Mensch, Donald!
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Donald Duck erblickte vor 80 Jahren das Licht der Comicwelt – hier mit seinen Neffen Tick, Trick und Track.
© Quelle: epd
Berlin. Und es gibt gute Gründe zu der Annahme, dass das bevorstehende Jubiläum des bekanntesten Einwohners von Entenhausen in Wahrheit ein doppeltes ist. Donald, der faszinierendste Charakter der Duck’schen Sippe, ist nämlich zugleich auch schon hundert Jahre alt. Im Paralleluniversum Entenhausen, wo sich ein Bürgermeister namens Bleibtreu seit Entengedenken trotz Korruption und Vetternwirtschaft erfolgreich an seinen Stuhl krallt, wo eine Bande schwerkrimineller Panzerknacker fröhlich draußen herumspaziert und wo mehre Fantastilliarden in einem Geldspeicher gelagert werden, gelten keine gewöhnlichen Gesetze. Dort ist es ohne Weiteres möglich, achtzig und hundert zugleich zu sein.
Donalds erster Auftritt in der Welt in dem Filmchen „The Wise Little Hen“ (Die kleine kluge Henne) am 9. Juni 1934 wäre demnach nur der Tag seines Filmdebüts, nicht aber sein Schlüpftag. Nun hat sich im Disney-Konzern eingebürgert, das erste Auftauchen in Filmen oder in Comic-Zeichnungen als Geburtstag zu feiern. Andererseits gilt es in der Donald-Forschung als gesichert, dass der kleine Donni, der übrigens mit Zweitnamen Fauntleroy heißt, als Sohn von Degenhard und Dortel Duck an einem Freitag, 13. März, geboren worden ist. In amerikanischer Schreibweise heißt das: March 13, oder 3-13. Wie viele Leute hat auch Donald seinen Geburtstag als Autokennzeichen.
Geht man davon aus, dass Donald eine gewisse Zeit vor seinem Filmdebüt geboren sein muss, bieten sich laut Kalender nur drei mögliche Märzfreitage an: 1931, 1925, 1914. Weil Donald 1934 seinen Vertrag mit Walt Disney selbst unterschrieben hat, muss er folglich geschäftsfähig gewesen sein. Das ist man auch in Entenhausen weder mit drei noch mit neun Jahren, folglich ist der „echte“ Donald in diesem Jahr auch hundert Jahre alt geworden.
Man sieht ihn zum allerersten Mal, wie er auf seinem kleinen, klapprigen Schiff fröhlich singt und tanzt, diese Vorliebe Donalds kommt auch noch in folgenden Cartoons zur Geltung. Als die kluge, kleine Henne den Enterich aber um einen Gefallen bittet, täuscht Donald Bauchschmerzen vor, auch solche Täuschungen und auch die Arbeitsverweigerung leistet er sich auch in späteren Kurzfilmen. So gibt er sich also schon am Anfang seiner Karriere als unzuverlässiger und etwas fragwürdiger Charakter zu erkennen.
Donalds Herkunft war lange Zeit von einigen genealogischen Unklarheiten geprägt. Dass Degenhard und Dortel, die sich am Fuß des Glatzenkogel in der Nähe von Fort Entenhausen kennengelernt haben, seine Eltern gewesen sein müssen, lässt sich aufgrund ausgiebiger Charakterstudien zurückverfolgen. Beide hatten ein äußerst aufbrausendes Wesen, das sie wohl an ihren Entensohn weitervererbt haben. In den Comicstreifen der US-Zeitungen, in denen Donald seine ersten Abenteuer erlebt, entwickelt der berühmte Disney-Zeichner Carl Barks, unterstützt von Al Taliaferro, nach und nach den Charakter des im Grunde wohlmeinenden, aber von gnadenlosem Pech verfolgten Kleinbürgers.
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Donald Duck erblickte vor 80 Jahren das Licht der Comicwelt. Der beruehmteste Erpel der Welt schluepfte am 9. Juni 1934 aus der Feder des Amerikaners Carl Barks. (Siehe epd-Feature vom 26.05.2014) ACHTUNG: ABDRUCK DES BILDES NUR IM ZUSAMMENHANG MIT BERICHTERSTATTUNG DEN 80. GEBURTSTAG VON DONALD DUCK GESTATTET! BEI EINMALIGEM ABDRUCK BIS ZUM 15.07.2014 HONORARFREI!
