Wie hat der Zauberwürfel seinen Erfinder verändert?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/YGSNDILBSVA5JNE632XFETAPBA.jpeg)
Wie schnell löst er sein Rätsel? Ernö Rubik und sein Zauberwürfel.
© Quelle: Daniel Karmann/dpa
Herr Rubik, mal angenommen, der Zauberwürfel wäre ein menschliches Wesen, was für ein Typ wäre er?
Er ist vielleicht kein Mensch, aber er ist eine lebendige Kreatur. Er lebt, jedenfalls auf eine bestimmte Art.
Deshalb haben Sie ihn in Ihrem Buch selbst sprechen lassen?
Genau. Aber sein Blick auf die Welt ist natürlich ein ganz anderer als meiner.
Sie beschreiben ihn als offener, kontaktfreudiger.
Ja, es gibt da einen großen Gegensatz zu mir. Ich bin eine sehr viel introvertiertere Person. Ich bin kein Menschenfeind, aber ich bin längst nicht so offen. Der Würfel begegnet täglich unzähligen Menschen, und es hängt an jedem selbst, was er aus dieser Begegnung macht. Das wäre für mich schwierig.
Der Zauberwürfel wurde bis heute mehr als 350 Millionen Mal verkauft, er gilt als eines der erfolgreichsten Spielzeuge aller Zeiten. Egal wohin Sie auf der Welt kommen, der Würfel und Ihr Name sind schon da. Befremdet Sie das?
Am Anfang war es ungewöhnlich und überraschend. Aber Menschen sind gut darin, sich an Dinge zu gewöhnen. Wenn Sie den Sonnenuntergang zum ersten Mal sehen, sind Sie überrascht. Aber wenn Sie mehrere gesehen haben, achten Sie auch auf die Begleitumstände, auf Berge, Seen und so weiter. Sagen wir es so: Es stört mich nicht, ihm zu begegnen.
Sie haben den Zauberwürfel 1974 entwickelt. Damals wollten Sie Ihren Studenten räumliches Denken beibringen. Worum ging es Ihnen damals: um ein bloßes Hilfsmittel für den Unterricht? Oder ging es Ihnen schon damals um eine Philosophie?
Zunächst würde ich sagen, dass ich lieber von einer Entdeckung als von einer Erfindung spreche. Ich entdecke Dinge. Sie zu erfinden hieße, sie aus dem Nichts zu erschaffen, aber das trifft in diesen Fällen nicht zu. Ich entwickele nur etwas, das schon da ist. Ich mag es auch nicht, Dinge vor Menschen zu verstecken und dann zu verlangen, dass sie sie finden.
Als wollten Sie ihnen das Leben schwer machen.
Ja, ich möchte keine Herausforderungen kreieren. Zuerst mal war es für mich eine interessante Struktur, eine Lernaufgabe. Das Puzzle ist für mich nur ein Ergebnis dieser Struktur. Der Würfel ist einfach eine ideale Veranschaulichung der Probleme, auf die man auch im Leben immer wieder stößt.
Welche Probleme sind das?
Wir veranschaulichen Komplexität, indem wir den Würfel zeigen. Ich habe das mal recherchiert und bin allein auf 1000 Bücher gestoßen, die den Würfel auf dem Titel haben, um irgendein Problem zu veranschaulichen. Viele davon sind Mathematikbücher, aber sie handeln nicht von der Mathematik des Würfels, sondern von der Mathematik im Allgemeinen. Andere Bücher gehen um Politik oder Management, sogar Berichte über den Brexit wurden mit dem Zauberwürfel illustriert.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/DL4SMRYJCLPVJ5D54JAL3YOMAU.jpg)
Nerd-Liebling damals wie heute: der Zauberwürfel des Herrn Rubik.
© Quelle: dpa-Zentralbild
Nach der Erfindung des Würfels waren Sie logischerweise auch der Erste, der ihn lösen musste. Wie lange haben Sie damals denn gebraucht?
Heute hat man eine Menge gesammeltes Wissen zur Verfügung. Aber damals gab es nichts. Es hat mich wirklich Zeit gekostet, mehrere Wochen. Ich bin ja kein Mathematiker. Ich habe es mit Logik versucht und die Aufgabe in mehrere Teilaufgaben zerlegt. Die Lösung ist nicht wie ein fertiger Satz, sondern man hat die Wörter, und die muss man dann in die richtige Reihenfolge bringen.
Wie hat der Würfel Ihr Leben verändert?
Ich habe dasselbe getan, als hätte es den Würfel nicht gegeben. Ich wurde Dozent, Designer, Professor, und nun bin ich im Ruhestand. Ohne den Würfel hätte ich sicher mehr Zeit für anderes gehabt, aber dann hätte ich vielleicht auch etwas anderes entwickelt.
Hat der Würfel Sie reich gemacht – je nachdem, was Reichtum im Ungarn der Siebziger- und Achtzigerjahre hieß?
Ich würde sagen: Unter den Armen wurde ich einer der reichsten und unter den Reichen einer der ärmsten. Ich hatte vor dem Würfel keine Probleme mit Geld, und ich hatte anschließend keine Probleme mit Geld. Aber ich habe Geld und Erfolg auch nie angestrebt. Für mich war das immer mehr ein Geschenk, das ich durch den Würfel bekommen habe. Es ist wie bei einem Geburtstag. Und wenn man so ein Geschenk bekommt, dann bemisst man es nicht.
Der Würfel hat in den vergangenen Jahren ein großes Revival erlebt. Haben Sie eine Idee, woran das liegt?
Manchmal fühlen wir uns anders als in der Vergangenheit. Aber es gibt auch Dinge, die überzeitlich sind – unser Verhältnis zur Natur, die Natur des Menschen, solche Dinge. Wir mögen ja auch nach wie vor Shakespeare. Die Gesellschaft, die sozialen und politischen Bedingungen, alles das ist völlig anders als zu seiner Zeit. Aber wir verstehen die Menschen und wie sie handeln. Die Kinder heute bekommen den Würfel von ihren Eltern und Großeltern. Der Würfel ist nicht modisch, er ist ein Klassiker. Lehrer erzählen mir immer das Gleiche: Sobald ein Kind einen Würfel mitbringt, sind nach ein paar Wochen alle Kinder glücklich.
Die Schnellsten lösen den Würfel heute in fünf Sekunden, mathematisch besonders Versierte brauchen nur rund 20 Züge. Verfolgen Sie diese Rekordversuche noch?
Früher bekam ich Briefe aus der ganzen Welt, heute kann ich alles im Netz verfolgen. Viele fragen mich, wann die Entwicklung an ein Ende kommen wird. Ich kann nur sagen: Noch nicht. Eines Tages wird es passieren. Aber noch ist es nicht so weit.
Spielen Sie selbst noch mit dem Würfel?
Ja, das tue ich, aber vor allem suche ich nach Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Digitalisierung, mit Apps. Die meisten, die per App mit dem Würfel spielen, besitzen ihn auch noch in Wirklichkeit.