Hannover City: Lotterie bei der Parkplatzsuche
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Glück gehabt: Kudret Özaslan hat einen Parkplatz in der Schmiedestraße ergattert – nach 20 Minuten Stop-and-Go für 250 Meter.
© Quelle: Katrin Kutter
Hannover. Es ist Sonnabendnachmittag. In neun Tagen ist Weihnachten. Das heißt: Die hannoversche Innenstadt ist voll. Mit Menschen. Und mit Autos. Doch zwischen 14 und 15 Uhr kann man noch Glück haben. Und nach nur zehn Minuten Wartezeit ins Parkhaus der Ernst-August-Galerie an der Herschelstraße einfahren. Vor der Parkhausampel wacht Alexander Heinze, in seiner Schutzweste und mit der roten Kelle in der Hand nicht zu übersehen. „Ich muss aufpassen, dass die Leute nicht bei Rot reinfahren“, erzählt er. Denn wenn sich ungeduldige Wochenendeinkäufer nicht beherrschen, kann es passieren, dass sie auf der Suche nach einem freien Parkplatz bis in die oberste Etage kurven – und wieder gleich retour nach unten rollen dürfen. „Und dann muss ich natürlich darauf achten, dass die Linksabbieger aus Richtung Celler Straße nicht mitten auf der Straße stehen bleiben und den Gegenverkehr blockieren“, ergänzt der Rentner.
Der Posttunnel ist ein Phänomen. Zur einen Minute scheint er hoffnungslos verstopft zu sein. Drei Stadtbahnen, vier Busse und ein paar Pkw füllen ihn in beeindruckender Form. Doch drei Minuten später ist er wieder leer. So lange Busse und Bahnen noch in die Kurt-Schumacher-Straße hinein- und weiterfahren können, sind diese Verstopfungen nur von kurzer Dauer. Noch erträglich sind am frühen Nachmittag auch die Autoschlangen in Schiller- und Andreaestraße. An der Ecke Mehlstraße steht neuerdings eine provisorische Ampel, die den Parkhausverkehr regulieren soll. Für die Fußgänger gibt’s Druckknöpfe, doch die scheinen bei all dem regen Treiben rundherum überflüssig zu sein. Ob rot, ob grün – lass uns ruhig weitergeh’n.
Nichts geht mehr
Durch die Schmiedestraße spazieren ein paar Fußballfans, sie müssen sich ranhalten, wollen sie zum Spiel von 96 gegen die Bayern pünktlich sein. „Scheiß Millionäre“, schimpft einer im Vorbeigehen. Wen er wohl meint? Auf der Fahrbahn geht derweil nichts mehr, aus beiden Richtungen wollen Autofahrer ins Parkhaus Schmiedestraße einbiegen, und das ist voll.
Doch vor dem Brauhaus Ernst August lässt sich Erstaunliches beobachten: Zwei Parkplätze am Straßenrand, ganz regulär für zweieinhalb Stunden zu besetzen, sind frei. Eine Minute. Fünf Minuten. Zehn Minuten. Offenbar wollen alle Wartenden in der Autoschlange vis-à-vis längere Zeit in der City verweilen und unbedingt ins Parkhaus. Oder können sie nicht glauben, was sie da sehen? Dann schert Kudret Özaslan aus, steuert seinen weißen Passat mit einigem Hin und Her in eine der Lücken. „Ich weiß auch nicht, was mich geritten hat, an einem Sonnabend in die City zu fahren“, fragt er sich selbst. 20 Minuten war er von der Kreuzung Karmarschstraße / Schmiedestraße bis zum Brauhaus unterwegs – das darf man getrost als Schneckentempo bezeichnen.
Stadtbahn ist keine Option
Den anderen Gewinn in der Parkplatzlotterie ziehen Christine Biernat und Michael Jahnke, sie rangieren in die zweite Lücke. Warum sind sie nicht mit der Stadtbahn in die Innenstadt gefahren? „Wir wohnen in Algermissen, da ist die Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hannover ganz schlecht“, erzählt Jahnke. Aber dass sie diesen Stellplatz erobert haben – das sei doch schon mal ein toller Auftakt für ihren Einkaufsbummel.
Wie ungeduldig manche Autofahrer ob des Herumstehens in kürzeren oder längeren Staus sind, lässt sich auch plötzlichen Hupattacken entnehmen. Selbst wenn der Blick nur drei Autos weit reicht – wenn’s nicht vorangeht, macht so mancher seinem Unmut per Hupton Luft. Einfach so. Am meisten erschrecken sich dann meist völlig Unbeteiligte: die Fußgänger am Rande.
In der Andreaestraße schafft es ein BMW-Fahrer, vor dem sich 30 Meter freie Fahrbahn auftun, auf der kurzen Strecke so heftig zu beschleunigen, dass die Reifen durchdrehen und laut quietschen. Was unausweichlich folgt, ist ein kräftiges Abbremsen hinter den Vorderleuten, die sich ärgerlicherweise nicht in Luft aufgelöst haben. Mensch, Material und Spritverbrauch ist solch eine Fahrweise sicher nicht dienlich, aber irgendwie muss sich die Anspannung an solch einem Adventssonnabend offenbar entladen. Wohl dem, der später seine innere Mitte wiederfindet – vielleicht bei einem Bummel über den Weihnachtsmarkt, der um diese Zeit noch nicht überfüllt ist.
Ein späterer Rundgang durch die Stadt, zwischen 17 und 18 Uhr, bestätigt den Eindruck vom frühen Nachmittag: Das befürchtete Verkehrschaos bleibt weiterhin aus, als Autofahrer kommt man jetzt sogar besser durch die Innenstadt. Auf dem Altstadt-Weihnachtsmarkt ist es jedoch kuschelig eng, denn nun haben sich auch noch etliche Fußballfans unters vergnügungssüchtige Volk gemischt. Und die Stadionbesucher können ein wenig Aufheiterung vertragen, sofern sie 96-Anhänger sind – zu trostlos waren das Spiel ihrer Mannschaft und das Ergebnis.
Von Michael Zgoll