Diese Hannover-Orte erinnern an Städte weltweit
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Verbindet hannoversche Plätze mit fremden Orten: Uwe Stelter.
© Quelle: HAZ
Hannover. Rums! Der Frontalzusammenstoß zweier Gedanken. Jedes Mal beim Blick auf die Bilder des Lindener Fotografen Uwe Stelter. Fast so wie mit Hadronen im Teilchenbeschleuniger. Ein Foto aus der Heimat und darauf gedruckt der Name einer fremden Metropole. Zum Beispiel: Ihme-Zentrum und „Monaco“ – rums! Gilde-Brauerei mit „Edinburgh“ – rums! Der Zartbitter-Schokoriegel des Sprengel-Anbaus und „Teheran“ – rums! Ernst August vorm Hauptbahnhof mit der Ortsmarke „Ankara“ – rums!
Drei Jahre lang hat Stelter an der Architektur seines Bildprojekts „Eine Stadt“ herumexperimentiert, dann, vor 20 Jahren, hat er die ersten Motive der bis heute ständig erweiterten Serie auf großformatigen, beleuchteten Werbetafeln in der Stadt vorgestellt. Manche schmeichelnd, manche schmähend, alle Ansichtssache. Über den „drei warmen Brüdern“ des Lindener Heizkraftwerks stand „Osaka“ und über dem Neuen Rathaus „Paris“. „Das gab Gegenwind“, berichtet Stelter. Bürger hätten im Rathaus angerufen und sarkastisch gefragt, ob „der Franzose“ Hannover übernommen habe.
Schrift im Bild ist verpönt
Findet Stelter das spießig? „Nein, überhaupt nicht.“ Der Gedankendialog eines vertrauten Bildes und eines fremden Namens im Kopf des Betrachters sei „nicht für jeden angenehm. Auch für die Hardcore-Fotografen war das ein Affront“, fügt er an. Schrift im Bild – total verpönt. Andererseits, Werbeleute und Marketingstrategen mögen fotografietechnisch spektakulärere Bilder als Stelters Aufnahmen, die eher eine Ode an die Eleganz spröder Sachlichkeit sind.
Bilder sind ein Geschenk-Klassiker
Also, nicht Kunst genug für die Galerie, nicht sexy genug für die Werbung – was also tun mit der Serie von nunmehr 70 Bildern? Das Volk hat entschieden – mit dem Portemonnaie. Die Bilder sind ein Geschenk-Klassiker, jede verschickte Postkarte der Serie bedeutet für Stelter einen „analogen Retweet Hannovers“. Die Plakate sind in Studenten-WGs in etwa so häufig zu sehen wie in den Siebzigerjahren Che Guevara. Stelter hat quasi das Altarbild fürs Studi-WG-Allerheiligste geschaffen: die Tür-Innenseite vom WC. Eine Galerie hat mehr Prestige – aber kann sie solche Intimität für den Flirt von Werk und Betrachter bieten? Stelter gefällt der Platz, den „Eine Stadt“ gefunden hat.
Neues von Stelter
Soeben ist ein neuer Stelter-Kalender erschienen (22,50 Euro, etwa bei Hugendubel). In Arbeit ist auch ein Bildband zu „Eine Stadt“, er soll Ostern 2017 erscheinen.
Erst Motiv, dann Name
Nicht reich, aber unabhängig habe die Idee ihn gemacht, sagt Stelter. „Ich hätte nie gedacht, dass die Idee so lange trägt, dass sie mich so lange treibt.“ Und sie treibt ihn immer noch. Manchmal ziellos durch die Stadt. Meist hat er erst das Motiv im Kopf oder vor der Linse und sucht später nach dem Namen (Beispiele: die Hanomag-U-Boot-Halle als Pyöngyang).
Manchmal ist auch zuerst der Name der Stadt da, und Stelter wartet, bis sich das Motiv aufdrängt. Beispiel Ankara: „Ich wollte immer Istanbul machen und habe lange nach dem richtigen Motiv gesucht. Vor dem Hintergrund der jüngeren Entwicklungen in der Türkei um Präsident Erdogan war dann plötzlich klar: Ernst August, ein Bild von 2008, und es ist Ankara. Da hängt sich das reaktionäre Hannover dran auf. Das macht mir Spaß“, sagt Stelter.