Gerüst am Schwarzen Bären: Stadt darf Eigentümer zum Handeln zwingen
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Dauergerüst am Schwarzen Bären: Der Hauseigentümer des eingerüsteten Hauses scheitert mit seiner Klage gegen die Anordnungen der Stadt.
© Quelle: Katrin Kutter
Hannover. Wie weit darf eine Stadtverwaltung gehen, wenn ein Hauseigentümer über Jahre hinweg seiner Pflicht zum Erhalt seiner Immobilie nicht nachkommt und damit Stadtbild und Sicherheit von Passanten gefährdet? Das Verwaltungsgericht hat am Montag im Fall des seit 2013 eingerüsteten Hauses am Schwarzen Bären eine klare Linie gezeigt: Die Stadt darf einen Hausverwalter zwingen, sich zu kümmern – und darf im Zweifel sogar selbst die Arbeiten ausführen lassen und dem Eigentümer später in Rechnung stellen.
Damit ist der Besitzer des Schandflecks am Schwarzen Bären 7 mit seiner Hinhaltetaktik gescheitert. Das Haus ist ein Denkmal, allein deshalb schon hat die Stadt Mitspracherecht bei notwendigen Sanierungsarbeiten. Dazu kommt die Gefahr auf dem vom Gerüst eingeengten Fuß- und Radweg. Einer Anordnung der Stadt, das löchrige Dach und die Anbauten fachgerecht sanieren zu lassen, widersetzte sich der renitente Eigentümer mit einer Klage – und scheiterte am Montag krachend vor Gericht. Richter Andreas Kleine-Tebbe staunte während der Verhandlung immer wieder über die Dickfelligkeit und ließ am Ende keine Berufung zu. Zu eindeutig sei die Rechtslage.
Warum der Haupteigentümer G. – ihm gehören mehr als 80 Prozent des Gebäudes – sich seit Jahren weigert, das Wohn- und Geschäftshaus in Ordnung zu bringen, blieb im Verfahren unklar. Nach Angaben seines Anwalts Stefan Schröpfer hat er nicht genug Geld, um alle von der Stadt geforderten Sanierungen am Dach kurzfristig vorzunehmen. Andererseits: Die meisten Wohnungen sind weiterhin vermietet, das Haus bringt also Einnahmen. „Und wenn ich als Eigentümer den Echten Hausschwamm im Gebälk habe, dann weiß ich doch eigentlich, dass ich nicht lange reden, sondern handeln muss“, sagte Richter Kleine-Tebbe in Richtung Anwalt.
2013 waren Putzteile von Dach und Fassade abgebröckelt und auf den Bürgersteig gefallen. Weil der Eigentümer nicht handelte, ließ die Stadt selbst ein Gerüst aufbauen. Für diese sogenannte Ersatzvornahme pfändete sie offenbar später Mieteinnahmen. Mehrfach forderte sie den Eigentümer auf, ein Sanierungskonzept vorzulegen. Nach Angaben des zuständigen Mitarbeiters im städtischen Denkmalamt, Manfred Rogge, ist der Eigentümer aber oft monatelang nicht zu erreichen und wechselt überdies Gutachter, Architekten und Rechtsanwälte immer dann, wenn ihm die Ergebnisse ihrer Expertenarbeit nicht passen. Auch vom dem Gutachter, der im März 2017 für Eigentümer G. detailliert auflistete, was alles saniert werden müsste, trennte er sich, zudem auch von dem Architekten, der zeitweilig die Bauleitung managte.
Die Stadt hatte im Frühsommer 2017 genug. Sie ordnete an, dass nun endlich saniert werden müsse, und zwar auf der Grundlage des vom Eigentümer vorgelegten Gutachtens. Falls der nicht handele, werde sie wie damals mit dem ersten Gerüst selbst die sogenannte Ersatzvornahme starten und die Arbeiten beauftragen. 120 000 Euro betrage der veranschlagte Wert, teilte sie kurze Zeit später mit. Eigentümeranwalt Schröpfer versuchte vergeblich, mit formellen Argumenten gegen die Anordnung vorzugehen: Ein Datum sei falsch eingetragen, die Anordnung insgesamt zu unkonkret. Im Übrigen seien einige Arbeiten längst ausgeführt: Die Dachfläche ist seit Jahresbeginn mit neuen Ziegeln eingedeckt.
