspieler Axel Milberg, Margarita Broich und Wotan Wilke Möhring.
© Quelle: NDR/Gordon Timpen/imago/brennweiteffm/APress/Montage RND
Frau Broich, Herr Milberg, Herr Möhring, der „Tatort“ feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Wie sind Sie das erste Mal mit der Krimireihe in Berührung gekommen?
Wotan Wilke Möhring: Das weiß ich noch ganz genau: Das war 1977 „Reifezeugnis“ mit Nastassja Kinski. Den habe ich damals heimlich bei meiner Tante in Berlin gesehen. Ich war noch ein Kind. Der Film hat mich total verstört, weil ich die Handlung sehr ernst genommen habe. Erst im Nachhinein habe ich verstanden, warum der erst ab zwölf Jahren freigegeben wurde. Beim zweiten Mal war ich dann zumindest altersmäßig besser auf den „Tatort“ vorbereitet. (lacht)
Margarita Broich: „Reifezeugnis“ war auch mein erster „Tatort“.
Axel Milberg: Bei mir müsste es „Kressin und der tote Mann im Fleet“ gewesen sein. Das war einer der ersten „Tatorte“ überhaupt. Düster und unheimlich. Wenn ich heute einen alten „Tatort“ schaue, ist das für mich ein Stück Kulturgeschichte. Allein, wie die Schauspieler damals gesprochen haben …
Wie erklären Sie sich die ungebrochene Faszination für den „Tatort“?
Möhring: Manchmal glaube ich, dass der Sendeplatz das Wichtigste ist. 20.15 Uhr am Sonntagabend ist einfach super. Selbst wenn du am Wochenende mit deinen Kumpels unterwegs warst, schaust du es dir abends an, um am Montag mitreden zu können. Außerdem haben sich Ermittler, Inhalte und Optik über die Jahre verjüngt. Deshalb ist das Publikum treu geblieben. Was Netflix und Co. mit dem „Tatort“ machen, muss man sehen. Aber ich hoffe, dass er weiter durchhält.
„Vielleicht ist es wie mit Grimms Märchen“
Broich: Ich glaube, dass der Erfolg von Netflix etwas mit dem „Tatort“ zu tun hat, weil man in 90 Minuten den Hauptdarsteller und die Figuren zwar erleben kann, aber diese Faszination bei einer Serie noch viel weiter geht. Man bekommt das Gefühl, dass man mit den Darstellern zusammenwohnt. Wegen der Kontinuität der verschiedenen ermittelnden Kommissare über so einen langen Zeitraum nimmt man den „Tatort“ anders wahr, als wenn man nur einen einzelnen Film an einem Mittwochabend sieht.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/TG5FANCARBHYVKCFE2XINN7FAY.jpg)
„Meine Eltern hätten sich kurz nach dem Krieg so was nicht angeguckt“: Margarita Broich spielt die Frankfurter „Tatort“-Kommissarin Anna Janneke.
© Quelle: dpa
Außerdem spielt sicherlich auch das Lokalkolorit eine Rolle, weil es schön ist, wenn man in Köln, Hamburg oder München wohnt und dann seine Stadt im Fernsehen sieht. Dass aber mittlerweile fast jeden Abend Krimis im Fernsehen laufen, ist für mich ein Phänomen. Vielleicht ist das so wie mit Grimms Märchen, und eine Gesellschaft braucht gruselige Geschichten, die am Ende auch noch gut ausgehen. Meine Eltern hätten sich kurz nach dem Krieg so was nicht angeguckt. Ich frage mich schon öfter: Wie kann eine Gesellschaft so viel Lust auf Krimis haben? In meiner Jugend ist Heinz Rühmann über den Bodensee geschippert. (lacht)
Milberg: Vielleicht liegt die Begeisterung auch an den so unterschiedlichen „Tatorten“ und „Tatort“-Teams. Das ist ein bisschen so, wie wenn Sonntagabend zwei-, dreimal im Jahr die Tante oder der Onkel zu Besuch kommt. Den einen Verwandten hat man ja auch lieber als den anderen. Ich glaube auch, dass die Gruppe von Leuten, die immer den „Tatort“ schauen, recht groß ist. Aber es gibt auch viele Zuschauer, die sich nur ihre Lieblinge herauspicken. Sonntagabend ist sicherlich ein genialer Sendeplatz. Montag wird im Büro oder in der Schule darüber gesprochen. Auch weil aus dem „Tatort“ oft eine Schlagzeile entsteht wie: „So blutig war der ‚Tatort‘ noch nie!“ Oder „Ist es wirklich so? Wir fragten den Polizeipräsidenten von Worpswede“. Jeder diskutiert mit, egal ob begeistert, kopfschüttelnd oder ratlos.
