Erster Stadtrat hält Vortrag über Armut in Wunstorf
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Der Erste Stadtrat Carsten Piellusch spricht im Wunstorfer Tafelhaus vor knapp 20 Zuhörern über Armut und Teilhabe.
© Quelle: Rita Nandy
Wunstorf. Überraschende Zahlen über Armut und Teilhabe in Wunstorf präsentierte der Erste Stadtrat Carsten Piellusch am Mittwochabend im Tafelhaus. Bei seinem Vortrag, den er auf Einladung der SPD-Abteilung Wunstorf hielt, berücksichtigte er vor allem Kinder und Jugendliche.
In der Altersgruppe bis 15 Jahre hat fast jeder fünfte Wunstorfer Minderjährige Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT). Wer einen Antrag stellt, erhält beispeislweise Geld für Ausflüge, einen Zuschuss zum Mittagessen in Schule oder Kita, 100 Euro für Schulbedarf sowie Lernförderung. Um am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen zu können, werden monatlich 10 Euro für Musikunterrricht oder Vereinsmitgliedschaften übernommen.
10 Euro für Teilhabe nicht ausreichend
„Als Tropfen auf den heißen Stein“, bezeichnete ein Zuhörer diese Summe. Damit sei lediglich der Vereinsbeitrag gedeckt. Hinzu kämen aber auch Fahrten und Ausrüstung. Auch Carsten Piellusch findet 10 Euro zu wenig. Daher sei er froh, dass es in Wunstorf offene Angebote wie beispielsweise im Bau-Hof gebe, die eine Teilhabe ermöglichen. Kritik äußerte er aber auch an der Zahlung der Lernförderung. Um Chancengleichheit zu erzielen, dürften die Kosten nicht erst übernommen werden, wenn die Versetzung gefährdet ist. Dani Marchthaler, Leiterin des Kinder- und Jugendzentrums Der Bau-Hof, möchte noch einen Schritt weiter gehen. Sie wünscht sich ein zweites Unterstützungspaket für Menschen, die knapp über der Bemessungsgrenze liegen. „Lernförderung ist extrem teuer.“
In Wunstorf sind mehr als 20 Institutionen im Arbeitskreis Soziale Dienste, dazu gehört auch die Stadtverwaltung, vernetzt. Es gebe zahlreiche Angebote für sozial Schwache wie die Tafel und den Möbelladen Icks Plus. Die Musikschule und das Schwimmbad gewähren außerdem Ermäßigungen, nannte Piellusch einige Beispiele. Was fehle sei eine Migrantenselbstorganisation.
Schulsozialarbeit zahlt sich aus
Nach Meinung von Zuhörer Joaquim Braga sollen auch die Kosten für die Schulsozialarbeit vom Land getragen werden. Bisher zahle sie nur eine Stelle in Wunstorf, den Rest übernehme die Kommune, hatte Piellusch erzählt. Doch deren Arbeit sei sehr wichtig, was sich in der Quote der Inanspruchnahme von BuT-Leistungen widerspiegele. Mit 82 Prozent liege sie bei den sechs bis 15-Jährigen deutlich über den Regionsschnitt. Das führt der Stadtrat auf die gute Arbeit der Schulsozialarbeiter zurück. Deren Wichtigkeit habe auch die Landesregierung erkannt. So soll es 150 zusätzliche Stellen geben. Handlungsbedarf gebe es noch bei der komplizierten Antragstellung. Eine Entbürokratisierung sei notwendig.
Vor allem Kindern und Jugendlichen von Alleinerziehenden oder Arbeitslosen droht Armut. Bundesweit zeigt sich aber, dass sogar rund sieben Prozent der Erwerbstätigen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Als armutsgefährdet gilt nach dem Stand von 2016 in Deutschland, wer weniger als 12 765 Euro im Jahr verdient.
Tafeln sind notwendig
Kritik äußerte Piellusch an der Aussage von Bundesgesundheitsmister Jens Spahn (CDU). Dieser hatte gesagt, dass Tafeln eine wichtige Aufgabe erfüllten. „Aber niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe. Wir haben eines der bestenSozialsysteme der Welt“, hatte er ergänzt. Bei acht Euro pro Tag, davon drei Euro für Nahrung, für Kinder bis fünf Jahre könne er Spahns These, dass Tafeln entbehrlich seien, nicht verstehen. Die Helfer der Tafel engagierten sich nicht aus Langeweile, betonte der Tafel-Vorsitzende Frank Löffler. „Ziel einer Tafel kann nur sein, zu schließen.“
Von Rita Nandy