Trophäenshow wieder im US-Fernsehen

Tanz auf der Weltkugel: Gelingt der Neustart bei den Golden Globes?

HFPA-Chefin Helen Hoehne: „Wir haben hart daran gearbeitet, unsere Organisation von Grund auf zu reformieren.“

HFPA-Chefin Helen Hoehne: „Wir haben hart daran gearbeitet, unsere Organisation von Grund auf zu reformieren.“

Zum Beispiel Tom Cruise. Die längste Zeit seiner Karriere war der Superstar Stammgast bei den Golden Globes. Die Hollywood Foreign Press Association (HFPA), die Vereinigung der Auslandsfilmkorrespondenten in Hollywood, zeigte sich ihm gegenüber erkenntlich: Gleich drei goldene Weltkugeln – für „Geboren am 4. Juli“, „Jerry Maguire“, „Magnolia“ – bekam er im Laufe der Jahre in die Hand gedrückt und präsentierte dabei stets sein berühmt-berüchtigtes Strahlemannnlächeln.

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Dann gab Cruise die gesammelten Trophäen im Mai 2021 aus Protest zurück. Die „Los Angeles Times“ hatte Diskriminierung und Rassismus in den Reihen des Verbandes öffentlich gemacht. Unter den 87 Mitgliedern befand sich niemand mit schwarzer Hautfarbe. Das bis dahin hofierte Häuflein der Filmkorrespondenten nahm offenbar auch gern Geschenke an, die dann wiederum Einfluss auf die Nominierungen hatten (der wohl eklatanteste Fall: die seichte Netflix-Serie „Emily in Paris“).

Ob Cruise nun wieder zurückkehrt, wenn am Dienstagabend die Golden Globes nach einem Jahr ohne Glanz und Glamour einen Neustart wagen? Sein Fliegerdrama „Top Gun: Maverick“ ist nominiert, er selbst als Hauptdarsteller dagegen nicht.

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Der Stand-up-Comedian Jerrod Carmichael, in den USA gern gesehener Bühnengast, soll die Gala im angestammten Beverly Hilton Hotel moderieren. Nach Angaben der Veranstalter werden alle Beteiligten persönlich anwesend sein – und nicht etwa virtuell zugeschaltet. Starke Filme wie die irische Tragikomödie „The Banshees of Inisherin“ gehören zu den Favoriten. Auch Fernsehproduktionen werden bei den Globes gewürdigt.

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Cruise war nur einer von vielen Namhaften, die sich entrüstet abgewandt hatten. Die Schauspielerin Scarlett Johansson hatte damals verkündet, dass sie sich auf HFPA-Pressekonferenzen Fragen habe stellen lassen müssen, „die an sexuelle Belästigung grenzen“. Plötzlich war der HFPA, seit 1944 gepriesen als Gradmesser für die Oscars und gerühmt für ausgelassene Champagnerlaune, ein heftiger Sturm entgegengeblasen.

Über Jahre angestauter Unmut brach sich Bahn. Der Fortbestand des Verbandes stand auf dem Spiel. Der bis dahin so treue US-Fernsehsender NBC wollte die Preisgala 2022 nicht mehr übertragen. Am Ende wurde nicht einmal ein roter Teppich ausgerollt. Es ließ sich ja sowieso niemand blicken. Genauso gut hätte auch ein Kaninchenzüchterverein seine Jahressitzung durchführen können.

Nun soll die Show wieder steigen. Auch NBC ist wieder mit von der Partie, zumindest in diesem Jahr. Die Schauspielerinnen Jamie Lee Curtis, Ana de Armas und Regisseur Quentin Tarantino wollen neben anderen Weltkugeln an die Sieger verteilen. Die HFPA selbst hält sich mit Namen bedeckt. Deren deutschstämmige Verbandsvorsitzende Helen Hoehne kündigte die „Hollywoodsparty des Jahres“ an. Die Frage ist, ob die bislang zur Schau gestellten Selbstreinigungskräfte ausreichen, um bei der 80. Globe-Gala an vergangenen Ruhm anzuknüpfen.

Training für Mitglieder

Die Mitgliederschar ist nach Hautfarbe und Geschlecht deutlich bunter geworden und hat sich mehr als verdoppelt. Frauen machen nun gut die Hälfte der Abstimmungsberechtigten aus. Die Annahme von Werbegeschenken ist mittlerweile verboten, ein Training zum Umgang mit Hautfarbe, sexueller Belästigung und sexueller Orientierung obligatorisch.

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Die Funktionäre übten sich unterdessen fleißig in Reuebekundungen. „Wir haben hart daran gearbeitet, unsere Organisation von Grund auf zu reformieren und umzustrukturieren“, sagte Hoehne. Zugleich betonte sie jedoch: „Wir haben immer gesagt, als wir diese Reise antraten, dass sie andauere und Zeit brauche.“

Dennoch ist die Skepsis bei vielen Film- und Fernsehschaffenden noch immer groß. Das dürfte auch mit dem Geschäftsgebaren der Organisation zusammenhängen.

Die HFPA, bis dahin eine Non-Profit-Organisation, versilberte die Globe-Rechte an den umtriebigen Milliardär Todd Boehly, der beispielsweise die Zeitschrift „Hollywood Reporter“ sein Eigen nennt, Filme und Serien produziert und auch zu den Mitbesitzern des FC Chelsea gehört, seit sich der russische Oligarch Roman Abramowitsch von dem Verein trennte. Praktischerweise hat Boehly auch Anteile am Beverly Hilton Hotel.

Gehalt statt Geschenke

Boehly soll HFPA-Mitgliedern nach Informationen der „Los Angeles Times“ nun ein Gehalt zahlen. Mit anderen Worten: Es gibt keine teuren Präsente mehr, dafür aber für einige ein Jahreseinkommen in der Größenordnung von angeblich 75.000 Dollar.

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Gespannt sind nun alle auf die Stardichte am Dienstagabend. Bislang war die Beziehung zwischen Verband und Celebrities stets ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Die HFPA bekam Stars auf dem Silbertablett serviert und ließ diese umgekehrt gut aussehen. Auch Cruise und Johansson wussten, worauf sie sich einließen.

Ob der Verband eine strahlende Zukunft hat, könnte von den Einschaltquoten abhängen. Diese gingen in den vergangenen Jahren zurück – nicht nur bei den Globes, sondern auch bei den noch viel prestigeträchtigeren Oscars.

Die Oscar-Academy, der rund 10.000 Mitglieder in aller Welt angehören, hatte schon früher auf Diversität gesetzt. Aber auch sie musste sich immer wieder Vorwürfe gefallen lassen, wenn sich mal wieder keine schwarzen Regisseurinnen und Regisseure unter den Nominierten fanden. Wer dieses Jahr auf die Oscars hoffen darf, gibt die Academy am 24. Januar bekannt.

Ein Globe-Nominierter hat bereits angekündigt, dass er am Dienstagabend lieber zu Hause bleiben wird: Brendan Fraser könnte als bester Schauspieler in der Kategorie Drama mit seinem sehenswerten Drama „The Whale“ gewinnen. Der Film bedeutet das Comeback des einstigen Actionstars („Die Mumie“). Doch nach Frasers Worten hatte ihn der einstige HFPA-Vorsitzende Philip Berk 2003 im Schritt begrapscht.

Verlassen musste Berk den Verband erst 2021, nachdem er die Black-Lives-Matter-Bewegung als „rassistische Hassbewegung“ betitelt hatte. So leicht wird man seine Vergangenheit nicht los.

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