Wollten Sie mit Ihrer Musik die Welt verändern, Cat Stevens?

Yusuf Islam alias Cat Stevens.

Yusuf Islam alias Cat Stevens.

Yusuf/Cat Stevens, Sie melden sich aus Dubai. Sind Sie dorthin vor Corona geflüchtet?

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Dubai ist schon seit 2010 der Ort, an dem ich die meiste Zeit verbringe. Diesmal sind wir nach dem Winter aber einfach hiergeblieben und gar nicht mehr gereist. Es läuft in Dubai vergleichsweise gut mit der Pandemie, speziell, wenn ich mir angucke, was in Großbritannien los ist.

In Dubai muss alles immer größer und höher sein als anderswo. Der Ort wirkt protzig und neureich, üblicherweise wimmelt es von Touristen. Ausgerechnet dort haben Sie Ihre Wahlheimat gefunden?

Ja. Mir und meiner Familie gefällt es einfach sehr gut. Ich entdeckte Dubai 2001, damals war hier noch mehr Wüste und weniger Glitzer, das kam erst in den Jahren danach. Wir wohnen nicht mitten im Trubel. Ich kann mich hier gut auf meine Arbeit, speziell auf das Schreiben, konzentrieren. Die meisten meiner Kinder und Enkel sind auch da, wir haben ein schönes, ruhiges Familienleben. Trotzdem meckert meine Frau immer, dass ich zu viel arbeiten würde. Doch das ist eben meine Natur. Seit ich als kleiner Junge begann, im Restaurant meines Vaters in London zu singen, habe ich nicht mehr wirklich mit der Arbeit aufgehört.

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Immer scheint die Sonne

Trotzdem tippe ich einfach mal, dass Sie den Tag stets im Wasser starten.

(lacht) Haben Sie eine Überwachungskamera an meinem Haus installiert? Das stimmt. Jeden Morgen springe ich nach dem Aufstehen als Erstes in den Pool, schwimme ein paar Runden und mache im Wasser meine Gymnastikübungen. Danach gibt es Frühstück. Und immer scheint die Sonne.

Sie sehen für einen Mann von 72 Jahren sportlich und drahtig aus. Dank Ihres Pools?

Auch. Allerdings lebe und esse ich insgesamt recht gesund. Und ich habe mir meinen Enthusiasmus, meine Lebensfreude, meine Wissbegier immer erhalten. Es hält einfach jung, neugierig zu bleiben und immer zu lernen.

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Was haben Sie vom Corona-Jahr 2020 gelernt?

Dass wir eine große Verantwortung haben für die Welt, in der wir uns bewegen. Unsere Aufgabe besteht darin, vorsichtiger und rücksichtsvoller mit diesem wunderschönen Planeten umzugehen, auf dem wir leben dürfen. Die Pandemie hat uns Selbstverständlichkeiten genommen und uns gelehrt, wie zerbrechlich wir sind. Wir sind nur Menschen, und im Kampf mit dem Virus wird uns bewusst, wie klein und machtlos wir in Wirklichkeit sind. Ich habe viel nachgedacht in dem Jahr – insbesondere über unser Verhältnis zur Natur. Wir müssen uns als Teil der Schöpfung betrachten, nicht als deren Zentrum.

„Where Do the Children Play?“

Lag Ihnen die Frage, wie wir im Einklang mit der Natur leben können, nicht schon immer am Herzen?

Das ist wahr. „Where Do the Children Play?“ zum Beispiel ist ein Song über die Zerstörung unserer Ressourcen und über eine Generation von Kindern, die statt im Grünen im urbanen Dschungel aufwachsen musste. Das sind heute unvermindert relevante Themen. Eine bewundernswerte Persönlichkeit wie Greta Thunberg greift diese Fragen auf und führt uns vor Augen, dass wir keine Zeit mehr verlieren dürfen.

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Das Lied erschien vor 50 Jahren. Eine Umweltbewegung im heutigen Sinn gab es damals noch gar nicht. Wie erklären Sie sich, dass Ihre Ideen von damals heute fast noch relevanter geworden sind?