Ärgert es Sie, wenn am nächsten Tag geschrieben wird, dass die Polizeiarbeit nicht korrekt dargestellt wurde?
Milberg: Das ist eine sehr zentrale Frage, die alle „Tatort“-Redaktionen, Protagonisten und Produzenten beschäftigt. Was wollen wir? Wollen wir Polizeialltag erzählen oder Märchen, Träume und Albträume? Meine Haltung dazu ist: Wenn wir von der Wirklichkeit abweichen, sollten die Autoren sich bewusst sagen: „Ob das wirklich so ist, ist mir Wurst. Mir ist etwas anderes wichtiger!“ Zum Beispiel die Spannung, der Traum, die Poesie oder die Charaktere.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/WSKNIA7DDBCF5HORU7PXPU5SRQ.jpg)
„Wollen wir Polizeialltag erzählen oder Märchen, Träume und Albträume?“ Axel Milberg spielt den Kieler „Tatort“-Kommissar Klaus Borowski.
© Quelle: dpa
Wenn wir allerdings richtige Fehler machen, obwohl wir wissen, dass es anders ist, finde ich das ärgerlich. Ein Beispiel: Wie vernimmt man Verdächtige? Schreien wir sie an? Schüchtern wir sie ein? Stellen wir rhetorische Fragen? Packen wir sie am Schlafittchen und schütteln sie so lange, bis sie gestehen? Diese Vorgehensweise von Ermittlern ist vor Gericht nicht zu verwenden, macht aber ganz schön Eindruck im Fernsehen. Der Kommissar wird als engagiert dargestellt, der leidenschaftlich ermittelt. Aber auch gute Journalisten wissen: Wenn wir etwas erfahren wollen, müssen wir unseren Gesprächspartnern gegenüber freundlich und geduldig sein.
„Ich habe natürlich schießen gelernt“
Broich: Ich finde das als Schauspieler lustig, dass man die meisten Krimisituationen nur aus dem Fernsehen kennt. Ich weiß, wie ich ein Haus putze oder wie ich ein Auto fahre. Das sind Sachen, die ich selbst erleben kann. Aber ich ertappe mich ganz oft dabei, dass ich bei den Dreharbeiten in der Ecke stehe, auf meinen Auftritt warte und denke: „Das, was ich hier gerade mache, habe ich selbst nie erlebt – das kenne ich nur aus anderen Filmen.“ Situationen wie Verhöre oder Hausdurchsuchungen erlebt man ja – zum Glück – im echten Leben nicht so oft.
Möhring: Ich möchte Margarita etwas widersprechen. Ich habe zwar auch nicht viel davon erlebt, aber ich finde es wichtig, dass man jemanden fragen kann, wie es richtig ist. Ich habe zum Glück immer jemanden von der Polizei oder GSG 9, den ich jederzeit anrufen kann. Ich finde, dass wir verpflichtet sind, Polizeiarbeit realistisch zu zeigen. Das geht nicht immer, aber meine Herangehensweise als Schauspieler an eine Rolle ist, dass ich mich so gut wie möglich damit beschäftige.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/AMCFIIQQJZBYNOUZDI4PLMJTEU.jpg)
„Ich finde, dass wir verpflichtet sind, Polizeiarbeit realistisch zu zeigen“: Wotan Wilke Möhring spielt den „Tatort“-Kommissar Thorsten Falke in Norddeutschland.
