„Julian Schabel“: Bescheidenheit stört nur
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Meister der Selbstinzsenierung: Julian Schnabel, von dem Freunde und Weggefährten im filmischen Porträt ausschließlich Gutes zu erzählen wissen.
© Quelle: Foto: Weltkino
Hannover. Schon in jungen Jahren wusste er genau, was er wollte, nämlich „ein großer Künstler sein“. Dieses Ziel erreichte Julian Schnabel schnell. Als die Galeristin Mary Boon ihn erstmals im Atelier besuchte, eröffnete ihr der noch unbekannte Künstler selbstbewusst, in fünf Jahren den Titel des international renommierten Kunstmagazins „Artforum“ zu zieren. Und das schaffte er 1979 tatsächlich.
Der Mann, dem alles gelingt
Seit fast 40 Jahren mischt Schnabel das Kunstgeschäft auf, sogar Pop-Art-Ikone Andy Warhol wunderte sich über das Wunderkind, das ihm in Exzentrik wahrlich nicht nachsteht und mit seiner unkonventionellen Materialkombination einen Hype entfachte. In seinen großformatigen Scherbengemälden klebte Schnabel zerbrochene Keramik und Teile von Tellern auf die Leinwand und malte mit Ölfarbe darüber.
Durch diese „Plate Paintings“ stieg der „junge Wilde“ in den 1980er Jahren zum Star der skandalträchtigen New Yorker Szene auf. Ein Verkaufsgenie und Selbstinszenierungsmeister ohne lästige Bescheidenheit ist er ohnehin. Egal, was er anfasst, ob als Maler oder Bildhauer, Architekt oder Designer, Fotograf, Drehbuchautor oder Regisseur von vier Filmen, darunter „Schmetterling und Taucherglocke“ („Golden Globe“ und Regiepreis in Cannes): Alles scheint Schnabel zu gelingen.
Wie Freunde über Freunde sprechen
Sein Lebensmotto lautet: „Mach die Sachen für dich selbst.“ Stationen dieses Lebens versucht Dokumentarfilmer Pappi Corsicato in den Griff zu bekommen. Er folgt dem heute 66-Jährigen mit großer Sympathie, kein Wunder, sind die beiden doch beste Freunde. Das bringt Vor- und Nachteile mit sich. So hatte Corsicato Zugriff auf Schnabels Archiv mit spannendem Filmmaterial aus allen Schaffensperioden. Viel erfährt man über die Kindheit und die enge Bindung zur Mutter, die ihn verwöhnte und ihm erlaubte, seine eigenen Regeln aufzustellen. Wenn das Allroundgenie über seine Anfänge spricht, künstlerische und persönliche Krisen streift, hört man ihm gerne zu.
Die Brüche der Figur fehlen
Wie Laudatoren wirken allerdings die kommentierenden Familienmitglieder, Freunde und Wegbegleiter wie Al Pacino, Willem Dafoe und Laurie Anderson, Künstlerkollegen wie Jeff Koons. Eine Lobpreisung toppt die andere – Großzügigkeit, Warmherzigkeit, visionäre Kraft, die Lust am Brechen von Tabus. Nur schade, dass die Brüche dieser Figur fehlen, die Kontroversen um den Mann, der gerne in seinem Lieblingsoutfit, dem Schlafanzug, auftritt und in seinem umstrittenen „Palazzo Chupi“ residiert, einem pinkfarbenen venezianischen Palast in Greenwich Village. Den Menschen in seiner ganzen Widersprüchlichkeit sucht man vergeblich.
Von Margret Köhler / RND