Manchmal öffnet sich dir als Künstler ein kleines Fenster. Ein Fenster aus Erfahrungen und Erwartungen. Und durch dieses Fenster erhaschst du dann möglicherweise einen Blick in die Zukunft. Ich war im Jahr 1968 sehr krank, litt an Tuberkulose. Übrigens eine Situation, die mich an die jetzige erinnert: Ich war vollständig isoliert auf dem Land in einem Spital, der Tod war dort plötzlich sehr nah für einen jungen Mann von 20 Jahren. Rückblickend war diese Zeit ein Geschenk. Damals lernte ich, dass man behutsam und pfleglich mit dem Leben umgehen muss. Ich dachte viel nach, reifte und entwickelte eine Haltung, für die es damals noch gar kein Wort gab und die man heute Achtsamkeit nennt.

Ihre Alben „Mona Bone Jakon“ und „Tea for the Tillerman“, beide 1970 veröffentlicht, wurden zu Klassikern. „Tillerman“ enthält mit „Wild World“ und „Father and Son“ zwei Welterfolge, die auch heutigen Jugendlichen geläufig sind und tausendfach gecovert wurden. War Ihnen bewusst, auch musikalisch Ihrer Zeit voraus zu sein?

Oh, ich möchte mich herzlich bedanken. Nein. Niemand weiß, dass er ein Meisterwerk erschafft, während er genau das gerade tut. Diese Bewertungen kommen erst später und dann natürlich auch nicht von einem selbst. Ich kann immerhin sagen, dass „Mona Bone Jakon“, ein so pures und minimalistisches Album, mein liebstes von allen ist. Und dass ich bis heute immer und immer wieder auf „Tillerman“ angesprochen werde. Die Menschen werden dieser Songs nicht müde. Meine Musik hat sich gut gehalten und viele Stürme überdauert.

„Morning Has Broken“, „Wild World“, „Father and Son“ – die Liste der Welthits von Cat Stevens ist lang. Aufgewachsen ist der 1948 in London geborene Musiker als Steven Demetre Georgiou. Ende der Sechzigerjahre veröffentlichte er erste Alben. Zum 50-jährigen Jubiläum hat der englische Singer-Songwriter seine zwei wohl besten Alben, „Mona Bone Jakon“ und „Tea for the Tillerman“, mit Zusatzmaterial aufgemotzt und wiederveröffentlicht. Und: Seine Songs wirken gar nicht gealtert.

Ende der Siebzigerjahre konvertierte der Brite zum Islam und nannte sich fortan Yusuf Islam. 1979 trat er noch einmal bei einem Benefizkonzert auf, danach spielte der einstige Weltstar öffentlich viele Jahre keine Musik mehr und veröffentlichte keine Platten. Für einige Äußerungen zum Islam – so verteidigte er die Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie („Satanische Verse“) – erntete er in westlichen Ländern Kritik.

Seit einiger Zeit firmiert der 72-Jährige offiziell als  Yusuf/Cat Stevens. Mehrmals ist er in den vergangenen Jahren wieder aufgetreten. So tourte er 2014 auch in Deutschland nach der Veröffentlichung seines Albums „Tell ’em I’m Gone“, an dem Starproduzent Rick Rubin mitgearbeitet hatte.

„Morning Has Broken“, „Wild World“, „Father and Son“ – die Liste der Welthits von Cat Stevens ist lang. Aufgewachsen ist der 1948 in London geborene Musiker als Steven Demetre Georgiou. Ende der Sechzigerjahre veröffentlichte er erste Alben. Zum 50-jährigen Jubiläum hat der englische Singer-Songwriter seine zwei wohl besten Alben, „Mona Bone Jakon“ und „Tea for the Tillerman“, mit Zusatzmaterial aufgemotzt und wiederveröffentlicht. Und: Seine Songs wirken gar nicht gealtert. Ende der Siebzigerjahre konvertierte der Brite zum Islam und nannte sich fortan Yusuf Islam. 1979 trat er noch einmal bei einem Benefizkonzert auf, danach spielte der einstige Weltstar öffentlich viele Jahre keine Musik mehr und veröffentlichte keine Platten. Für einige Äußerungen zum Islam – so verteidigte er die Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie („Satanische Verse“) – erntete er in westlichen Ländern Kritik. Seit einiger Zeit firmiert der 72-Jährige offiziell als Yusuf/Cat Stevens. Mehrmals ist er in den vergangenen Jahren wieder aufgetreten. So tourte er 2014 auch in Deutschland nach der Veröffentlichung seines Albums „Tell ’em I’m Gone“, an dem Starproduzent Rick Rubin mitgearbeitet hatte.