© Quelle: epd
Ewig pleite, von seinem überaus reichen Onkel Dagobert zu niedrigsten Tätigkeiten (Münzenputzen für 30 Kreuzer Stundenlohn) gezwungen, erlebt er nur hin wieder glückliche Viertelstunden an der Seite seiner Dauerverlobten Daisy. Doch die ist bereit, sich stante pede an die Brust des strunzunsympathischen Glücksvogels Gustav Gans zu werfen, wenn der mit seiner Rasermatti-Maybock-Limousine um die Ecke biegt, während der Rasenmähermotor von Donalds Dreidreizehner auf dem Weg zum Picknick mal wieder nicht anspringen will. Vollends überfordert scheint der Erpel mit den 123 Berufen - sein Brotberuf, in den er immer wieder zurückkehrt, ist der des Assistenten des Hilfspackers in der Margarinefabrik - nach dem Jahr 1938. Da tauchen aus dem Nichts seine Neffen Tick, Trick und Track auf, angekündigt in einem Brief von Donalds Schwester Dumbella. Offensichtlich zunächst nur als Urlaubsvertretung gedacht, entwickelt sich die Erziehungsarbeit an den Neffen zur Daueraufgabe. Sie ist geprägt von Kämpfen um den Abwasch und um die mangelnde Lust der Knaben zum Schulbesuch. In dieser Phase verstärken sich die cholerischen Anfälle des Wutnickels Donald („Seht, ihr Ruchlosen, es gelüstet mich, euch zu zerschmettern“). Wie so oft im Leben scheitert Donald auch in der Erziehung an seinem Übereifer, zumal seine Reizbarkeit auch von außen gefördert wird. In Nachbar Zorngiebel findet Donald einen ebenbürtigen Prügelpartner („Da dreh ich durch. Ich kenne mich“).
In fragwürdigen soziologischen Studien, also außerhalb der offiziellen Donald-Forschung, ist in jüngster Zeit versucht worden, Donald als typischen „Wutbürger“ hinzustellen. Das wird dem vielschichtigen Charakter des Erpels in keiner Weise gerecht. Wenn er sich im öffentlichen Raum engagiert, geht er stets planvoll, ja fintenreich vor, wütet niemals mit dem Pöbel auf der Straße. Ökologisch fragwürdige Industrieprojekte seines Onkels Dagobert im Naturschutzgebiet Finsterwald hintertreibt er gemeinsam mit den Fieselschweiflingen und dank der Erfindungen Daniel Düsentriebs, aber stets kühlen Blutes.
Die Bürzelfedern sträuben sich ihm freilich, wenn er ganz persönlich übers Ohr gehauen wird, was häufig der Fall ist. Viktimologisch interessant ist schon, wie häufig Donald Gaunern, Dunkelmännern, Bauernfängern, Vertretern, Spionen und Schleimbeuteln auf den Leim geht, er scheint das Gesindel geradezu anzuziehen. Andererseits ist er ein Feingeist, der im Frühling zwanghaft dichten muss: „Komm goldne Frühlingssonne, mit deinem sanften Scheine, und fülle mir mit Wonne, die schlotternden Gebeine.“ Er steht, obwohl gnadenlos unterjocht, loyal zu seinem Onkel Dagobert, den er mit seiner Bauernschläue und seinem Überlebenswillen aus manchem Abenteuer heraushaut. Dabei fliegt er Flugzeuge, Hubschrauber und Weltraumraketen, als tue er nichts anderes. Er spricht offenbar mehrere Sprachen, ist weit herumgekommen in der Welt. Allein wie oft er vor Gläubigern oder vor seinem wutentbrannten Onkel schon nach Timbuktu fliehen musste, ist noch unerforscht.
Unser Autor ist Mitglied der D.O.N.A.L.D., der deutschen Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus, der sich der wissenschaftlichen Erforschung des Kosmos Entenhausen verschrieben hat.