Musik liegt in der Luft (V)

Wer als Stadtmensch nur ein Fünkchen Kultur in sich hat an Sommertagen, an denen alle fälschlicherweise die Fenster und Türen aufreißen, der hört die große Innenhofsinfonie.

Wer als Stadtmensch nur ein Fünkchen Kultur in sich hat an Sommertagen, an denen alle fälschlicherweise die Fenster und Türen aufreißen, der hört die große Innenhofsinfonie.

Hannover. Es klingt natürlich, in spielerischer Anmut umkreisen sich die beiden musikalischen Themen, dann dröhnt kräftiger, fast dramatischer Gesang: “Leon! Leon!“ und nach einer Pause wieder “Leeeeeoooon!“.

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Banausen würden von einem stinknormalen Nachmittag sprechen, an dem Lisa Flöte übt, Mama nach ihrem Sohn ruft und irgendwo dazwischen eine Taube nervt.

Doch wer als Stadtmensch nur ein Fünkchen Kultur und Sinn fürs Schöne in sich hat an solchen Sommertagen, an denen alle fälschlicherweise die Fenster und Türen aufreißen, weil sie versuchen, ihre warme Wohnung mit der noch wärmeren Luft von draußen zu kühlen, wer also diesen offenen Umstand nutzt und die Ohren aufsperrt, der hört die große Innenhofsinfonie.

Das Flöten-Tauben-Leon-Ensemble

Sie verbindet auf so simple Weise die unterschiedlichsten Melodien, Genres und Instrumente. Wenn das Flöten-Tauben-Leon-Ensemble, angespornt durch eine Kaffeemühle, weiter an Spannung gewinnt, dann abbricht und sich aus der Stille der Donnergroll einer nicht standfesten Waschmaschine im Schleudergang bei 1200 Umdrehungen erhebt – dann, ja dann braucht es keinen Dirigenten für dieses Meisterwerk, dann liegt Musik in der Luft.

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Das in den Raum gestellte Rätsel um Leon löst sich im zweiten Akt auch, weil die flehentlich rufende Mutter Leons Tür aufgerissen hat und laute Musik von Linkin Park die Innenhofsinfonie noch einmal kurzzeitig anschwellen lässt, um dann abrupt zu brechen.

Der Innenhof bebt

Es folgt ein intensiver Dialog zwischen Mutter und Leon, bevor aus dem Untergeschoss eine Fanfare einer “heute“-Sendung das Finale einleitet. Zunächst mit dem Wechsel von Staubsauger und Nachrichten, dann ergänzt durch Babygeschrei aus dem Erdgeschoss gegenüber und einen allergischen Niesanfall aus dem Obergeschoss, von dem man meint, sogar einige Tropfen in den Hof spritzen zu sehen.

Dann übt Lisa wieder Flöte und Leon holt in einem Akt der Vergeltung die E-Gitarre ans offene Fenster. Der Innenhof bebt. Sommerfestspiele. Überall und jeden Tag. Bayreuth ist eine Spieluhr dagegen.

Von Uwe Janssen

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