Spektakuläre Not-OP im Friederikenstift

Die Rettung der abgetrennten Hand

Nino Krumme kann wieder lächeln: Mediziner haben in einer Notoperation seine linke Hand gerettet.

Nino Krumme kann wieder lächeln: Mediziner haben in einer Notoperation seine linke Hand gerettet.

Hannover . Wie der Unfall genau passiert ist, daran kann sich Nino K. nicht mehr erinnern. „Das ging unheimlich schnell“, erzählt der junge Mann, der heute seinen 23. Geburtstag feiert – in der Klinik für Plastische-, Hand- und Mikrochirurgie des Friederikenstifts. Am vergangenen Montag hatte sich der Metallbauer mit einer sogenannten Hochrasanzkreissäge seine linke Hand abgetrennt. In einer zwölfstündigen Notoperation nähte sie der Chefarzt der Fachklinik, Privatdozent Jürgen Kopp, unterstützt von seinem Kollegen Eibe Schreiber, wieder an. „Herr K. hat gute Chancen, seinen Beruf weiterhin auszuüben“, ist Kopp zuversichtlich.

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Nino K., der in einer Metallbaufabrik in Linden beschäftig ist, bearbeitete an jenem 14. Oktober mit einer Metallkreissäge einen Aluminiumblock. Das Werkstück verkantete sich, die Kreissäge rutschte ruckartig nach vorn. Dabei wurde seine komplette linke Hand in Höhe des Handgelenks vom Arm abgetrennt. „Herr K. hat letztlich Glück gehabt, dass er in eine extrem schnelle und glatte Metallkreissäge geraten ist“, sagt der 49-jährige Kopp, der seit mehr als 20 Jahren als Plastischer Chirurg arbeitet. „Dadurch war es eine glatte Amputation. Verletzungen durch eine Holzkreissäge wären ungleich schwerwiegender gewesen.“

„Ich weiß noch, dass ich um Hilfe geschrien habe, als es passierte“, erinnert sich der Rechtshänder. In diesem Moment habe er auch sehr starke Schmerzen verspürt – und registriert, dass seine linke Hand abgetrennt war. Dann ging alles sehr schnell. Noch im Krankenwagen erhielt Nino K. Schmerzmittel. Seine Kollegen reagierten geistesgegenwärtig. „Der Ersthelfer des Unternehmens hat die abgetrennte Hand sofort in eine Plastiktüte getan und in einen Kühlschrank gelegt“, sagt der Metallbauer, aus dessen Verband ein Stück von Daumen und Zeigefinger herausschauen. Seinen kleinen Finger, der bei dem Unfall ebenfalls abgetrennt wurde und zunächst nicht auffindbar war, konnten die Ärzte nicht mehr retten. Außerdem mussten Teile von Ring- und Mittelfinger amputiert werden.

„Vom Unfall bis auf unseren OP-Tisch hat alles weniger als eine Stunde gedauert“, sagt Privatdozent Kopp. Zunächst wurden die Handknochen des Patienten stabilisiert, in denen heute zwei dicke Drahtstifte stecken. Dann wurde das Amputat komplett gesäubert und das zerstörte Gewebe so sparsam wie möglich entfernt. Währenddessen legten Anästhesisten bei Nino K. einen Schmerzkatheter, außerdem erhielt er Blutkonserven. Anschließend nähten die Chirurgen Stück für Stück der Hand wieder an – unter dem Mikroskop. Als erstes die beiden Schlagadern, um vor allem die Muskelzellen wieder mit dem Sauerstoff des Blutes zu versorgen. Dann kamen die Gelenkkapsel, Sehnen, Nerven und zum Schluss die Venen an die Reihe. „Bei einer Amputation sind die Muskeln das Hauptproblem“, erläutert Kopp. „Werden Muskelzellen nicht innerhalb von zwei Stunden mit Sauerstoff versorgt, sterben sie ab.“ Aus diesem Grund könnten einzelne Finger in Extremfällen bis zu 24 Stunden nach einer Amputation replantiert werden, weil einzelne Finger selbst kaum Muskeln haben.

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Nino K. hat die Operation gut überstanden. Er kann die Hand bewegen, schon jetzt erhält er täglich Physiotherapie. Einmal stündlich wird der Sauerstoffgehalt in den Fingern gemessen, um zu sehen, ob die Durchblutung funktioniert. „Er liegt bei 97 Prozent, wie bei einem Nichtraucher“, sagt Kopp. Noch etwa drei Wochen bleibt der Patient in der Klinik, danach stehen drei bis vier Monate Rehabilitation an. „Ich möchte ein Riesenlob aussprechen“, sagte der junge Mann gestern. „Die Versorgung ist astrein hier.“

Kühl und trocken transportieren

Unfälle mit abgetrennten Gliedmaßen sind nach Angaben von Privatdozent Jürgen Kopp, Chefarzt der Klinik für Plastische-, Hand- und Mikrochirurgie des Friederikenstifts, sehr selten geworden. „Die Sicherheitsstandards in den Unternehmen, aber auch der Maschinenhersteller, wurden in den vergangenen Jahren deutlich verbessert“, sagt der Mediziner. Noch bis vor zehn Jahren seien schwere Kreissägenverletzungen, etwa im holzverarbeitenden Gewerbe, gang und gäbe gewesen.
Um abgetrennte Gliedmaße wieder annähen zu können, müssen sie kühl und trocken transportiert werden. Nur dadurch besteht eine Chance, dass sie wieder anwachsen. Am besten geeignet sind zwei saubere Plastiktüten. In der ersten wird das abgetrennte Körperteil aufbewahrt. Die zweite wird mit Wasser und Eiswürfeln sowie dem verschlossenen Plastikbeutel befüllt, in dem das Amputat lagert. So können etwa abgetrennte Finger mehrere Stunden lang aufbewahrt werden. Bei feuchter Lagerung hingegen quillt das Gewebe des Körperteils auf.

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