Mit Liedern eine Botschaft an die Welt senden

Wollten Sie mit Ihrer Musik damals die Welt verändern?

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Nein, so würde ich es nicht ausdrücken. Ich hatte jedoch instinktiv das Gefühl, mit diesen Liedern eine Botschaft an die Welt zu senden. Die Botschaft von der Begeisterung für das Leben. Die Botschaft, dass es glücklich macht, Wissen und Weisheit zu sammeln, seinen Horizont stetig zu erweitern.

Und immer auch ein bisschen Kind zu bleiben?

Genau. Den jugendlichen Schwung nicht zu verlieren. Ich schaue in den Spiegel und denke: „Wer ist der alte Knabe?“

Hat die lebensgefährliche Tuberkulose als gerade mal Erwachsener Ihre Einstellung dem Leben gegenüber verändert?

Die Krankheit hat mich mit dem Blues verbunden. Mit der Musikrichtung, aber auch mit dem Gefühl. Sie hat mich melancholischer gemacht. Ich hörte damals sehr viel von dieser traurigen Musik, die zugleich sehr kämpferisch auf mich wirkte. Der Blues trat damals schon gegen Rassismus und Ungerechtigkeit an. Heute ist es eher der Hip-Hop.

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Ist es nicht enttäuschend, dass wir als Gesellschaft nicht weitergekommen sind? Dass eine Bewegung wie Black Lives Matter notwendig ist?

Ich bin mir nicht sicher, was die Antwort ist. Persönlich habe ich nie einen Unterschied gemacht zwischen Schwarz und Weiß, Niemand von uns hat das. Jimi Hendrix war unser König. Für einen englischen Musiker in den Sechzigern war so etwas wie Diskriminierung sehr weit weg vom eigenen Denken. Und doch hat sich irgendetwas im Gesellschaftssystem gehalten und wurde nie ausgemerzt. Rassismus ist wie ein Virus, für das bis heute kein Vakzin gefunden wurde. Wahrscheinlich gibt es keins. Die Heilung kann nur aus jedem selbst kommen, durch Erkenntnis und Bildung.

„Morning Has Broken“

Ihre Songs vermitteln Zuversicht. Ist Ihnen das wichtig?

Sogar sehr. Mich erfreut und befriedigt es ungemein, dass meine Lieder, aus welchen Gründen auch immer, Hoffnung und Optimismus verbreiten. „Peace Train“, „Changes“ oder „Morning Has Broken“ haben einen positiven Effekt auf die Gedanken vieler Menschen, die Zukunft betreffend. Sie rühren und berühren. Ich erinnere mich, dass bei einem Konzert in Deutschland ein riesengroßer, sehr bärtiger Kerl ohne jede Hemmung weinte. Das war so schön. Es zeigt, dass Musik den sensiblen Teil unseres Wesens, der oft vom modernen Leben verschüttet wird, tatsächlich erreichen kann.

Ganz besonders „Father and Son“ ist auch so ein Tränendrücker, oder?

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Massiv. „Father and Son“ hat bis heute eine Wahnsinnswirkung und eine enorme Reichweite. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern lässt niemanden kalt. Ich schrieb das Lied ursprünglich für ein Musical über die Russische Revolution. Der Sohn wollte mit den Aufständischen marschieren, doch der Vater verlangte, dass er sich daheim um den Bauernhof kümmert. Es geht in „Father and Son“ um den Drang nach Veränderung auf der einen und das Establishment auf der anderen Seite.

Repräsentieren Sie für Ihre inzwischen erwachsenen Kinder so etwas wie das Establishment?