Denkmalbearbeiter Rogge konterte umgehend: Die Ziegeleindeckung sei zwar neu, aber die Anschlüsse von Gauben, Erkern und Dachkehlen offenkundig nicht. „Was nützt ein neues Dach, wenn es dort trotzdem reinregnet?“, fragte er. Zudem könne sich die Behörde kein eigenes Bild davon machen, welche Arbeiten schon ausgeführt sind: Man habe keinen Zugang mehr. „Ich könnte mir mit einer neuerlichen Verfügung Zutritt verschaffen, aber ich weiß ja, dass der Eigentümer dagegen auch nur wieder klagen wird.“ Der Leiter der Denkmalbehörde, Hans-Achim Körber, gab dem Rechtsvertreter des Eigentümers einen lebenspraktischen Tipp: G. solle einen Architekten oder Ingenieur einschalten, der die Baustelle leitet. Der wisse dann schon, was notwendig sei, was zur Gefahrenabwehr sofort und was zum Werterhalt des Denkmals möglicherweise auch später erledigt werden könne.
Das sagen die Mieter
Seit 2013 leben die Mieter am Schwarzen Bären hinter Planen – und nehmen die Angelegenheit inzwischen erstaunlich gelassen. „Wir nutzen das Gerüst manchmal als Hilfsbalkon“, sagt einer aus einer der Wohngemeinschaften. Eine Studentin meint: „Es gibt Schlimmeres hier im Haus.“ Die Tauben im Treppenhaus und Ratten im Keller seien ein großes Problem, heißt es. Anfangs hatten sich Bewohner Schlitze in die Planen geschnitten, um Tageslicht durch die Fenster zu lassen. Klaus Fricke, der das Fotostudio Fricke in dritter Generation im ersten Stock betreibt, nimmt die Verschattung mit Humor. „In diesem Sommer waren die Gerüstplanen jedenfalls ein guter Sonnenschutz“, sagt er lachend. Als zu Jahresbeginn mit der Sanierung des Daches begonnen wurde, habe man im Haus gehofft, dass das Kapitel nun bald abgeschlossen sein würde – nun lahme die Sanierung leider erneut seit Monaten. Die Verwahrlosung zieht sich durchs gesamte Haus. Im Keller türmt sich Gerümpel, es riecht nach Rattenexkrementen. Im Treppenhaus sind Fenster vernagelt und Balken geflickt. Auf den obersten Etagen fliegen Tauben, alles ist voller Kot und Unrat. Auch der Hof, nach einer Anordnung der Stadt notdürftig aufgeräumt, sieht trostlos vermüllt aus. Zwei Bezirksratsmitglieder hatten am Montag das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht verfolgt – das Thema beschäftigt die Politik im Bezirk seit Jahren. Michael Klenke (CDU) lobt die Stadt: „Ich bin sehr zufrieden damit, dass die Mitarbeiter dort offenbar seit Jahren Druck ausüben und den Eigentümer nicht aus der Verantwortung lassen.“ Thomas Ganskow (Piraten) hat Zweifel, dass das Gerüst bald verschwindet. „Es klang auch heute wieder nicht so, als ob der Eigentümer das Problem lösen will“, sagt er.
Nachdem die Klage des Eigentümers abgewiesen ist, hat die Stadt nun freie Hand, den Auftrag zur Sanierung des Daches an eine Baufirma zu vergeben – alle Fristen des Eigentümers sind verstrichen. Man wolle zunächst abwarten, „bis wir das Urteil schriftlich vorliegen haben, um dieses auswerten zu können und das weitere Vorgehen zu beschließen“, teilte eine Stadtsprecherin am Nachmittag mit. Es könnte also sein, dass es bald vorangeht am Schwarzen Bären.
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Bauamt ist schon seit 2012 eingerüstet
Noch länger als das Haus am Schwarzen Bären ist in Hannover wohl nur eine Immobilie dauereingerüstet: das Gebäude westlich vom Neuen Rathaus, ausgerechnet das Bauamt der Stadt. Die Fünfzigerjahreimmobilie ist ein schwerer Sanierungsfall. Fassadenplatten drohten abzufallen. 2012 hat die Stadt daher ein Gerüst zum Schutz um das Haus installieren lassen. Im Gegensatz zum Schwarzen Bären behindert es aber keinen Radweg und beeinträchtigt auch keine Geschäfte im Erdgeschoss. Die Sanierung des Bauamts soll erst 2021 starten und 2023 abgeschlossen sein. Für die Verwaltung habe die Planung von Schul- und Kitagebäuden sowie zeitweilig Flüchtlingsunterkünften höhere Priorität gehabt als die Sanierung der Nachkriegsimmobilie. 470 Mitarbeiter der Bauverwaltung müssen ausziehen. Derzeit sucht die Stadt mit europaweiter Ausschreibung ein Planungsbüro, das die Großbaustelle managt.
Von Conrad von Meding