Nach Bombenunglück in Göttingen

Bombenentschärfer-Team neu aufgestellt

Seit dem Tod der drei Kollegen ist alles anders. „Da ist so ein Bauchgefühl, die Seele schwingt ständig mit“, sagt Sprengmeister Hans Mohr. Wenn aber die Bombe dann direkt vor ihm liege, schwänden alle Gedanken an die Explosion in Göttingen, die vor sechs Monaten die beiden Sprengmeister Thomas Gesk und Gerd Ehler sowie ihren Vorarbeiter Torsten Ehrhardt mitten aus dem Leben riss. „Bei der Arbeit an der Bombe sind wir völlig auf die Aufgabe konzentriert“, sagt Mohr.

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Bereits Anfang November hat der 46-jährige Mohr die Aufgabe seines verstorbenen Kollegen Thomas Gesk übernommen. Seit vier Wochen leitet der vierfache Vater nun den Erkundungs- und Bergetrupp des sogenannten Landesräumprogramms. Mit seinem Team sucht er in ganz Niedersachsen systematisch nach Blindgängern, um sie mehr als 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs unschädlich zu machen. Gestern stellte Christian Grahl, Präsident der Zentralen Polizeidirektion Hannover, den Sprengmeister und gelernten Minentaucher der Öffentlichkeit vor.

Monatelang hatte sich das Innenministerium nach dem Unglück von Göttingen nicht zur Zukunft des Kampfmittelbeseitigungsdienstes geäußert – und die Wiederbesetzung der drei auf so tragische Art und Weise frei gewordenen Stellen herausgezögert. Am Donnerstag nun konnte Polizeipräsident Grahl noch einen zweiten Sprengmeister vorstellen: Der 51-jährige Jürgen Koppelmeyer übernimmt die Aufgaben des verstorbenen Gerd Ehler. Genau wie sein Kollege Hans Mohr war er zuvor als Vorarbeiter beim Kampfmittelbeseitigungsdienst beschäftigt, beide verfügen seit Jahren über die Sprengmeisterlizenz. „Es war uns wichtig, die Stellen aus den eigenen Reihen zu besetzen. Damit können wir ganz sicher sein, dass wir exzellente Leute bekommen“, sagte Polizeipräsident Grahl. In den kommenden Wochen sollen nun die Vorarbeiterstellen, die Mohr und Koppelmeyer frei machen, sowie die des in Göttingen ums Leben gekommenen Vorarbeiters Torsten Ehrhardt neu besetzt werden. „Die Stellen sind bereits ausgeschrieben“, sagte Grahl. Auch sie sollen aus den eigenen Reihen besetzt werden – unterm Strich bekommen die insgesamt 43 Kampfmittelräumer der Zentralen Polizeidirektion Hannover also keine neuen Kollegen hinzu.

Sie müssen ihre Arbeit weiterhin mit weniger Personal bewältigen als vor dem verheerenden Unglück im Juni in Göttingen. „Wichtig ist, dass wieder sechs Teams im Einsatz sind“, sagte Grahl. Sollten die Kampfmittelräumer an Kapazitätsgrenzen stoßen, müsse darüber nachgedacht werden, zusätzliche Stellen extern auszuschreiben.

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Die Zukunft des Kampfmittelbeseitigungsdienstes ist damit keinesfalls geklärt. Die beiden Sprengmeister Mohr und Koppelmeyer haben befristete Verträge unterschrieben, die Ende 2011 auslaufen. Auch die neuen Vorarbeiterstellen sind auf ein Jahr befristet. Hintergrund ist eine Strukturprüfung, mit der eine Arbeitsgruppe im Innenministerium seit Monaten beschäftigt ist. Dabei geht es um die Frage, ob sich das Land zukünftig überhaupt noch einen eigenen Kampfmittelbeseitigungsdienst leisten will. Alternativ könnte das Land private Firmen mit dem Aufspüren und Entschärfen der Blindgänger beauftragen. Arbeit ist in jedem Fall ausreichend vorhanden: Im vergangenen Jahr wurden die Kampfmittelräumer aus Hannover allein zu 1105 unvorhergesehenen Bombenfunden – etwa auf Baustellen – in ganz Niedersachsen gerufen.

Gewerkschaft übt Kritik

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Personalpolitik der Zentralen Polizeidirektion in Bezug auf die Bombenräumer scharf kritisiert. Die Behörde zünde Nebelkerzen, teilte Gewerkschafter Dietmar Schilff mit.

„Wenn Nachbesetzungen bei den Sprengmeistern aus den eigenen Reihen erfolgen, ist das in Ordnung. Wenn für diese Stellen allerdings kein Ersatz eingestellt wird, bleiben beim Kampfmittelbeseitigungsdienst drei Stellen unbesetzt“, erklärte Schilff. Vor dem Göttinger Unglück, bei dem drei Bombenräumer ums Leben kamen, seien 25 Kollegen im Außendienst rund um die Uhr beschäftigt gewesen. Jetzt seien es nur noch 22. „Warum versucht die Zentrale Polizeidirektion, das zu verschleiern?“, fragte Schilff.

Die Beschäftigten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sind, nach Erkenntnissen der GdP, sehr verunsichert. Wegen der vom Innenministerium angekündigten Strukturprüfung bangten einige sogar um ihre Jobs.

„Welche Bedeutung eine solche Prüfung haben könnte, kann man bei der Hubschrauberstaffel und der Wasserschutzpolizei sehen“, erboste sich der Gewerkschafter. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat die Streichung von Stellen bei der Wasserschutzpolizei angekündigt. Außerdem sollen die Standorte im Binnenland geschlossen werden, zentraler Standort wird Wilhelmshaven. Die Wasserschutzpolizei soll sich stärker auf die Küste konzentrieren. Auch bei der Hubschrauberstaffel stehen Kürzungen an.

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Vivien-Marie Drews/Tobias Morchner/dpa

Dieser Artikel wurde aktualisiert.

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