© Quelle: dpa
Wenn ich einen Bauern spiele, muss ich auch wissen, wie eine Landwirtschaftsmaschine funktioniert. Wir zeigen zwar nie die Schreibarbeit von Polizisten oder wie sie essen und auf Toilette gehen. Aber bei allem anderen ist man dazu verpflichtet, sich damit zu beschäftigen. Margarita, du kannst gern 24 Stunden mit der Bundespolizei verbringen oder Streife gehen. Das kann ich vermitteln, das ist für jeden interessant. (lacht)
Broich: Das ist sehr nett, aber nicht wirklich nötig. Ich habe natürlich auch in der Vorbereitung meiner Rolle schießen gelernt und mich mit Leuten von der Mordkommission in Frankfurt getroffen. Dabei wurde mir übrigens klar, welche zentrale Rolle der Zusammenhalt zwischen Polizisten spielt. Dass ich dafür verantwortlich bin, dass mein Partner und ich geschützt sind, dass man aufeinander angewiesen ist. Ich gehöre zu der Generation, die sich vor den Atomkraftwerken von der Polizei hat wegtragen lassen. Daher sind meine ersten polizeilichen Kontakte auch eher schwierig gewesen. (lacht) Aber meine Sichtweise hat sich geändert, seitdem ich mich damit beschäftigt habe. Die Vorbereitung auf die Rolle ist doch eine der großen Freuden in unserem Beruf. Dabei muss es manchmal auch ohne persönliche Erfahrung gehen. Ich bin ja auch wunderbare Theatertode gestorben, ohne …
Nehmen Sie wahr, dass sich das Ansehen der Polizisten in den vergangenen Jahren verändert hat?
Milberg: Absolut. Ich empfinde es als eine dramatische Zuspitzung. Früher war ich oft kritisch gegenüber Polizeieinsätzen. Da gab es aber auch diese Deeskalationsausbildung bei der Polizei noch nicht. Anfang der Achtzigerjahre gab es zum Beispiel die Ausschreitungen in Wackersdorf wegen der Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe aus Kernreaktoren. Da war vonseiten der Polizei sehr viel Ungeübtes dabei, sodass es auf beiden Seiten eskalierte. Das ist heute anders – Polizisten handeln deutlich sanfter, psychologischer. Heute denke ich oft, dass die Polizei immer die Rübe hinhalten muss. Sie wird angespuckt, angerempelt und angezeigt. Und am Ende sagt noch nicht mal einer Danke.
„Das Feedback der Polizei ist ganz gut“
Möhring: Leider muss in einer Zeit, in der Polemik und Fake News immer mehr werden als Fakten, diese arme Masse von Polizisten dazwischen immer als Schubstruppe herhalten. Wir vergessen immer mehr, was man Menschliches leisten muss, um jemanden zu schützen, den man vielleicht sogar selbst blöd findet. Das Feedback der Polizei auf unsere Fälle ist aber ganz gut. Die sehen ja auch, dass wir uns Mühe geben. Diese psychotischen Ermittler, die sich im Grenzbereich der Labilität befinden und im echten Leben gar nicht ermitteln dürften, sondern sofort vom Dienst suspendiert werden würden, die sind hingegen ein großes Thema bei den „echten“ Polizisten. Die wären alle weg vom Fenster und dürften nie wieder eine Waffe tragen. So eine Darstellung kommt natürlich nicht gut an, weil sich jeder fragt: Kann ich jemanden wirklich auf die Menschheit loslassen, das Recht durchzusetzen, der gar nicht zurechnungsfähig ist?
