Weshalb es in diesem Jahr keinen Literaturnobelpreis gibt
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Dieses Jahr kein Thema auf der Buchmesse: Die Verkündung des Literaturnobelpreises setzt aus.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Frankfurt. Etwas fehlt bei der dieser Buchmesse: die fiebrigen Spekulationen über den diesjährigen Gewinner des Literaturnobelpreises. Die Verkündung zur Halbzeit der Messe markiert traditionell einen Höhepunkt des Branchentreffens. Für einen Moment ringen sich Journalisten und Gratulanten um den Verlag des glücklichen Preisträgers, wird der hoffnungsfroh mitgebrachte Sekt aus Bücherkisten gekramt und bei überraschenden Auszeichnungen auch mal panisch nach ausreichenden Buchexemplaren vom soeben geadelten Schriftsteller gesucht.
Drama um die Schwedische Akademie
Dieses Jahr jedoch wird der Nobelpreis nicht verliehen. Das Vergabegremium, die Schwedische Akademie, hat den Ruf als hoch ehrwürdige Institution infolge der Kontroverse um den Kulturmanager Jean-Claude Arnault und seine Frau, dem Akademiemitglied Katarina Frostenson, eingebüßt. Arnault ist soeben wegen Vergewaltigung zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, er soll zudem Informationen über Nobelpreiskandidaten ausgeplaudert haben. Mehrere Akademiemitglieder traten aus Protest über den Umgang der Akademie mit dem Belästigungs- und Korruptionsskandal zurück. Die Akademie verlor zwischenzeitlich die Beschlussfähigkeit. Kritiker fordern, dass die Pause in diesem Jahr auch dafür genutzt wird, die Kriterien der Preisvergabe grundlegend zu überdenken.
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Als kleiner Ersatz dient ein alternativer Literaturnobelpreis. Mehr als 100 schwedische Schriftsteller, Theaterleute und Wissenschaftler haben die Neue Akademie gegründet und das Preisgeld von 100.0000 Euro über Crowdfunding gesammelt. Sie ließen Bibliothekare insgesamt 47 Favoriten nominieren, auf der Liste standen für den herkömmlichen Nobelpreis gehandelte Autoren wie die Friedenspreisträgerin Margaret Atwood oder Amos Oz neben populären Schriftstellerinnen wie J.K. Rowling oder der Punkrockerin Patti Smith, deren Auszeichnung an den Vorjahrespreisträger Bob Dylan angeknüpft hätte. Mehr als 30.000 Leser aus aller Welt stimmten im Internet ab. Am Freitag soll verkündet werden, welcher der drei Schriftsteller von der Shortlist das Rennen macht: die karibische Autorin Maryse Condé, die sich mit den Folgen des Kolonialismus auseinandersetzt, die gebürtige Vietnamesin Kim Thúy, die als Zehnjährige als Bootsflüchtling nach Kanada kam und Heimat ihr großes Thema nennt oder der britische Autor Neil Gaiman, der in seinen psychologisch tiefgründigen Science-Fiction und Fantasy-Geschichten auch die Wirklichkeit beleuchtet.
Buchmesse auch ohne Nobelpreis spannend
Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami bat in einer Email an die Neue Akademie darum, seinen Namen wieder von der Shortlist streichen zu lassen. Er will sich wohl die Chance auf den richtigen Preis nicht vergeben, zu dessen Favoriten er Jahr für Jahr zählt. Sabine Cramer, die Verlegerin seines deutschen Verlages Dumont, zeigte sich zum Auftakt der Messe entspannt. Sie sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Die Buchmesse ist für uns immer hektisch, aufregend und spannend – auch ohne Nobelpreisverleihung. Ich bin nicht böse, wenn es Jahre gibt, in denen dieses Thema auf der Messe keine große Rolle spielt.“ Das könnte auch im nächsten Jahr noch so sein. Laut Lars Heikenstein, Direktor der Nobel-Stiftung, kann sich die Vergabe des offiziellen Literaturnobelpreises auch noch über 2019 hinaus verschieben.
Von Nina May / RND