Kosmetik für Männer

Der geschminkte Mann: Warum nicht mehr nur Frauen zu Make-up greifen

Mann fürs Make-up: der britische Popstar Harry Styles.

Mann fürs Make-up: der britische Popstar Harry Styles.

Er trägt gerne Glitzer unter den Augen und betont seine Lippen mit einem erdigen Rotton: Harry Styles spielt so gekonnt mit Make-up wie kaum ein anderer. Der britische Popsuperstar verwischt mit sichtlichem Spaß die Geschlechtergrenzen, und genauso selbstverständlich, wie er Perlenketten und Röcke anzieht, lackiert er sich auch die Fingernägel. Jüngst hat der 28-Jährige die Kosmetiklinie „Pleasing“ herausgebracht. Sie wird als genderneutral beworben und damit ausdrücklich nicht nur für Frauen. Styles reiht sich damit in eine neue Entwicklung in der Beautyindustrie ein: Männer entdecken Make-up.

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Es ist mehr als nur ein kurzlebiger Hype: Das Marktforschungsunternehmen Allied Market Research schätzt, dass der Markt für Männerkosmetik 2022 bei einem Wert von rund 166 Milliarden US-Dollar liegt. 2021 stiegen die Verkäufe um 4,5 Prozent. Dafür hat auch der Zoom-Boom gesorgt: Während der Lockdowns hatte eine Vielzahl von Menschen beiderlei Geschlechts Zeit, sich in Onlinemeetings im Computer ausgiebig selbst zu betrachten – und dabei Optimierungspotenzial festzustellen.

Noch fehlt es teiweise an Akzeptanz

In Lifestyleblogs wie Mister Matthew werden mittlerweile ganz selbstverständlich Schmink- und Pflegetipps für Männer verbreitet, die schließlich, genau wie Frauen auch, zuweilen mit müder oder unreiner Haut zu kämpfen haben: „An Tagen mit besonders starken Augenringen greife ich zu einer kleinen Portion Concealer, die das Gesicht frischer, wacher und gesünder aussehen lässt“, verrät der 25-jährige Mister Matthew, der nur bei seinem Künstlernamen genannt werden will.

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Wenn es allerdings um sichtbare dekorative Kosmetik geht, habe er schon einige Male fehlende Akzeptanz zu spüren bekommen, wie er sagt. In seinem queeren Stadtteil Dresden-Neustadt fühle er sich wohl und akzeptiert. „Verlasse ich aber meinen Kiez, merke ich schnell, dass vollständige Offenheit und Toleranz an vielen Stellen der Gesellschaft fehlen. Von überraschten Blicken über Beleidigungen bis hin zu unschönen Ausrufen ist da eigentlich alles dabei.“ Doch von Jahr zu Jahr gehe er besser damit um, sagt der Blogger.

Respekt, Religion und Renaissance

In früheren Zeiten waren geschminkte Männer Respektspersonen. Dekorative Kosmetik als reine Frauensache ist eine relativ junge Entwicklung. Eine frühe Form des Make-ups wurde aus religiösen oder spirituellen Gründen aufgelegt oder als Merkmal der Gruppenzugehörigkeit. Im alten Ägypten etwa trugen die Pharaonen das, was wir heute als Smokey Eyes bezeichnen: dramatisch schwarz geschminkte Augen aus einem Öl-Kohle-Gemisch. In der Antike färbten sich auch Männer die Lippen als Zeichen von Fruchtbarkeit, und in der Renaissance klebten sich Adlige Schönheitspflästerchen auf die Wangen.

Mehr und mehr galt Schminken jedoch als unmännlich. Im 19. Jahrhundert, als die für ihre strenge Moral bekannte Queen Victoria einen Sittenverfall fürchtend verkündete, dass Make-up vulgär und unangebracht sei, verzichteten selbst Frauen darauf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Rouge und Co. wieder angesagt und der Lippenstift kam auf. Im Nachtleben der Zwanzigerjahre zeigten sich durchaus auch Männer mit Farbe im Gesicht. Für die Mitglieder der Queerbewegung, die in New York in dieser Zeit entstand, war Make-up gar Ausdruck der Befreiung.

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Muskeln und Lipgloss sind kein Widerspruch

Später spielten vor allem Musiker wie David Bowie, der sich mit pink bepinseltem Gesicht in die Kunstfigur Ziggy Stardust verwandelte, oder Brian Eno, der mehrfarbigen Lidschatten trug, virtuos mit den Geschlechteridentitäten. Aber Bowie war eben der „Starman“ auf der Bühne, der sein androgynes Image untermalte und dafür Beifall bekam. Der Mann auf der Straße nutzte nicht mal Creme. Erst in den vergangenen 15 Jahren schwand die Scheu von Männern, ins Kosmetikregal zu greifen. Der oft als me­trosexuell bezeichnete Fußballspieler David Beckham demons­trierte, dass es kein Widerspruch sein musste, muskelbepackt zu sein und gleichzeitig Lipgloss zu benutzen.

In Zeiten, in denen Konsumenten bereit sind, viel Geld für ein gepflegtes Äußeres auszugeben, bringen Marken wie Chanel oder Tom Ford eigene Linien für Männer heraus. Vor zehn Jahren starteten die ersten Videos im Netz, in denen sogenannte Beauty Boys Schminktipps gaben, die bis heute millionenfach angesehen werden. Auf Instagram begann das Hashtag #makeupknowsnogender zu trenden, Make-up kennt kein Geschlecht. Als die Moderatorin Barbara Schöneberger 2019 über maskuline Beautytrends lästerte und sagte, „Männer sind Männer, Männer sollen irgendwie auch Männer bleiben“, folgte ein Shitstorm.

Mehr Integration in den Markt

In Zeiten, in denen immer mehr Menschen offenbaren, sich nicht einem Geschlecht zugehörig zu fühlen, scheint es alltäglich zu werden, dass Männer sich schminken. Die Produktpalette ist groß – auch wenn Nutzer wie Blogger Mister Matthew hoffen, dass sich der Markt noch besser auf sie einstellt: „Manchmal wünsche ich mir als Mann, dass noch mehr auf spezifische Bedürfnisse eingegangen wird. Durch die größere Anzahl an Talgdrüsen fettet Männerhaut im Gesicht zum Beispiel wesentlich schneller nach.“

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Kosmetik und Bart vertrügen sich außerdem nicht immer. Auf der Website von „Men‘s Health“ kann man nachlesen: „Vorsicht in der Bartpartie: Schon in superkurzen Stoppeln setzen sich Make-up und getönte Pflege stark ab.“ Und das ist doch das eigentlich Bemerkenswerte: Wo es früher für Männer in Sachen Körperpflege nur Fitness- und Ernährungstipps zu lesen gab, wird heute ganz selbstverständlich über ein Thema geschrieben, das eine Hälfte der Menschheit genauso interessiert wie die andere: äußere Schönheit.

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