Milberg: Oder ein anderes Beispiel: Der ermittelnde Kommissar geht auf das flatternde Polizeiabsperrband zu, hinter dem sich der Tatort befindet. Ein Statist hebt das Flatterband hoch. Mit einem leichten Kopfbeugen tritt der Held in den Raum, wo das Verbrechen stattgefunden hat. Das mögen vor allem Statisten nicht, die im echten Leben bei der Polizei arbeiten und wissen, was richtig ist. Wenn sie selbstbewusst sind, sagen sie einem dann bei den Dreharbeiten ins Gesicht: „Entschuldigung, Herr Milberg, aber das machen wir normalerweise nicht. Es gibt nicht den König und die Lakaien, sondern wir ermitteln als Team!“ Da bin ich für so einen Hinweis dankbar. Nie wieder lasse ich es zu, dass ein Statist gesagt bekommt: „Und wenn der Kommissar kommt, machst du das Band hoch.“ Das mache ich schön selbst.
„Der perfekte Mord ist der, den man für einen Unfall hält“
Möhring: Was auch oft falsch gemacht wird: Die Ermittlungsleiter, die wir alle verkörpern, sind natürlich nicht diejenigen, die die Festnahmen machen. Der Einsatzleiter ist normalerweise im Büro und koordiniert die Hausdurchsuchung und den Helikoptereinsatz. Um die Festnahme würde sich das SEK kümmern. Aber das würde im Film natürlich nicht gut aussehen. Die Ermittler müssen demjenigen, den sie die ganze Zeit gejagt haben, auch die Handschellen anlegen. Das ist ein filmisches Mittel, an das wir uns gewöhnt haben. Aber das gibt es bei der echten Polizeiarbeit nicht.
Herr Milberg, Sie sind am längsten beim „Tatort“ dabei. Was ist Ihrer Filmerfahrung nach die effektivste Tötungsmethode, die nicht aufgedeckt wird?
Milberg: Gift, das man auch nach kurzer Zeit nicht mehr im Körper nachweisen kann. Alternativ ist es ein guter Vorschlag, ohne Motiv zu morden. Da wird es dann bei der Ermittlungsarbeit sehr schwer.
Möhring: Der perfekte Mord ist der, der gar nicht als Mord erkennbar ist, sondern den man für einen Unfall hält. Ansonsten ist ein Mord ja noch Jahre später nachweisbar, wenn man zum Beispiel einen DNA-Test macht. Mittlerweile liegt die Aufklärungsquote bei Mord bei 98 Prozent. Aber wenn erst gar keine Ermittlungen eingeleitet werden, könnte man den perfekten Mord hinbekommen.
Was wäre denn ein perfektes Versteck für eine Leiche?
Broich: Auf jeden Fall nicht im Schrank. (lacht) Aber kleiner Fun-Fact am Rande: Ich habe neulich gehört, dass Männer Frauen umbringen, weil sie Angst haben, dass sie verlassen werden könnten. Und dass Frauen in der Regel Männer umbringen, um weggehen zu können. Ich weiß nicht, ob das statistisch belegt ist, aber es klingt erst mal logisch.
Es gibt aktuell sehr viele „Tatort“-Teams. Fällt Ihnen eine Stadt ein, die auch noch mal mit einem „Tatort“ geadelt werden müsste?
Möhring: Vielleicht wäre eine Stadt an der holländischen Grenze nicht schlecht. Aber je weiter weg man von einer Großstadt dreht, desto folkloristischer würden die Fälle werden. Es gibt Polizeireviere, die noch nie in ihrem Leben ein Tötungsdelikt bearbeitet haben. Ob das dann so spannend für einen „Tatort“ ist, weiß ich allerdings nicht.
„Ich finde, wir sollten uns auf Mallorca treffen“
Milberg: Mir hat auf Mallorca mal jemand gesagt, dass dort auch ein „Tatort“ spielen müsste. Die Idee finde ich gar nicht schlecht.
Wenn Ihre drei Kommissare in einem Krimi aufeinandertreffen würden, wie würde das aussehen?
Broich: Zuerst würden wir unsere Waffen vergleichen. (lacht) Ich finde es ganz toll, wenn man Charaktere aufeinandertreffen lässt, die aus unterschiedlichen Erfahrungswelten kommen.
Möhring: Ich finde, wir sollten uns alle auf Mallorca treffen und entdecken da etwas Verdächtiges in einem Hotel. Ich sehe schon, wie Axel im Pool ist, während ich mit Margarita beim Frühstück sitze. Wir drei sind alle außer Dienst, und dann passiert etwas.
