Alte Schreibkunst neu entdeckt

Dieser Grafikdesigner macht Schilder zu Kunstwerken

Grafikdesigner Marc Alsina Martinez arbeitet mit Buchstaben.

Grafikdesigner Marc Alsina Martinez arbeitet mit Buchstaben.

Hannover. In der kleinen Werkstatt an der Schulenburger Landstraße stapeln sich die Farbdosen, Pinsel und Stifte. An den Wänden hängen Skizzen mit geschwungenen Buchstaben und handgemalten Schilder, die an Zeiten erinnern, als die Namen der Geschäfte und Kinos noch in goldener Schrift von den Schaufenstern leuchteten. An der Zeichentafel, vor seinem neuesten Werk gebeugt, sitzt aber kein alter Malermeister, sondern der 35-jährige Marc Alsina Martinez.

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Der Grafikdesigner hat die alten Techniken des Handletterings, das Gestalten von Buchstaben mit der Hand, für sich entdeckt – und haucht nun einem fast ausgestorbenen Handwerk neues Leben ein. „Das Interesse für Schriften hatte ich schon immer. Im Studium habe ich mich viel mit Typografie beschäftigt“, sagt der Hannoveraner mit spanischen Wurzeln. Im Netz sei er auf ein Video über die Kunst der amerikanischen Sign Painters – Schildermaler – gestoßen. „Es hat mich total fasziniert zu sehen, wie Schriftzüge per Hand gemalt werden und ich fing an zu recherchieren und zu üben“, sagt er.

In den USA entwickelte sich Mitte des 20. Jahrhunderts die Schildermalerei zu einer Kunstform. Von Ladenschildern bis zu aufwendigen Hinterglas-Schriften – Schildermaler wurden zur Schnittstelle aus Künstler und Handwerker, dessen Kreationen Symbole für eine Zeit geworden sind, in der alles noch langsamer vonstattenging. „Heute ist alles digitalisiert, entsteht schneller und ist makellos“, sagt Alsina. Doch nach dem Streben nach Perfektion gebe es eine Rückbesinnung zum Handgemachten, mit und gerade wegen der kleinen Ungenauigkeiten. Jeder Buchstabe wird anders, wenn man mit der Hand zeichnet. „Die Abweichungen sind minimal, ich sehe sie, aber am Ende ergibt das immer ein stimmiges Bild“, so Alsina.

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Die Technik des Handletterings zu beherrschen und eine ruhige Hand zu behalten, hat der Grafikdesigner lange üben müssen. „Das Schwierigste ist mit dem Pinsel umzugehen und der Umgang mit dem Malstock zu lernen“, sagt Alsina. Der lange Holzstab ist nach den Farben und dem Pinsel das wichtigste Instrument und hilft dabei die Hand zu stabilisieren. Nur so gelingt die schöne Schrift. „Das ist eine sehr befriedigende Arbeit“. Das Ergebnis könne er am Ende des Tages immer in der Hand halten. „Ich arbeite nicht gerne vor dem Computer. Handwerklich zu Arbeiten war immer mein Ding“, sagt Alsina, der auch eine Tischlerlehre gemacht hat.

Das Handwerk des "Schildermalers"
Das Handwerk des "Schildermalers"

Marc Alsina Martinez aus Hannover praktiziert ein altes Handwerk: Die Schildermalerei. Mit Pinsel und Farbe malt er Beschriftungen für Cafés und Läden.

Auch das fast ausgestorbene Handwerk des Glas-Vergoldung (glas gilding) hat er sich selbst angeeignet. Das Schild, an das er gerade arbeitet, ist buchstäblich Gold wert. Für die handwerkliche Glas-Vergoldung arbeitet der 35-Jährige mit 23 karätigem Blattgold. Vorsichtig trägt er die hauchdünnen Plättchen auf das Glas auf. „Diese Technik ist etwas ganz besonderes, weil man diesen Spiegeleffekt bis heute mit nichts imitieren kann“, sagt er.

In Berlin ist die Liebe zum Retro-Handwerk zuerst neu entfacht. Da wundert es nicht, dass Alsinas erste Arbeiten auch dort zu sehen sind. Das Schaufenster des Wolf Kinos in Berlin Neukölln zieren schimmernde Buchstaben aus Gold. Aber auch in Hannover, etwa im Café Kopi in der Nordstadt, gestaltet Alsina regelmäßig die Menütafel.

Schaut man sich in der Stadt aufmerksam um, entdeckt man auch noch alte, der Zeit trotzende, handgemalte Werbung. Wie bei Fritz Kivelitz in der Posthornstraße in Linden. „Den handgemalten Schriftzug über den Eingang haben wir seit 1929 nur einmal erneuern lassen“, sagt Herbert Kivelitz, der seit 40 Jahren den Familien-Tabak- und Schreibwarenladen betreibt. Für den Lindner kommt auch keine andere Gestaltung infrage. „Das ist unsere Note, hebt uns ab. Seelenlose, gleichaussehende Läden gibt es genug“, sagt Kivelitz.

Marc Alsina Martinez geht es vor allem um die Mischung aus Alt und Neu. Und trifft damit den Zeitgeist. „Bei meiner Arbeit spielt mein Hintergrund als Grafikdesigner eine große Rolle, dadurch kann ich einfach mehr aus einem Schild machen. Ich weiß, wie ich die Schrift arrangiere, habe ein Auge für die Komposition und das Layout “, sagt er. Mit den alten Techniken seien auch neue Wege möglich. Daran arbeite er. In dieser Woche hat er mehr zu tun als sonst. Am Sonnabend stellt er seine Arbeiten in der Faust aus. Denn es geht mehr als nur um Buchstaben, es ist Buchstaben-Kunst.

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Von Andrea Brack Peña

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