Staatsanwalt fordert Strafverfahren gegen Ramadan
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Schon jetzt scheint das Image Tariq Ramadans schwer beschädigt. Im November beurlaubte die britische Universität Oxford den Professor für zeitgenössische Islamstudien.
© Quelle: imago stock&people
Paris. Seinen Anhängern gilt – oder galt – er als Vordenker eines europäischen Islam, als Moral-Kompass, ja als Guru: eloquent und charismatisch. Die Gegner von Tariq Ramadan wiederum warnen vor einer gefährlichen Doppelzüngigkeit, seinen besonders konservativen Positionen und der Vision eines politischen Islam. Eine ganze Generation europäischer Muslime zog der Intellektuelle, dessen Großvater Hassan al-Banna die ägyptischen Muslimbrüder begründete, in seinen Bann; seine Streitbarkeit gab ihm dabei noch Auftrieb. Auf Facebook zählt er mehr als zwei Millionen Anhänger.
Nun aber gerät Ramadan in große Bedrängnis: Nachdem er sich seit Mittwoch wegen der Vergewaltigungsklagen zweier Frauen in Polizeigewahrsam befand, forderte die Pariser Staatsanwaltschaft am Freitag, ein Strafverfahren einzuleiten.
Ramadan soll für sich andere Maßstäbe ansetzen
Schon jetzt scheint das Image des 55-jährigen Schweizers schwer beschädigt, der den Islam sehr strikt auslegt und doch zugleich den Ruf hat, in seinem Privatleben ganz andere Maßstäbe anzulegen. Schon länger hieß es von ihm, er stelle Frauen nach; als im Herbst die Klagen gegen ihn bekannt wurden, zeigte das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ Ramadan mit einem überdimensionalen Penis und der Aussage: „Ich bin die sechste Säule des Islam.“ Daraufhin gingen zahlreiche Todesdrohungen gegen die Zeitschrift ein, die 2015 Ziel eines islamistischen Anschlags geworden war.
Im November beurlaubte die britische Universität Oxford den Professor für zeitgenössische Islamstudien und Autor zahlreicher Bücher als Reaktion auf die „ernsthaften Anschuldigungen“ gegen ihn.
Der Wissenschaftler spricht von Verleumdung
Die Schilderungen der Klägerinnen ähneln sich dabei; eine der Frauen wird von französischen Medien als „Christelle“ bezeichnet, bei der zweiten handelt es sich um die frühere Salafistin Henda Ayari, die inzwischen als Aktivistin für Feminismus und gegen den radikalen Islam kämpft. Beide Frauen hatten Ramadan mit der Bitte um religiösen Rat kontaktiert.
„Christelle“ sagte aus, er habe sie bei einem ersten Treffen nach längerem Schriftverkehr im Oktober 2009 in der Bar eines Pariser Hotels schnell in sein Zimmer gebeten. Dort schlug er ihr ihrer Aussage zufolge ins Gesicht, auf Arme, Brüste und den Bauch und vergewaltigte sie. „Je mehr ich schrie, desto mehr schlug er zu“, berichtete die heute 45-Jährige.
Ramadan selbst erwidert, es handle sich um eine „Verleumdungskampagne“: Die Begegnung habe eine halbe Stunde gedauert, es sei zu keinerlei sexuellem Akt geschweige zu einer Vergewaltigung gekommen. „Christelle“ kann allerdings medizinische Zertifikate ihrer Verletzung vorweisen sowie ihre Kenntnis einer intimen Narbe des Islamwissenschaftlers.
Es könnte noch weitere Opfer gegeben haben
Henda Ayari schilderte in ihrem 2016 erschienen Buch „Ich habe mich entschieden, frei zu sein“ eine ähnliche Szene einer Vergewaltigung durch einen Mann namens „Zoubeyr“. Nun erklärte sie, bei „Zoubeyr“ handele es sich um Tariq Ramadan. „Christelle“ klagt über monatelange Drohungen nach den Vorfällen, Männer hätten sie auf der Straße verfolgt.
Ihrem Verteidiger zufolge habe ihr die #metoo-Debatte geholfen, eine Klage zu wagen; momentan versucht ihr Verteidiger, weitere Frauen, die von Ramadan bedrängt oder vergewaltigt worden seien, zu einer Aussage oder Klage zu überzeugen. Ramadans Anwalt zufolge hat dieser selbst Klage wegen Verleumdung eingereicht.
Von Birgit Holzer/RND