Oh nein, ich bin weit davon entfernt. Ich glaube, ich habe rechtzeitig aus diesem Song gelernt. (lacht) Es gibt höchstens manchmal kleinere Tauziehen. Und meistens haben ja sowieso die Kinder recht. Mein Sohn zum Beispiel war derjenige, der mich wieder mit meiner Gitarre versöhnte.

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Wann und wo war das?

2003 hier in Dubai, während eines Familienurlaubs. Ich hatte die Gitarre aus meinem Leben verbannt. Ich dachte, ich brauche sie nicht mehr. Mein Sohn brachte sie zurück und eröffnete mir eine Welt, die mir noch vertraut war, von der ich aber dachte, ich sähe sie nie wieder.

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Sie konvertierten Mitte der Siebziger zum Islam, gaben Ihre musikalische Karriere und Ihren Namen Cat Stevens auf. Erst 2006 veröffentlichten Sie wieder ein Album. Warum kehrten Sie zurück zur Folkmusik?

Ich erkannte das Verbindende. Die kommunikative Macht von Musik ist gigantisch. Mit einem Song kannst du 10.000 Menschen in einer Arena erreichen. Dieses Gefühl wollte ich wieder spüren.

Cat Stevens ist eine Marke

Begann Yusuf Islam den alten Cat Stevens zu vermissen?

Ich glaubte lange, dem sei nicht so. Ich erreichte mein Publikum auf andere Weisen, mit islamischen Liedern, durch meine humanitäre Arbeit. Mit unserer Organisation Peace Train haben wir Schulen gebaut und engagieren uns für Nahrung, Bildung und Spielplätze. Erst wenn die Menschen nicht mehr hungern, kann man sich um alles Weitere kümmern. Essen ist das Grundbedürfnis.

Sie haben Yusuf und Cat Stevens jetzt quasi wiedervereinigt. Wie kam es dazu?

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Das war ein längerer Prozess. Die Plattenfirma fragte mich seit vielen Jahren, ob ich mich nicht wieder Cat Stevens nennen wollte. Ich habe lange gezögert, doch irgendwann dachte ich: „Warum eigentlich nicht?“ Cat Stevens ist eine Marke. Der Name ist größer als ich selbst. Mich nicht mehr Cat Stevens zu nennen ist ja ungefähr so, als würde Paul McCartney bestreiten, einer der Beatles gewesen zu sein.

Sie waren einer der ersten kommerziell erfolgreichen Liedermacher. Über die Jahre kommen immer wieder Singer-Songwriter auf, die Ihnen nacheifern.

Mein Stil, einfach Gesang und Gitarre, ist nie komplett unmodern geworden. Ich war wohl einer der Ersten von denen, die man heute Indiemusiker nennen würde. Was ich gemacht habe, hat viele Menschen inspiriert und ihnen geholfen, ihre eigene musikalische Identität zu finden.

Ihre beiden Alben sind jetzt als „Super Deluxe Box Sets“ wiederveröffentlicht worden. Das ist eher etwas für ältere Leute mit Geld. Zugleich entdecken junge Menschen Ihre Musik auf Youtube oder Spotify. Was halten Sie von Streaming?

Och, da bin ich aufgeschlossen. Es gibt ja immer weniger Geräte, auf denen man CDs überhaupt noch abspielen kann. Mein Lieblingsmedium ist und bleibt Vinyl, aber Streaming ist eine Notwendigkeit geworden. Die Labels fanden darin einen Weg, einen Teil ihres durch Piraterie verlorenen Einkommens wiederzuerlangen. Ohne Spotify und Co. hätte die Musikindustrie vielleicht nicht überlebt.

Was haben Sie jetzt als Nächstes vor?

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Ich bleibe erst mal hier. Das Konzertgeschehen für 2021 ist unsicher, alles hängt von der Pandemie ab. Wenn möglich, werden wir rausgehen und spielen. Bis dahin werde ich an meiner Autobiografie weiterschreiben. Ich bin 2020 super vorangekommen. Wenn es so weitergeht, kann ich sie im kommenden Herbst endlich veröffentlichen.

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