Broich: Da wäre ich sofort dabei. Nicht nur wegen des Frühstücks, sondern auch wegen des besseren Wetters. (lacht)
Wenn Sie es sich aussuchen könnten: Wie würden Sie aus dem „Tatort“ aussteigen?
Milberg: Ich würde die Seite wechseln. Das fänd ich interessant. Am Ende habe ich so viel von Verbrechen gesehen und verstanden, dass ich moralisch verwerflich auf der dunklen Seite verschwinde.
Möhring: Ich würde aus dem „Tatort“ aussteigen, weil ich mich an der Behördenmentalität so sehr reibe, dass ich nicht mehr weiterkomme. Das ist genau das, woran das Polizeisystem krankt: Die Polizisten sind schlecht bezahlt, holen die kleinen Dealer von der Straße und wissen genau, dass die am nächsten Tag alle wieder draußen sind. Mit der Intention, mit der man mal diesen Job ergriffen hat, nämlich zu helfen, hat das nichts mehr zu tun. Es frustriert einen so sehr, dass man irgendwann denkt: Entweder wird man selbst korrupt oder man steigt aus. Ich wäre dann der Aussteiger.
„Wir wollen die düstere Seite des anderen sehen“
Broich: Wenn sich meine beiden Kollegen für einen moralisch-unmoralischen Ausstieg entscheiden, hätte ich einen ganz anderen Wunsch: Ich möchte gern weggeheiratet werden. (lacht)
Wird es den „Tatort“ in 50 Jahren noch geben – und wie könnte ein typischer Fall aussehen?
Broich: Ich bin gerade das erste Mal Großmutter geworden, wir reden also davon, was mein Enkel im Fernsehen gucken würde. Und der wäre dann aber auch schon 50 Jahre alt. O Gott, schwer vorstellbar. Die Frage ist wohl eher, ob es in 50 Jahren noch Fernsehen gibt. Ich selbst bin tatsächlich vorm Fernseher groß geworden. Ich habe als Kind immer Fernsehen geguckt, wenn ich durfte. Meine Kinder haben nur noch ein paar Micky-Maus-Filme geguckt. Heute lässt sich kein junger Mensch mehr vorschreiben, dass er um 20 Uhr die „Tagesschau“ gucken soll. Dass man sich dem Fernsehprogramm in irgendeiner Weise unterwirft oder anpasst, ist für die undenkbar. Jüngere Leute gucken heute mit Sicherheit viel weniger Fernsehen als in meiner Generation.
Milberg: Ich merke, dass es in meinem Körper noch so eine innere Uhr gibt. Da gibt es die 20-Uhr-Nachrichten, wenn der Tag zu Ende geht. Fernsehen on Demand oder Mediatheken werden eher zögerlich bei mir und meiner Frau benutzt. Natürlich nutzen wir Streamingdienste oder die Arte-Mediathek. Aber irgendwo im Hinterkopf habe ich noch diese Prägung. Das ist in Zukunft sicherlich so nicht mehr aufrechtzuerhalten. Vielleicht gibt es den „Tatort“ in zehn, 15 Jahren nicht mehr. Aber ich glaube, dass die Leute weiter ein Bedürfnis nach gut erzählten Krimis haben werden. In jahrzehntelanger Friedenszeit wollen wir die düstere Seite des anderen, des Unsichtbaren sehen und genießen. Was sich künftig inhaltlich ändern könnte, wäre, weniger Gewalt an Frauen zu zeigen. Überall sieht man, wie Frauen gequält werden, angstgeweitete Augen haben, umgebracht werden, Opfer von Gewalt sind. Wir müssen merken, dass diese omnipräsente Gewaltdarstellung an Frauen auch in eine Normalität reinsickert. Das war nie zeitgemäß und ist es jetzt erst recht nicht mehr – das gilt es künftig zu vermeiden.
Frau Broich, Herr Möhring, Herr Milberg, vielen Dank für dieses Gespräch.