Ärzte aus Cuxhaven helfen bei Unfällen auf See – per Telefon
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Manuel-Georg Burkert, Chefarzt für Intensiv, Notfall und Palliativmedizin an der Hellios Klinik in Cuxhaven, berät Seeleute weltweit nach Unfällen auf Schiffen.
© Quelle: dpa
Cuxhaven. Das Arbeiten an Bord von Frachtschiffen ist nicht ungefährlich, immer wieder kommt es zu Unfällen auf hoher See. Manche sind besonders schwer, so wie der eines deutschen Kapitäns im vergangenen Jahr. Vor der Küste des Omans hatte ihn eine Welle gegen eine Stahlkonstruktion des Frachters geschleudert. Der Kapitän erlitt Brüche und schwerste Kopfverletzungen. „Wäre das an Land passiert, hätte man ihn ins künstliche Koma versetzt und ins nächste Krankenhaus gebracht“, sagt Notfallmediziner Manuel Burkert. Aber wie soll das gehen, wenn rund um den Unfallort nichts als Wasser ist? Auf den Weltmeeren müssen sich Seeleute darum mit ärztlicher Hilfe per Telefon oder Mail begnügen – so lange, bis das Schiff einen Hafen erreicht. Und das kann manchmal dauern.
Seit 1931 im Dienst der Seefahrt
Im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums und der Berufsgenossenschaft Verkehr betreibt die Helios Klinik Cuxhaven den ärztlichen Notrufdienst Medico. 15 speziell geschulte Mediziner gehören neben ihrer normalen Klinik-Tätigkeit dem Telemedical Maritime Assistance Service (TMAS) an. „Die funkärztliche Beratung, die 24 Stunden rund um die Uhr zur Verfügung steht, ist kostenfrei und steht allen Schiffen weltweit zur Verfügung“, heißt es auf dem Internetportal der deutschen Flaggenstaatverwaltung. Medico sei ein wesentlicher Bestandteil des Gesundheitsschutzes für Seeleute.
Bereits seit 1931 betreuen und beraten Ärzte des Cuxhavener Krankenhauses Seeleute per Funk. Seit der Privatisierung der Klinik im Jahr 2014 haben die Helios Kliniken als Träger des Krankenhauses diesen Dienst übernommen.
Im vergangenen Jahr beriet das von Chefarzt Burkert geleitete Team über 900-mal Seeleute. „2003 waren es noch 250 Fälle, durch die zunehmende Digitalisierung wird die Hemmschwelle immer geringer, uns zu kontaktieren“, sagt Burkert. In den meisten Fällen werde hausärztlicher Rat abgefragt. Bei Verletzungen oder Geschwüren schickten die Seeleute Fotos für eine bessere Diagnose. An Bord behandeln die Offiziere, die Cuxhavener Mediziner stehen ihnen über Satellit telefonisch oder per Mail zur Seite. „Sie können einen Zugang legen und Wunden nähen“, sagt Burkert.
Ralf Nagel, Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Reeder, hat gute Erfahrungen mit der funkärztlichen Beratung gemacht. „Natürlich verfügen Seeleute über eine medizinische Grundausbildung, aber im Notfall ist die Live-Unterstützung durch das Medico von unschätzbarem Wert“, betont er. Es werde daran gearbeitet, dass die Ärzte demnächst auch einen Videostream von Bord empfangen können.
Weltweit haben sich rund drei Dutzend Länder verpflichtet, einen telemedizinischen Dienst anzubieten. Der Service in Cuxhaven war ursprünglich Schiffen mit deutscher Flagge vorbehalten. Mit der zunehmenden Ausflaggung der Seeschiffe steht er inzwischen allen Wasserfahrzeugen auf den Weltmeeren zur Verfügung – und das nicht nur Containerriesen, sondern auch Segelyachten, wie Burkert betont.
Wichtig: Die Lage beruhigen
Nicht nur die medizinischen Beratung sei wichtig, sagt Burkert: Bei lebensbedrohlichen Situationen komme es auch darauf an, die Lage n Bord zu beruhigen. Denn bei einem Fall wie dem des Kapitäns, herrsche Ausnahmezustand an Bord. Der Mann habe so schnell wie möglich an Land gebracht werden müssen. Doch wegen der rauen See war das zunächst nicht möglich. „Die Crew musste auf besseres Wetter warten.“
Ob ein Schiff seinen Kurs ändere, entscheide der Kapitän. Manchmal gebe es taktische Gründe gegen eine Fahrt zum nächsten Hafen, obwohl dies medizinisch sinnvoll wäre. „Für uns Ärzte ist es oft schwierig, sich nicht-medizinischen Notwendigkeiten unterzuordnen“, sagt der 43-Jährige. Er könne sich meist aber in die Situation an Bord versetzen, da er selbst zur See fuhr – 16 Jahre lang war er bei der Marine.
Zwölf Stunden habe es gedauert, bis der verletzte Kapitän in einen Hafen gebracht werden konnte. Bis dahin telefonierte Burkert fast ununterbrochen mit der Besatzung auf dem Schiff, der Reederei und mehreren Seenotleitungen. Der Kapitän wurde im Oman im Krankenhaus behandelt und dann nach Hamburg geflogen. „Solche Fälle sind immer sehr komplex“, sagt Burkert. „Aber das macht sie auch so spannend.“
Von Janet Binder